1. Einleitung
Das Schuljahr 2020/21 wurde in besonderem Maße durch die Corona-Pandemie geprägt. Neben teils deutlichen Lernrückständen wurde in verschiedenen Studien eine erhöhte psychosoziale Belastung von Schüler:innen und Familien festgestellt. Laut Ergebnissen der zweiten Befragungsrunde der Copsy-Studie leidet fast jedes dritte Kind ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. „Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen“ (Copsy-Studie, Pressemitteilung UKE, 10.02.2021)[1] .
Hierdurch entsteht für die Schulsozialarbeit ein Nachholbedarf sowohl in der Einzelberatung von Schüler:innen und Familien bei psychosozialer Belastung als auch in gruppenpädagogischen Angeboten.
Schulsozialarbeit fördert Schüler:innen in ihren persönlichen und sozialen Kompetenzen sowie in ihrer Lern- und Leistungskompetenz mit dem Ziel, eine Schulkultur zu gestalten, die die Potenzialentfaltung von Schüler:innen durch Wertschätzung und gemeinsames Lernen ermöglicht sowie Bildungsbenachteiligung verhindert.
2. Schulsozialarbeit in der Hansestadt Lübeck
Seit 2012 hat die Hansestadt Lübeck in mehreren Ausbaustufen die Schulsozialarbeit von 4 Vollzeitstellen auf aktuell 30,5 Vollzeitstellen ausgebaut. Gemäß Bürgerschaftsbeschluss aus dem Jahr 2019 wurden im Schuljahr 2020/21 3,3 Stellen neu eingerichtet und 5 Schulstandorte erstmalig mit Schulsozialarbeit ausgestattet (s. VO/2019/07234-01). Für das Schuljahr 2021/22 ist die Versorgung der Standorte Trave-Gymnasium, Matthias-Leithoff-Schule und Astrid-Lindgren-Schule sowie die Fachberatung Schulsozialarbeit geplant.
Der Fokus des Ausbaus von Schulsozialarbeit lag zunächst auf Schulstandorten mit besonderen Problemlagen, den ehemaligen Gesamt- und Regionalschulen, nunmehr Gemeinschaftsschulen. Die Versorgung der 14 Gemeinschaftsschulen erfolgte sozialdatenbezogen. In der Folge lag der Schwerpunkt auf der frühzeitigen Förderung von Personalkompetenz und Sozialkompetenz der Schüler:innen mit einem Ausbau von Schulsozialarbeit an Grundschulen.
Die Gymnasien wurden 2012 erstmalig mit Schulsozialarbeit versorgt. Bereits 2012 haben die Schulleitungen der Gymnasien einen höheren Bedarf mitgeteilt, der aufgrund der vorrangigen Bedarfe an Grund- und Gemeinschaftsschulen sowie Förderzentren nicht umgesetzt werden konnte.
3. Personal- und Finanzausstattung Schulsozialarbeit
Die Finanzierung der Schulsozialarbeit in Lübeck erfolgt derzeit aus Landesmitteln Schulsozialarbeit, die über das Finanzausgleichsgesetz (FAG) des Landes Schleswig-Holstein, §28 zur Verfügung gestellt werden, sowie aus kommunalen Mitteln. 2021 beträgt der Anteil der Landesmittel für Lübeck ca. 1,62 Mio. Euro.
Im August 2021 hat das Bildungsministerium des Landes Schleswig-Holstein bekannt gegeben, dass durch das Aktionsprogramm des Bundesbildungs- und des Bundesfamilienministeriums „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ kurzfristig zusätzliche Mittel für die Schulsozialarbeit zur Verfügung gestellt werden. Hieraus können vom 01.10.21 bis zum 31.12.2022 Personalkosten finanziert werden. Für Lübeck stehen zusätzliche FAG-Mittel in Höhe von 59.364,65 Euro für den Zeitraum vom 01.10.21 bis 31.12.2021 sowie 237.456,75 Euro für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.21.2022 für zusätzliche Schulsozialarbeit an allgemeinbildenden Schulen zur Verfügung.
In der Hansestadt Lübeck sind mit Stand zum 01.08.2021 insgesamt 40 Schulsozialarbeiter:innen auf 30,5 Stellen für 55 Schulen mit knapp 20.000 Schüler:innen beschäftigt. Gemäß Bürgerschaftsbeschluss vom 20.06.2019 erfolgt von 2020 bis 2022 ein sukzessiver Ausbau um 9 Vollzeitstellen für die adäquate Versorgung an Grundschulen, Förderzentren und Gemeinschaftsschulen sowie in der Fachberatung (s. VO/2019/07234-01). Auf alle Lübecker Schulen betrachtet ist zum 01.08.2021 in der Hansestadt Lübeck ein/e Schulsozialarbeiter:in für 646 Schüler:innen zuständig.
An den Gymnasien sind aktuell 5 Schulsozialarbeiter:innen auf 3,5 Vollzeitstellen mit bis zu einer halben Stelle je Gymnasium beschäftigt. An den 7 Lübecker Gymnasien werden im Schuljahr 2020/21 5.377 Schüler:innen beschult. Der Schlüssel Schulsozialarbeiter:in zu Schüler:in am Gymnasium liegt aktuell bei 1:1.536.
4. Projektmittel Schulsozialarbeit
Für die kommenden Jahre besteht ein Nachholbedarf an gruppenpädagogischen Angeboten zur Förderung der Sozialkompetenz. Aufgrund der pandemiebedingten Schulschließungen und der hygienebedingten Kohorten- und Gruppenbildungen konnten von Februar bis Dezember 2020 sowie im 1. Halbjahr 2021 nicht alle geplanten Projekte Schulsozialarbeit der freien Träger durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass für die Schüler:innen nicht nur die Schule als Lernort für soziale Kompetenzen, sondern auch Sportvereine, Jugendzentren und Familientreffen pandemiebedingt nur reduziert zur Verfügung standen und ein hoher Bedarf in Bezug auf Förderung der Sozialkompetenz von Schüler:innen besteht.
Seit dem 01.02.2012 können Projektmittel Schulsozialarbeit in Höhe von jährlich ca. 100.000 Euro an allgemeinbildenden Schulen in einem gemeinsamen Antrag von Schule, Schulsozialarbeit und einem freien Träger aus dem Bereich der Jugendhilfe in Anspruch genommen werden.
Projektschwerpunkt an den allgemein bildenden Schulen ist das Training sozialer Kompetenzen, u.a. mittels Methoden der Theaterpädagogik, Erlebnispädagogik, Bewegungspädagogik, Naturpädagogik, Gesundheitspädagogik sowie über geschlechtsspezifische und interkulturelle Angebote, Elternangebote wie Elternkurse und Elternberatung.
Für das Jahr 2021 zeichnet sich bereits ab, dass die Schulen entsprechend des höheren Bedarfs zur Förderung der Sozialkompetenz bei Schüler:innen mehr Projekttage beantragen. Die Schulleitungen planen auch für das Jahr 2022 vermehrt Projekte, da Rückmeldungen der Klassenlehrkräfte und Schulsozialarbeiter:innen nach den ersten Wochen des Schuljahres 2021/22 zeigen, dass mehr Maßnahmen für ein gutes Klassen- und Schulklima erforderlich sein werden.
Die Bedarfsplanung für die Schulsozialarbeit der kommenden Jahre wird aktuell vorbereitet und soll in einer Vorlage zum Jahresbeginn 2022 eingereicht werden. Hier werden auch Vergleiche zu den kreisfreien Städten einfließen, so werden in Kiel 2021 gemäß Drucksache 0885/2020 jährlich ca. 850.000 Euro Projektmittel für die Schulsozialarbeit zur Verfügung gestellt.
5. Umsetzungsplanung Corona-Aufholprogramm
Da die zusätzlichen FAG-Mittel des Corona-Aufholprogramms für Personalkosten verwendet werden müssen, stehen sie nicht für Projekte freier Träger an Schulen zur Verfügung, sondern sollen für die Schulsozialarbeit vor Ort an Schule eingesetzt werden.
Die zusätzlichen Finanzmittel aus dem Corona-Aufholprogramm entsprechen auf Basis der kommunalen Personalkostendurchschnittswerte in Höhe von ca. 71.000 Euro jährlich nach TvÖD-SuE, EG S12 insgesamt ca. 3,4 zusätzlichen Stellen Schulsozialarbeit für die Zeit vom 01.10.21 bis 31.12.2022.
Die Empfehlung des Landes zur Aufstockung von Stunden durch die jetzigen Stelleninhaber:innen ist für Lübeck nur bedingt umsetzbar, da im Rahmen des Ausbaus Schulsozialarbeit eine Aufstockung bereits im Schuljahr 2020/21 erfolgte. Im Rahmen einer laufenden Ausschreibung können die Stellen für die Schulsozialarbeit zügig besetzt werden. Aufgrund der kurzfristigen Bekanntmachung des Landes Schleswig-Holstein im August 2021 werden die Stellen kurzfristig dem internen Stellenpool der Hansestadt Lübeck entnommen.
Durch den bestehenden Fachkräftemangel im pädagogischen Bereich ist davon auszugehen, dass eine Befristung der Stellen auf maximal 15 Monate nicht zu einer adäquaten Stellenbesetzung führen wird. Da innerhalb der Hansestadt Lübeck jedoch ein hoher Bedarf an Sozialpädagog:innen in verschiedenen Bereichen des Fachbereichs 2 Wirtschaft und Soziales sowie im Fachbereich 4 Kultur und Bildung besteht und u.a. im Bereich der Familienhilfe bereits seit Jahren eine dauerhafte Ausschreibung für den Allgemeinen Sozialen Dienst erfolgt, sollen die Stellen unbefristet besetzt werden. Zudem ist im Team Schulsozialarbeit neben Fluktuationen ab dem Jahr 2023 mit Eintritten in den Ruhestand zu rechnen. Leitend bei der Stellenbesetzung sind neben der fachlichen und persönlichen Eignung ein ausgewogener Genderanteil und eine hohe Vielfalt an Sprachkenntnissen bzw. Migrationshintergründen in der Schulsozialarbeit.