Ausgangslage:
Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandelt und so gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) verstößt. Weiterhin wurde entschieden, dass spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden muss. Sofern diese Regelung geschaffen wurde, kann die Grundsteuer in der jetzigen Form bis einschließlich 31. Dezember 2024 erhoben werden. Ab dem 01. Januar 2025 muss dann die gesetzliche Neuregelung zur Anwendung kommen.
Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten (Einheitswerte) aus den Jahren 1964 oder 1935. Diese Einheitswerte werden mit einem einheitlichen Faktor, der sog. Steuermesszahl, und anschließend mit dem Hebesatz multipliziert. Während durch Bundesgesetz die Steuermesszahlen festgelegt werden, wird der Hebesatz - und damit die Höhe der tatsächlichen Grundsteuer – von den Kommunen selbst festgelegt. Da sich die Werte von Grundstücken und Gebäuden seit 1935 bzw. 1964 unterschiedlich entwickelt haben, kommt es aktuell zu gravierenden steuerlichen Ungleichbehandlungen, die nicht mehr zu rechtfertigen sind. Im Ergebnis haben sich die Grundsteuerzahlungen von den tatsächlichen Werten der Immobilien entkoppelt. Das heißt, gegenwärtig können für vergleichbare Immobilien in benachbarter Lage extrem unterschiedliche Grundsteuerzahlungen fällig werden.
Aktueller Sachstand:
Am 21.06.2019 hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf beschlossen, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung tragen soll. Dieser Gesetzesentwurf wurde in 2. und 3. Lesung nunmehr im Bundestag mehrheitlich beschlossen und wird
voraussichtlich am 08.11.2019 dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt. Weitere Informationen zum Beratungsergebnis können Sie dem Rundschreiben des Städteverbandes Schleswig-Holstein vom 21.10.2019 (Anlage 2) entnehmen.
Insgesamt besteht das Paket zur Reform der Grundsteuer aus 3 miteinander verbundenen Gesetzesentwürfen:
- Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts
- Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (Grundsteuer C)
- Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
Oberstes Ziel der Neuregelung ist es, das Grundsteuer- und Bewertungsrecht verfassungskonform und möglichst unbürokratisch umsetzbar auszugestalten. Zudem sollen die neuen Bewertungsregelungen dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht werden. Dies soll erreicht werden, indem sich die Grundsteuer weiterhin am Wert einer Immobilie orientiert. So soll es auch künftig einen Unterschied machen, in welcher Lage ein Haus oder eine Wohnung liegt. Dies war bereits der Grundgedanke im bisherigen Bewertungsrecht, aufgrund der Aussetzung der Hauptfeststellungen (Fortschreibung der Wertentwicklung) kam dieser Gedanke jedoch nie zur Ausführung und führte zu den jetzt vorliegenden offensichtlichen Wertverschiebungen.
Das heutige dreistufige Verfahren inklusive der Aufgabenteilung auf die Finanzverwaltung und die Kommunen – Bewertung, Steuermessbetrag, kommunaler Hebesatz – bleibt erhalten. Die Bewertung der Grundstücke nach neuem Recht erfolgt erstmals zum Stichtag 01.01.2022, die erste Erhebung nach dieser Bewertung durch die Kommunen zum Stichtag 01.01.2025.
Im Detail wird die zukünftige Berechnung wie folgt aussehen:
- Berechnung des Werts des Grundbesitzes:
Wesentliche Faktoren sind der jeweilige Wert des Bodens (Bodenrichtwert) und die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmieten, die u.a. von der sog. Mietniveaustufe der jeweiligen Kommune abhängt. Gemäß dem Verordnungsentwurf hierzu, ist es geplant die Hansestadt Lübeck in die Mietniveaustufe 4 – von insgesamt 5 Stufen – einzuordnen. Weitere Faktoren sind die Grundstücksfläche, Immobilienart und das Alter des Gebäudes.
- Aufkommensneutralität:
Zur Sicherung der Aufkommensneutralität ist es erforderlich die Wertsteigerungen, die im Vergleich zu dem seit 1935 bzw. 1964 nicht mehr aktualisierten Werten entstanden sind, auszugleichen.
Hierfür werden die heutigen Steuermesszahlen so abgesenkt, dass die Reform insgesamt aufkommensneutral ausgestaltet werden kann. Durch diese Maßnahme kann jedoch lediglich auf Bundesebene eine Aufkommensneutralität erreicht werden. Dieses Ziel auch auf kommunaler Ebene zu erreichen bedeutet, dass die entsprechenden örtlichen Hebesätze anzupassen sind (siehe Ausführungen Schritt 3).
Außerdem soll der soziale Wohnungsbau sowie kommunales und genossenschaftliches Wohnen über die Grundsteuer gefördert werden. Hierfür sollen Gesellschaften, die günstiges Wohnen möglich machen, einen zusätzlichen Abschlag bei der Steuermesszahl um 25 % erhalten, der sich steuermindernd auswirkt. Der Begründung zum Gesetzesentwurf ist hierzu folgendes zu entnehmen: „Mit der Grundsteuervergünstigung sollen zusätzliche Investitionsanreize zur Schaffung von Wohnraum gesetzt werden und zielgenau die Bau- und Wohnungswirtschaft in denjenigen Fällen positiv beeinflussen, bei denen die günstige Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum Hauptzweck ist. Aus diesen Gründen umfasst die Grundsteuervergünstigung nur Wohnungsbaugesellschaften, die mehrheitlich von Gebietskörperschaften beherrscht werden und bei denen ein Gewinn durch Abführung an die jeweiligen Gebietskörperschaften der kommunalen Daseinsfürsorge zu Gute kommt. Entsprechendes gilt für Wohnungsbaugesellschaften, die im Dienste der Allgemeinheit tätig werden und deshalb als gemeinnützig anerkannt werden.“
Die in Anlage 1 beigefügte Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Gesetzesentwurf zur Grundsteuerreform, geht auf Seite 3 auf die Schwierigkeiten der tatsächlichen Ausführung ein und regt eine Anpassung der Förderkriterien an. Demzufolge soll eine kommunale Mehrheitsbeteiligung am Wohnungsunternehmen als alleiniges Förderungskriterium ausreichend sein.
- Anpassen der Hebesätze:
Sollte sich in den Kommunen das Grundsteueraufkommen aufgrund der Neubewertung verändern, besteht die Möglichkeit die Aufkommensneutralität durch Anpassung der Hebesätze herzustellen. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu wird nicht aufgenommen werden, jedoch werden die Städte regelmäßig aufgefordert sich klar zu diesem Ziel zu positionieren. Auch die kommunalen Spitzenverbände sind sich einig darüber, dass ein Konsens aller Städte und Gemeinden in dieser Frage eine wichtige Voraussetzung für die politische Durchsetzbarkeit des Reformprojektes ist.
Im zeitlichen Ablauf wird die Festlegung der angepassten Hebesätze zur Sicherung der Aufkommensneutralität erst erfolgen können, wenn alle Besteuerungsgrundlagen vorliegen. In der Praxis bedeutet dies, dass das zuständige Finanzamt die Grundsteuermessbeträge aller Grundstücke mitteilt und dann die entsprechende Vergleichsrechnung zur Festlegung der neuen Hebesätze erfolgen kann. Somit ist mit einer Bürgerschaftsvorlage zur Anpassung der Hebesätze frühestens im Laufe des Jahres 2024 zu rechnen.
Zu berücksichtigen ist dabei aber auch, dass dies nicht zu einer Belastungsneutralität für jeden einzelnen Abgabenpflichtigen führen wird. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Hebesätze für die Grundsteuer nach wie vor einheitlich für das gesamte Erhebungsgebiet (Hoheitsgebiet einer Kommune) festzulegen ist. Wohin gegen jedoch der einzelne Grundstückswert differenziert betrachtet werden muss.
Durch einen weiteren Gesetzesentwurf soll den Kommunen ferner die Möglichkeit eingeräumt werden, für unbebaute aber baureife Grundstücke einen erhöhen Hebesatz festzulegen. Diese sog. „Grundsteuer C“ soll dabei helfen, Wohnraumbedarf künftig schneller zu decken und Spekulationen mit Bauland zu verhindern.
Insbesondere In Ballungsgebieten besteht ein erheblicher Wohnungsmangel. Die damit verbundene Entwicklung der Werte der Grundstücke wird vermehrt dazu genutzt, baureife Grundstücke als Spekulationsobjekt zu halten. Grundstücke werden teilweise nur aufgekauft, um eine Wertsteigerung abzuwarten und die Grundstücke anschließend gewinnbringend wieder zu veräußern. Diese Spekulation mit Bauland kann verhindern, dass dringend benötigter Wohnraum entsteht. Künftig sollen Gemeinden für baureife aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen können, wenn auf diesen keine Bebauung erfolgt. Diese sog. Grundsteuer C verteuert damit die Spekulation und schafft finanzielle Anreize, auf baureifen Grundstücken tatsächlichen auch Wohnraum zu schaffen. Der Gesetzesentwurf sieht in § 25 Absatz 5 Satz 2 Grundsteuergesetz –neu- eine Definition eines baureifen Grundstücks vor. Demnach handelt es sich bei diesen um solche unbebaute Grundstücke, die nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaubar sind. Für diese Grundstücke könnte auf den festgestellten Grundsteuermessbetrag ein erhöhter Hebesatz angewandt werden. Die bislang geplante Voraussetzung, dass für die Einführung einer Grundsteuer C ein besonderer Wohnraumbedarf im Erhebungsgebiet nachzuweisen ist, ist nicht mehr enthalten, so dass nunmehr alle Kommunen dieses Optionsrecht nutzen können.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang war auch, dass der Hebesatz für die Grundsteuer C – wie auch die anderen Hebesätze – einheitlich für das gesamte Stadtgebiet gelten sollte. Eine Zonierung des Hebesatzes nach bundesgesetzlichen Leitlinien wurde durch die Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände gefordert. So könnte die Lenkungsfunktion der Grundsteuer C gezielter auf Bau- oder Sanierungsgebiete angewandt werden (siehe hierzu auch Anlage 1 Seite 4). Dieser Einwand wurde bei der Beratung des Gesetzesentwurfs am 18.10.2019 berücksichtigt, so dass eine Zonierung der Grundsteuer C möglich ist. Für die Zukunft ist zu beobachten, ob - wie gefordert - bundeseinheitliche Kriterien für eine Zonierung entwickelt werden.
Die Entscheidung bezüglich der Einführung einer Grundsteuer C sowie einer möglichen Zonierung im Hoheitsgebiet der Hansestadt Lübeck kann und sollte bis zum Ende des Jahres 2024 zurückgestellt werden, um dann vom Bereich Stadtplanung und Bauordnung hinsichtlich der notwendigen Entscheidungsgrundlagen eine Einschätzung einzuholen, die als Grundlage für die Einführung der Grundsteuer C dienen sollte.
Ferner ist es geplant im Rahmen der Neugestaltung der Grundsteuer eine Öffnungsklausel für die einzelnen Bundesländer aufzunehmen. Bis zum 31.12.2024 hätten die Bundesländer demnach die Möglichkeit, vom Bundesrecht abweichende Bewertungsregelungen in Kraft treten zu lassen. Schleswig-Holstein hat in der Debatte vor dem Gesetzesentwurf ebenfalls ein Modell vorgeschlagen. Dieses hier vorliegende Modell weicht dergestalt vom Gesetzesentwurf ab, dass bei unbebauten Grundstücken nicht der Bodenrichtwert für das direkt betroffene Grundstück anzuwenden ist, sondern Bodenrichtwertzonen, die eine Vielzahl von Grundstücken beinhaltet und im Einzelfall vom Richtwert für das direkt betroffenen Grundstück abweichen können. Ferner ist im Gesetzesentwurf eine Reduzierung der Steuermesszahl für geförderten Wohnraum um 25 % vorgesehen (siehe Ausführungen oben). Diese Reduzierung sieht das schleswig-holsteinische Modell nicht vor. Ob die Landesregierung von dem geplanten Recht auf eine eigenständige Landesregelungen zum Bewertungsrecht vor dem Hintergrund der geringfügigen Abweichungen zum Gesetzesentwurf Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten. Anlässlich der Haushaltsrede von Ministerin Monika Heinold zum Landeshaushalt 2020 ist man hierüber noch in Gesprächen innerhalb der Koalition.
Aussicht:
Die Bewertung anlässlich der Erhebung der Grundsteuer soll zukünftig fast ausschließlich digital erfolgen.
Durch reduzierte und IT-gestützte Erklärungspflichten wird die Handhabung für die Steuerpflichtigen erleichtert. Die Steuererklärung soll elektronisch abgegeben werden können. Die steuerpflichtigen Eigentümer müssen zu den künftig regelmäßigen Hauptfeststellungszeitpunkten (lt. Gesetzesentwurf alle sieben Jahre) und – wie bisher – bei jeder relevanten Änderung von Art, Wert und Zurechnung (Eigentumswechsel) eine Erklärung abgeben. Die Einhaltung der Hauptfeststellungszeitpunkte soll durch das vereinfachte Erklärungs- und Berechnungsverfahren sowie die weites gehende Digitalisierung des gesamten Verfahrens sichergestellt werden.
Die anhand der Erklärungen erfolgten Bewertungen sollen ausschließlich auf elektronischem Wege an die hebeberechtigten Kommunen weitergegeben werden. Hierfür ist es erforderlich in enger Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung sowie im interkommunalen Austausch zeitnah entsprechende Schnittstellen – bestenfalls mit der Steuerveranlagungssoftware – zu entwickeln. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Stadtgebiet Lübeck ca. 65.000 Grundstücke von der Reform der Grundsteuer betroffen sind. Im noch aktuellen Erhebungsverfahren erfolgt die Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen allein durch einen papiermäßigen Versand des Grundlagenbescheides vom Finanzamt an die Kommunen, im Anschluss wird der mitgeteilte Messbescheid manuell durch einen Mitarbeiter in die Veranlagungssoftware übernommen.
Der derzeitige zeitliche Rahmen vom Inkrafttreten des Gesetzes (01.01.2020) bis zur erstmaligen Erhebung nach neuem Recht (01.01.2025) wird überwiegend durch die Finanzverwaltungen zur Entwicklung der technischen Voraussetzungen und der Neubewertung der Grundstücke erforderlich sein. Es bleibt zu vermuten, dass die gemeindlichen Verwaltungen erst im Laufe des Jahres 2024 bis ins Jahr 2025 die erforderlichen Besteuerungsgrundlagen zur Berechnung der tatsächlichen Grundsteuer erhalten werden und tragen somit das größte zeitliche Risiko. Mit diesem Risiko ist ebenfalls verbunden, dass liquide Mittel nicht zeitnah von den Abgabenpflichtigen angefordert werden können und es ggfs. zu Liquiditätsengpässen kommen könnte. Aus diesem Grunde wird es erforderlich sein, das zuständige Personal für die Erhebung der Grundsteuer zur Sicherung der Einnahmen von aktuell 38 Mio. € temporär zu verstärken.
Grundsätzlich ist der digitale Informationsaustausch sehr zu begrüßen, da dies die aufwändigen manuellen Tätigkeiten zur Abwendung eines sog. Vollzugsdefizits und zur Sicherung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung aller Eigentümer beendet. Die Beibehaltung des papiermäßigen Austausches der Besteuerungsgrundlagen sowie die manuellen Übernahme der Daten ins System würde die benötigten personellen Ressourcen um ein vielfaches erhöhen.
Jedoch sind auch hier zukünftig entsprechende Kontrollmechanismen – wie z.B. Kontrollsummen oder Übertragungsprotokollen – zu entwickeln, um Datenverluste zu vermeiden.