Vorlage - VO/2020/09525  

Betreff: Anfrage des AM Thomas-Markus Leber (FDP) zu einem denkbaren Corona-Frühwarnsystem in den Kläranlagen der Hansestadt: Hotspot-Hinweise aus dem Abwasser?
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der FDP Fraktion Bearbeiter/-in: Völker, Astrid
Beratungsfolge:
Werkausschuss EBL zur Kenntnisnahme
10.12.2020 
22. Sitzung des Werkausschusses EBL zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Forscher in verschiedenen europäischen Forschungseinrichtungen arbeiten zurzeit mit Hochdruck an einem Corona-Frühwarnsystem, basierend auf Abwasseranalysen in Kläranlagen. Ziel der Aktivitäten ist es die Dunkelziffer von Corona-Infizierten genauer bestimmen, sowie die Entstehung neuer Corona-Hotspots voraussagen zu können.

1.. Sind die kommunalen Kläranlagen der Entsorgungsbetriebe Lübeck (das Zentralklärwerk ((ZKW)) in der Warthestraße sowie die Kläranlage auf dem Priwall) bereits in entsprechende Monitoringprogramme eingebunden?

2.. Wären die Entsorgungsbetriebe Lübeck mit ihren Wasserlaboren technisch in der Lage entsprechende Untersuchungen durchzuführen?

3.. Wie bewerten die Entsorgungsbetriebe die Sinnhaftigkeit, den Mehrwert sowie den Zusatznutzen derartiger Analysen?

4.. Welche Herausforderungen werden von der EBL gesehen?

5.. Könnte es aus der Sicht der EBL Sinn machen sich proaktiv an den Monitoringprogrammen zu beteiligen, sofern dies nicht schon geschieht?  


 

 

 


Begründung

Rohabwasser, das Kläranlagen zugeleitet wird, enthält das, was Millionen Bundesbürger täglich in ihren Toiletten herunterspülen - so auch eine Vielzahl von Krankheitserregern und auch Bruchstücke des neuartigen Coronavirus.

Das Abwasser spiegelt in gewisser Weise den Gesundheitszustand der Menschen im Einzugsgebiet einer Kläranlage wider - zumindest, was Erkrankungen betrifft, deren Erreger über Fäkalien ausgeschieden werden.

Anhand der Virenkonzentration im Abwasser ist es nun dank neuer Verfahren möglich den Infektionsgrad der Bevölkerung gerade auch im Hinblick auf das Corona-Virus zu ermitteln.

Forscherteams aus Aachen und Frankfurt haben hierzu eine Methode zur Überwachung von Infektionen mit SARS-CoV-2 über das Abwasser entwickelt.

Erstmals konnte dabei für Deutschland gezeigt werden, dass sich Genmaterial von SARS-CoV-2 mit molekularen Methoden in Kläranlagen nachweisen lässt.

Die Analyse ist denkbar einfach: Repräsentative Abwasserproben aus dem Zulauf von Wasserreinigungsanlagen werden entnommen, aufgearbeitet und auf der Erbgut der Coronaviren untersucht. Dabei können selbst kleine Bruchstücke des Virus-Erbgutes im Abwasser nachgewiesen werden. Diese sogenannte RNA ist Forschungsgegenstand.

Die gemessene „Virenfracht“ der Abwässer erlaubt Rückschlüsse auf die Anzahl der mit COVID-19 infizierten Menschen im Einzugsgebiet. Die Sensitivität sei ausreichend, um als Frühwarnsystem anzuzeigen, ob der Maßnahmenwert von 50 Inzidenzen pro 100.000 Einwohnern überschritten wird, berichten die Wissenschaftler.

Die beschriebene Abwasseranalyse kann einen entscheidenden Vorteil gegenüber den gängigen Corona-Tests für sich verbuchen und eine gefährliche Eigenschaft der Coronaviren eindämmen helfen: Wer infiziert ist, verteilt das Virus – auch wenn keine Symptome spürbar sind. Das Problem dabei: Betroffene werden erst getestet, wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist. Das wiederum hat damit zu tun, dass viele Bürger sich erst nach Ausbruch von Symptomen bzw. nach der Inkubationszeiten melden. So gibt es eine hohe Dunkelziffer bei den Infizierten.

Auch Wissenschaftler aus Darmstadt beschäftigen sich mit der Thematik und untersuchen Wasserproben aus Frankfurter Kläranlagen auf Coronaviren.

Dass die Zahl der Infizierten wieder steigt, konnte bereits früh bemerkt werden. Im Juli lagen die Virenkonzentrationen im Abwasser noch stabil auf relativ niedrigem Niveau, dann stiegen die Werte deutlich an. Die Darmstädter Forscher arbeiten an einem Monitoringsystem für die Stadt Frankfurt. Bei ansteigenden Virenmengen im Abwasser können Schutzmaßnahmen verschärft bzw. bei einem Rückgang wieder gelockert werden. 

Auch das Abwasser vom Frankfurter Flughafen untersuchen die Forscher, um mehr über die Herkunft und die Verbreitungswege der Viren zu erfahren.

Es gibt inzwischen verschiedene regionale Varianten von SARS-CoV-2.

Die Wissenschaftler aus Aachen und Frankfurt am Main wollen ihr Wissen nun für eine „baldige Anwendung“ bereitstellen und sich mit den Behörden abstimmen.

Die bei der Studie im Abwasser nachgewiesenen SARS-CoV-2-Fragmente stellten sich nach Angaben der Autoren in Zelltests im Labor als nicht-infektiös dar. Das neuartige Coronavirus im Abwasser ist damit nach jetzigem Stand der Forschung nicht ansteckend. Das Virus kommt im Abwasser in veränderter Form vor und hat seine äußere Hülle bereits verloren.

Auch Wissenschaftler des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) arbeiten gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und der TU Dresden an einem Corona-Frühwarnsystem. An ähnlichen Projekten arbeiten darüber hinaus auch Forscher der Uni Bonn mit einem Team aus den Niederlanden. Die RWTH Aachen kooperiert mit Forschungseinrichtungen anderer europäischer Staaten, die von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission unterstützt werden.

Um eine schriftliche Beantwortung der Anfrage wird gebeten!


 

 

 


Anlagen


 

 

 

Stammbaum:
VO/2020/09525   Anfrage des AM Thomas-Markus Leber (FDP) zu einem denkbaren Corona-Frühwarnsystem in den Kläranlagen der Hansestadt: Hotspot-Hinweise aus dem Abwasser?   Geschäftsstelle der FDP Fraktion   Anfrage
VO/2020/09525-01   Antwort auf Anfrage des AM Thomas-Markus Leber (FDP) zu einem denkbaren Corona-Frühwarnsystem in den Kläranlagen der Hansestadt: Hotspot-Hinweise aus dem Abwasser?   3.700 - Entsorgungsbetriebe Lübeck   Antwort auf Anfrage öffentlich