Artikel 28 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland garantiert den Kommunen
das Recht auf kommunale Selbstverwaltung und finanzielle Eigenverantwortung. Voraussetzung hierfür ist eine auskömmliche Ausstattung mit Finanzmitteln. Diese wird über das Konnexitätsprinzip sichergestellt, das vorsieht, dass Aufgaben, die seitens Bund und Land auf
die Kommune übertragen werden, von diesen zu finanzieren sind.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Allein im Bereich der Aufwendungen für soziale Leistungen (Produkte 311001, 312101, 312901, 313001, 315001, 321001, 331001, 343001,
345001, 351001) entsteht der Hansestadt Lübeck jährlich (!) ein Defizit in der Größenordnung von durchschnittlich etwa 100 Millionen Euro (siehe Teilergebnispläne 2015 - 2018).
Gedeckt werden muss dieses über die Aufnahme von Kassenkrediten und/oder Einsparungen, die zulasten freiwilliger Leistungen und der städtischen Infrastruktur gehen. Dies führt
dazu, dass beispielsweise erforderliche Investitionen in städtische Liegenschaften unterbleiben und kulturelle Angebote eingestellt werden müssen. An die aktuellen Diskussionen zum
Lübecker Theater, der massiven Reduzierung der Zuschüsse des Landes für Integrationsmassnahmen oder die unklare Finanzierung der Stadtmütter sei an dieser Stelle erinnert.
Die schleichende Aufgabe des Konnexitätsprinzips hat die finanzielle Schieflage vieler Kommunen zur Folge, aus der sich diese in absehbarer Zeit kraft eigener Anstrengungen nicht mehr befreien können. Konsolidierungsprogramme des Landes sind dabei auch nicht zielführend, erfordern diese doch weitere Sparleistungen der Kommunen mit den beschriebenen Folgen.
Die hieraus resultierenden unterschiedlichen Belastungen der Kommunen führen dazu, dass
diese nicht mehr in der Lage sind, bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse sicherzustellen.
Dies gilt auch für die Hansestadt Lübeck. Das Institut der Deutschen Wirtschaft kommt in seiner kürzlich veröffentlichten Studie “Die Zukunft der Regionen in Deutschland – Zwischen Vielfalt und Gleichwertigkeit” zu dem Ergebnis, dass die Region Schleswig-Holstein Ost zu den 19 am stärksten gefährdeten Regionen gehört, Lübeck droht, vom Rest der Republik “abgehängt” zu werden. Als gravierendes Problem wurde die kommunale Verschuldung identifiziert.
Auch der “Teilhabeatlas Deutschland” des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung
bescheinigt der Hansestadt nicht nur eine “Großstadt mit Problemlage”, sondern sogar ein
typisches Beispiel hierfür zu sein. Dabei definieren sich hiernach “Großstädte mit Problemlagen” insbesondere durch:
• sehr hohe SGB II-Abhängigkeit
• geringes Einkommen
• mittleres Steueraufkommen
• hoher Anteil an Schulabbrechern
• geringe Lebenserwartung
• viele Zuzüge
• sehr gute Breitbandversorgung
• sehr gute Nahversorgung.
Das Aktionsbündnis “Für die Würde unserer Städte” ist ein Zusammenschluss von mehr als
70 Städten und Landkreisen, der das Ziel hat, sich mit Unterstützung der Bürgerinnen und
Bürger bei Bund und Land für eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der Kommunen
einzusetzen und so wieder gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.
Dazu werden ganz konkrete Forderungen gestellt, darunter diese zentralen:
- Lösung des kommunalen Altschuldenproblems
- verstärkte Übernahme der Soziallasten durch den Bund.
Die Aktivitäten des Bündnisses haben mit dazu beigetragen, dass der Bundestag im Jahr
2018 die Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse” ins Leben gerufen hat, die kürzlich
erste Ergebnisse vorstellte.
Der Hansestadt Lübeck stünde es gut zu Gesicht, wenn sie sich gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Kommunen dafür einsetzt, dass diese wieder in die Lage versetzt werden, die ihnen originär obliegenden Aufgaben mit einer angemessenen finanziellen Ausstattung seitens Bund und Ländern künftig selbstverantwortlich wahrnehmen zu können.
Anlagen:
Webauftritt des Aktionsbündnisses “Für die Würde unserer Städte”
https://www.muelheim-ruhr.de/cms/aktionsbuendnis_raus_aus_den_schulden.html
Weitere Informationen/Verlautbarungen des Aktionsbündnisses
http://kommunalwiki.boell.de/index.php/F%C3%BCr_die_W%C3%BCrde_unserer_
St%C3%A4dte
Webauftritt der Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse”
https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/gleichwertige-lebensverhaeltnisse/
gleichwertige-lebensverhaeltnisse-node.html
Darstellung der Ergebnisse der Kommission
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/topthemen/DE/topthema-kommission-gleichwertige-lebensverhaeltnisse/kom-gl-artikel.html
Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft
https://www.iwkoeln.de/studien/iw-studien/beitrag/michael-huether-jens-suedekum-michaelvoigtlaender-zwischen-vielfalt-und-gleichwertigkeit.html
Teilhabeatlas Deutschland
https://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/teilhabeatlas_deutschland