Fachkonsens ist, dass Präsenzbetreuung und -beschulung zwingend notwendig sind, um Bildungschancengleichheit für Kinder sicher zu stellen, Familiensysteme und Familieneinkommen nicht (weiter) durch Schließung von Schulen und Kitas inkl. der damit verbundenen Übertragung von Betreuungs- und Beschulungsaufgaben an (berufstätige) Eltern zu gefährden sowie die in der Pandemie während der Schul- und Kitaschließungen gestiegenen Fälle von Gewalt gegen Kinder und häuslicher Gewalt (überwiegend gegen Frauen gerichtet) nicht weiter steigen zu lassen, im besten Falle wieder zu reduzieren.
Die vergangenen 17 Monate der Pandemie haben gezeigt, dass eine sichere Öffnung von Schule und Kinderbetreuung in der Pandemie mit den bisherigen Maßnahmen (Maske, Fenster zum Lüften öffnen, CO2- Melder, Abstand halten) nicht möglich war und ist. Die Kinder ab 7. Klasse konnten – mit Ausnahme der Abschlussklassen – trotz der oben genannten Maßnahmen inkl. der in Lübeck in allen Klassen installierten CO2-Meldern (April-Mai erfolgten die Installationen, vgl. Quellenangaben weiter unten), erst wenige Wochen vor den Sommerferien wieder in den 5-Tage Präsenzunterricht zurückkehren, da die Maßnahmen im Rahmen der Pandemie nicht als ausreichend zum Schutz vor Corona-Infektionen in Klassen bewertet wurden. Daher sind zwingend weitere und vor allem nachweislich aerosol/viren-reduzierende Maßnahmen als Ergänzung in Schulen, Kitas und auch der Kindertagespflege notwendig, um in Lübeck Betreuung und Beschulung im kommenden Herbst und Winter sicherstellen zu können. Eine Möglichkeit bieten gemäß wissenschaftlichem Konsens hierfür Luftfilter (mobil oder stationär) oder auch Lüftungsanlagen.
(1Langfristig fordern wir in der nächsten Haushaltssitzung, alle Bildungsräume mit Lüftungsanlagen auszustatten und beantragen hierfür ein Konzept, das innerhalb der kommenden fünf Jahre umgesetzt werden soll. Bis das Ziel erreicht ist, müssen kurzfristig Luftfilter angeschafft werden, um zumindest die weitere Risikominimierung von Schulschließungen zu erreichen.)
Querlüftung erfordert nach Auskunft der Bundeswehruniversität München, Institut für Strömungstechnik und Aerodynamik am 16.02.2021, dass Räume Fenster auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Raumes haben, die geöffnet werden können. Eine Öffnung einer Tür gegenüber von Fenstern stellt keine Queröffnung dar, ist im Sinne der empfohlenen Lüftungskonzepte demnach in der Pandemie nicht ausreichend (wie auch die langen Schul- und Kitaschließungen 2020 und 2021 als Konsequenz daraus belegen) und gefährdet durch Abführen der Raumluft inkl. der darin enthaltenden Aerosole in das Gebäudeinnere die übrigen Gebäudenutzenden:
Studie der Bundeswehruniversität München, Institut für Strömungstechnik und Aerodynamik, 16.02.2021:
„(...) die Querlüftung lässt sich nur erzielen, wenn ein Raum beidseitig mit Fenstern ausgestattet ist, was sehr selten der Fall ist. Das Öffnen einer Tür wird oft als Querlüftung hingestellt, aber das ist falsch. Laut dem Stand der Forschung der Lüftungstechnik sollten die Türen auch nicht geöffnet werden, da dann die Schadstoffe unkontrolliert in andere Gebäudeteile gelangen können. (…)“, vgl. Studie Bundeswehruniversität München. Link: https://t1p.de/ir4m
Lehrkräfte berichten, dass das ständige Lüften über die Fenster sowie die damit verbundenen niedrigen Temperaturen das Unterrichten im erheblichen Maße beeinträchtigen. So berichten zwei Lehrkräfte die unhaltbar niedrigen Raumtemperaturen bei ordnungsgemäßem Lüften auf hl-live in Verbindung mit der Pressemitteilung der Lübecker Verwaltung/Jan Lindenau am 20.07.2021:
„Ich arbeite seit ca. 35 Jahren als Lehrerin an Lübecker Schule. Seit Ewigkeiten bekannt, Hitze hält sich dort , Kälte auch. Aber im letzten Jahr hat Kälte eine neue Dimension erreicht... Bei minus 12, 15 Grad draußen... anfangs auch nicht nette 18 Grad drinnen - sinkt Temperatur bei vorgeschriebener (!) Lüftung auf 12, manchmal auch 8 Grad Innentemperatur.... Schüler:innen und Lehrkraft mit Winterjacke, zum Teil mit Mütze - Handschuhe blieben weg, weil damit gar nicht mehr gearbeitet werden kann..
Besonders nett, wenn dann, eh total unterkühlt, 25 Min Hofpausenansicht angesagt sind - und anschließ0end noch mal 90 Min das Ganze von vorn....Da ist man gefühlt tiefgekühlt, wenn man nach Hause kommt.
Ja, die Ampeln haben wir auch - Umgang damit... anderes Thema. Hängen in Klasse, sind sehr klein, man/frau muss sie ständig im Auge haben, wobei andere/s im Auge zu haben wichtiger wäre aus meiner Sicht...
Wenn die Filter irgendwas verbessern können, bitte her damit. Und ja, es kostet Geld, aber 75% würden von Bund und Land übernommen.... Zum Nulltarif... kann niemand erwarten.“, vgl. https://www.hl-live.de/text.php?id=146183
Und:
„Na prima! Dann gehe ich ab Oktober wieder in Funktionskleidung in die Schule, damit ich beim Lüften nicht erfriere. Ein schönes Arbeiten, wenn man so kalte Finger hat, dass man weder Stift noch Kreide richtig halten kann...“, vgl. https://www.hl-live.de/text.php?id=146183
Gerade nach den langen Schulschließungen der letzten zwei Lockdowns in den vergangenen zwei Schuljahren sollte alles dafür getan werden, dass der Unterricht in der Pandemie unter guten Bedingungen stattfindet, wozu normale, den Unterricht nicht behindernde Raumtemperaturen gehören. Kindern sollte ein Arbeiten unter gleichen Bedingungen in der Pandemie wie Erwachsenen nach den dort geltenden Arbeitsstättenrichtlinien möglich gemacht werden, die bei einer Raumtemperatur von rund 20 Grad oder individuell je nach Bedürfnis festlegbarer Temperatur arbeiten können. Die Erfahrungen des vergangenen Corona-Winters zeigen für die Monate der Schulöffnung, dass bei ordnungsgemäßem Lüften die Temperaturen, vgl. oben zitiertes Beispiel – dauerhaft weit unter 18 Grad und das nicht nur für wenige Minuten sinken.
Hinzuweisen ist darauf, dass Schüler*innen - je nach Bauart der Klasse - ständig in Reihe vor zahlreichen Fensterscheiben mit dadurch deutlich verhinderter Unterrichtsteilhabe nach vorne zur Lehrkraft sitzen, weil die Fenster direkt vor ihren Schulbänken aufschwingen. Es ist leicht nachvollziehbar, dass einer Lehrkraft an der Tafel vorne nur bedingt gefolgt werden kann, wenn in Reihe geöffnete Fenster vor den Kindern das Sehen und Hören behindern. Hinzu kommt eine ständige Unruhe im Unterricht, da diese Kinder beim ordnungsgemäßen Lüften über die Fenster (bei fehlender Querlüftung entsprechend häufigerer Lüftung) ständig aufstehen und sich dann wieder setzen müssen, da die Fenster beim Aufschwingen dort entlang geführt werden müssen, wo die Kinder sitzen.
Neben der Kälte können auch Regen (je nach Stärke und Windrichtung/Windböen) im Herbst/Winter bei pandemiebedingtem ordnungsgemäßer Lüftung als einzige Möglichkeit des Luftaustausches dazu führen, dass es in die Klassen über geöffnete Fenster rein regnet, was zusätzlich das Unterrichten behindert oder aber dazu führt, dass trotz der in der Pandemie so wichtigen Reduzierung der Aerosole – im Falle fehlender Lüftungsanlagen und fehlender Luftfilter nur über Querlüftung möglich – nicht erfolgt, da eine Lüftung über Fenster aufgrund des Reinregnens in die Klassen dann nicht möglich ist (Berichte der Schüler*innen: „Wenn es zu stark regnete und dann auch noch Wind dazu kam, haben wir die Fenster wieder geschlossen/nicht geöffnet).
Die CO2-Messgeräte für alle Schulkassen wurden in der Bürgerschaft Februar 2021 beschlossen (vgl.: https://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Luebeck-Buergerschaft-beschliesst-CO2-Messgeraete-fuer-2500-Klassenraeume) und sollten bis Mai 2021 in allen Klassen installiert werden, vgl. https://www.energiecluster-luebeck.de/aktuelles/2500-messgeraete-fuer-luebecker-schulen/. Die bisherigen Messdaten belegen laut Auskunft des Bürgermeisters (vgl. https://www.hl-live.de/text.php?id=146183), dass in der überwiegenden Anzahl der Klassen Lübecks die Luft in Ordnung sei und daher Luftfilter in der Mehrzahl der Klassen nicht notwendig wäre.
Außer Acht gelassen wird bei der Datenauswertung der Verwaltung jedoch, dass in den Herbst-/Wintermonaten bis in das Frühjahr 2021 hinein (Okt 2020, Nov 2020, Dez 2020, Januar 2021, Februar 2021, anteilig März 2021, April 2021) mit Frostzeiten und Regen noch gar keine flächendeckenden Messungen erfolgten konnten, da die Messgeräte erst ab Februar 2021 bis Mai 2021 schrittweise in den Klassen installiert wurden. Auf Facebook (vgl.: in der Kommentierung des nachfolgenden Posting: https://www.facebook.com/groups/218677151967341/permalink/1175028172998896/ ) teilte der Bürgermeister zudem mit, dass die Messungen, die zu der o.g. Schlussfolgerung der Verwaltung führten, die Luft sei in der Mehrzahl der Klassen in Ordnung und Luftfilter daher nicht notwendig, auf Messdaten der letzten 14 Tage vor den Sommerferien beruhe, in denen in Lübeck hochsommerliche Temperaturen ohne Niederschlag gegeben waren. D.h. die Fenster der Klassen waren im von der Verwaltung herangezogenen Messzeitraum unabhängig von einer corona-bedingten Notwendigkeit so oder so aufgrund der Temperaturen durchgehend geöffnet und die Schulklassen überwiegend (mindestens in der letzten Woche vor den Sommerferien nach den Zeugniskonferenzen) auf Ausflügen unterwegs, da nur außerhalb der Klasse die Kinder ohne Maske sein konnten. Die flächendeckenden Messdaten stammen also aus Zeiten, in denen ohne Kälte-/Nässeeintrag in die Klassen nonstop Fenster geöffnet oder aber die Schulklassen ohne Schüler*innen waren. Die Daten, die ggf. vor diesen zwei Wochen durch erste, einzelne Messstationen in 2020 oder noch eher erhoben wurden, sind wiederum so vereinzelnd, dass daraus keine Schlussfolgerung für alle Klassen, Kitas und Räume der Kindertagespflege für den kommenden Herbst und Winter 2021 möglich sind.
Fazit: Es besteht keine Aussagekraft der vorliegenden CO2-Messdaten für alle Räume in Schulen für den kommenden Herbst/Winter 2021, da die dafür erforderliche flächendeckenden Messungen erst 14 Tage bei bestem Sommerwetter vor den Sommerferien im Juni 20221 erfolgten, somit nicht als Argument für „gute Luft in den Klassen“ und gegen die Anschaffung von Lüftungsanlagen und/oder Luftfilter angeführt werden kann.
In den Kitas Lübecks gibt es bisher keine flächendeckenden CO2-Messgeräte, so dass noch nicht mal flächendeckende Daten für die Frühlings-/Sommermonate aller Kitaräume vorliegen, vgl. Pressemitteilung Lübecker Verwaltung vom 19.07.2021: „Mit der Stadtwerke-Tochter der TraveKom GmbH wurde eine (…) CO2-Messinfrastruktur in ersten Kindertagesstätten aufgebaut.“, https://www.hl-live.de/text.php?id=146183.
In der Kindertagespflege wurde nach unserem Kenntnisstand bisher als ein zusätzlicher Baustein zum Schutz der Kinder und Kindertagespflegepersonen vor Corona-Infektionen gar keine CO2-Messgeräte installiert.
Für Luftfilter (stationär und mobil) gibt es mittlerweile attraktive Förderungen über Land und Bund, so dass die Kommune Lübeck nur noch einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus eigenen Haushaltsmitteln tragen muss (für mobile Luftfilter zum Beispiel trägt nach unserem Kenntnisstand der Bund 50% und das Land Schleswig-Holstein 25% der Kosten).
Kinder bis 12 Jahren haben bisher keine Möglichkeit, sich durch eine Impfung gegen Corona schützen zu können und die Impfempfehlung der StiKo für die Kinder 12-17 Jahren ist von der StiKo auf Risikokinder begrenzt worden. Eine Änderung dieser Impfempfehlungen für Kinder ist nach aktueller Forschungslage und aktuellem Kenntnisstand nicht zu erwarten, so dass die beantragten Wege zur Sicherstellung von Bildung in der Pandemie unverzichtbar sind.
Bis zum 09.07.2021 lehnte das Umweltbundesamt Luftfilter in der Pandemie als überflüssig ab. Das Umweltbundesamt revidierte seine Luftfilter ablehnende Position erst am 09.07.201, als unwiderlegbar erkennbar wurde, dass die Position des Umweltbundesamtes wissenschaftlich unhaltbarer war und empfiehlt nun doch Luftfilter, dies jedoch nur unter ganz bestimmten Bedingungen, vgl.: https://www.umweltbundesamt.de/themen/lueftung-lueftungsanlagen-mobile-luftreiniger-an. Die Lübecker Verwaltung folgte und folgt aktuell weiterhin den Empfehlungen des Umweltbundesamtes. Da das Umweltbundesamt viele Monate entgegen der wissenschaftlichen Erkenntnisse an der Ablehnung der Luftfilter als eine in der Pandemie notwendige Maßnahme zur Aeorsol-Reduzierung in Klassenräumen festhielt, dem folgend auch die Lübecker Verwaltung, zugespitzt in der Aussage des Lübecker Gesundheitsamtes, dass Luftfilter sogar corona-fördernd sein könnten (vgl.: VO/2021/10144 ) stellt sich die Frage, inwieweit die jetzt aktuell vom Umweltbundesamt formulierten Kriterien, mit denen der Luftfiltereinsatz in Schulen zur Sicherung von Präsenzunterricht in der Pandemie sehr stark begrenzt wird, überhaupt fachlich dem wissenschaftlichen Konsens entsprechen und inwieweit den Empfehlungen des Umweltbundesamtes überhaupt noch gefolgt werden kann.
Bereits die oben genannte Studie der Bundeswehruniversität München, Institut für Strömungstechnik und Aerodynamik lässt erkennen, dass das Umweltbundesamt auch aktuell weiterhin eine sehr spezielle und von der Tendenz her Luftfilter weiterhin ablehnende Position vertritt und dies weiterhin entgegen vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Luftfilter als flächendeckend einzusetzende Schutzmaßnahme vor Corona-Infektionen basierend auf unabhängiger Forschung begründet fordern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die oben genannte Frage, ob in Lübeck den Empfehlungen des Umweltbundesamtes – wie bisher immer von der Verwaltung und dem Bürgermeister – gefolgt werden kann oder doch im Interesse der Bildung und Gesundheit der Kinder besser den unabhängigen Forschungsergebnissen gefolgt werden sollte, die sich klar für flächendeckenden Einsatz von Luftfilter als zusätzlich wichtigen Baustein zur Sicherstellung von Präsenzunterricht in der Pandemie aussprechen.
Neben der Notwendigkeit, Corona-Infektionen in Bildungsorten im Interesse der Gesundheit der ungeimpften Kinder mit Hilfe von Luftfiltern zu verhindern, ist dies auch im Interesse der Lübecker Wirtschaft, da durch große Infektionscluster in Bildungseinrichtungen über die hochansteckende Delta-Variante die Inzidenz in Lübeck so anzusteigen droht, dass es in dieser Folge zu erneuten massiven – auch vom Land oder Bund dann verbindlich festgelegten - Einschränkungen in allen Lebensbereiche kommen würde inkl. des gesamten Weihnachtsgeschäftes Lübecks bis hin zu einem weiteren vollständigen Lockdown.
Wir gehen grundsätzlich von einer Zustimmung der Verwaltungsspitze zu unserem Antrag vor dem Hintergrund der nachfolgenden Aussage des Bürgermeisters auf Facebook aus, da wir mit der Begründung dieses Antrages nachgewiesen haben, dass in der Mehrzahl aller Schul-, Kita- und Kindertagespflegeräume Lübecks keine ausreichende Fensterlüftung zur Verhinderung von Corona-Infektionen (insbesondere mit Blick auf die hochansteckende Delta-Variante) sowie Sicherstellung von Präsenzbetreuung und -beschulung im kommenden Herbst/Winter möglich sein wird. Sei es, weil eine Querlüftung über Fenster, eine Querlüftung aufgrund von Regeneintrag in den Räumen oder aber ein Absinken der Raumtemperatur auf dauerhaft unter 20 Grad bei ordnungsgemäßem Lüften im Herbst/Winter nicht möglich ist und daher Luftfilter oder aber (wie auch vom Bürgermeister bevorzugt, vgl. Zitat unten) Lüftungsanlagen in den Bildungsräumen von Kita, Schule und Kindertagespflege zu installieren sind:
Jan Lindenau am 17.07.2021 in der Facebook-Gruppe Lübecker Bürgerforum:
„(...) Im Übrigen bin ich nicht gegen Luftfilteranlagen, aber ich bin nur dafür in den Räumen, in denen nicht ausreichend Fensterlüftungen möglich sind. Weil am Ende Frischluft das Wichtigste ist. Nicht das Umwälzen von Raumluft ohne Frischluftzufuhr. Das machen nämlich die Luftfilter.(...)" (Zitat zu finden in der Kommentierung in diesem Facebook-Posting: https://www.facebook.com/groups/1754551804597376/permalink/4433717186680811/)