Die Bürgerschaft hat im Mai 2019 den Klimanotstand festgestellt. In der Folge fand am 28. Juni auf Einladung des Bereichs Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz (UNV) die erste Sitzung der fachbereichsübergreifenden Steuerungsgruppe Klimaschutz statt, um über wichtige Ansatzpunkte aus Sicht der Verwaltung, inklusive ausgewählter Eigenbetriebe und Beteiligungen zu beraten. Alle Beteiligten betonten die Wichtigkeit der Vorbildfunktion der Stadtverwaltung und signalisierten hohes Interesse, Willen und Bereitschaft zur Unterstützung der in ihren Organisationseinheiten klimarelevanten Themen. Im Anschluss starteten thematische Gespräche in kleinerer Runde, weitere Gespräche sind bereits terminiert und werden bis Ende 2019 geführt, um einen ersten Maßnahmenkatalog der Bürgerschaft möglichst noch im Jahr 2020 vorzulegen. Am 24. Juni 2019 hatte die Stadtpräsidentin zur Einwohnerversammlung mit dem Schwerpunkt Klimaschutz eingeladen. Die Anträge aus der Einwohnerversammlung liegen vor. Am Rande dieser Versammlung wurden die Bürger/innen über ihre Schwerpunktsetzung zu Klimaschutzthemen befragt. Bei der Auswertung der Antworten standen die Wünsche nach Steigerung der Attraktivität des Radwegenetzes, des erweiterten ÖPNV-Angebots sowie des umweltfreundlichen und fairen Konsums ganz vorne. Weitere inhaltliche Austausche mit lokalen Akteuren wie dem Seniorenbeirat und außerstädtischen Fachleuten u.a. der Klimaschutzabteilung der Stadt Kiel folgten. Eine mitwachsende Internetseite zu Klimaschutzbelangen für alle Beteiligten und die interessierte Öffentlichkeit wurde mit dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kurzfristig erarbeitet.
Die Teilnahme Lübecks am European Energy Award als Managementtool für Klimaschutz soll zum 01.10.2019 starten (siehe 4. Managementtool zum Klimaschutz)
- Strategische Weichenstellungen
Die folgende Struktur dient in Zukunft der Verfolgung der Einsparziele des Pariser Klimaschutzabkommens (Schaubild siehe Anlage).
Zur Bewältigung der großen Herausforderungen im Klimaschutz müssen zunächst die verwaltungsinternen Strukturen erweitert werden. In einem ersten Schritt ist die Klimaleitstelle des Bereichs UNV personell zu stärken, um die Aufgaben einzuleiten, Impulse zu setzen, nachhaltig und wirksam den Prozess mit allen Beteiligten zu steuern und zu koordinieren. Insbesondere sollen Ergebnisse zusammengetragen, auf CO2 Einsparpotentiale bewertet und den politischen Gremien berichtet werden.
Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die in viele Arbeitsbereiche hineinmündet. Um den Fokus Klimaschutz zu stärken bedarf es der fachlichen Expertise und Zuarbeit durch die Klimaleitstelle. Dieser Wunsch wurde mehrfach als dringend an die Klimaleitstelle herangetragen. Zwar werden Klimaschutzaufgaben in anderen Bereichen mitgedacht, das große Potential kann nur gehoben und der Fokus auf Klimaschutz gesetzt werden, wenn Spezialisten mit entsprechender Ausbildung in den verschiedenen Arbeitsgebieten eingebunden sind und zuarbeiten. Aufgrund der Arbeitsverdichtung ist es in den Fachabteilungen nicht möglich jeweils selbst diese Zusatzkompetenzen zu erwerben und umzusetzen. Ein großer Synergieeffekt tritt ein, wenn die Kompetenzen gebündelt werden und allen zentral zur Verfügung gestellt werden können.
Darüber hinaus nimmt Lübeck an dem European Energy Award(eea) als Managementtool für Klimaschutz teil, um die Klimaschutzmaßnahmen professionell zu entwickeln, zu begleiten und deren Erfolg zu überprüfen. Gelebte Praxis in anderen Kommunen hat gezeigt, dass die Kosten für Energieeinsparmaßnahmen mehrfach wieder eingespart werden.
Weiterhin soll neben der bereits eingerichteten städtischen Steuerungsgruppe ein stadtweites Klimaforum sicherstellen, dass die Kompetenz der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Bürgergesellschaft in den gesamten Prozess einfließen. Klimaschutz ist auch eine Chance am Hochschulstandort Lübeck zukunftsfähige Technologien zu entwickeln und voranzutreiben. Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird zunächst über die Klimaschutzseite und später über das breiter aufgestellte Format Lübeck überMORGEN erfolgen..
Für die Bewertung der Auswirkungen aller kommunalen Entscheidungen (Beschluss der Bürgerschaft vom Mai 2019) auf das Klima müssen Regularien mit allen anderen städtischen Bereichen und Fachbereichen erarbeitet werden. Bei klimarelevanten Vorlagen ist eine regelmäßige Teilnahme einer Fachkraft aus der Steuerungsgruppe K in den entsprechenden Ausschusssitzungen einzurichten.
Alle diese Aktivitäten sollen in einen Masterplan Klimaschutz für Lübeck zusammengeführt werden.
- Fachliche Ziele
Betrachtet werden müssen unter anderem die folgenden Schwerpunkte:
Energieeinsparung und Nutzung erneuerbarer Energien
Ziele für den eigenen Gebäudebestand sind, das Energiemanagement auszubauen und neben Energieeinsparungsmaßnahmen die Nutzung erneuerbarer Energien zu steigern.
Dabei bilden die bisher weitgehend ungenutzten Dachflächen ein großes Potential im knappen Stadtraum. Auch Schulgebäude haben ein großes Handlungs- und Einsparpotential. So gibt es verschiedene attraktive Förderprogramme, die nur genutzt werden können, wenn vor Antragstellung ausgearbeitete Konzepte vorliegen. Dabei könnte an vorhandene Strukturen angeknüpft und bereits bestehende engagierte Initiativen eingebunden werden (Fridays for Future, schulinterne Initiativen).
Das Einsparpotential für Gebäude in privatem Besitz ist schwieriger zu erschließen, deshalb ist dabei der Zusammenschluss mit externen Partnern vor Ort (HWK, IHK, Heizungsinnung, Immobilienverbände, Verbraucherzentrale etc.) sinnvoll.
Ziel für den Neubau ist Klimaneutralität, die auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann. Ein wichtiger Hebel dafür ist die Verankerung in der Bauleitplanung. Auf der Umsetzungsebene können bei der Vergabe neuer Baugebiete für städtische Flächen Klimaschutzkriterien eingeführt werden, die in städtebaulichen und privatrechtlichen Verträgen gesichert werden können.
Die Wärmeversorgung muss neben der Betrachtung von Einspar- und Effizienzpotentialen letztendlich in Zukunft überwiegend auf erneuerbare Energien umgestellt werden.
Mobilität und Förderung des Umweltverbundes
Um die Pariser Einsparziele zu erreichen braucht es eine übergeordnete strategische am Klimaschutz orientierte Verkehrsplanung. Ansatzpunkte sind die Betrachtung von Ampelschaltungen, die Ausgestaltung von Wegeführungen oder die Aufteilung des Straßenraumes. Die Verbesserung der Radinfrastruktur birgt ein großes Potential für Klimaschutz im Verkehrssektor. Neben der zügigen Sanierung und Überprüfung des Bestandes ist die Schaffung von sicheren Abstellmöglichkeiten (Fahrradparkhaus, -stationen) und weiteren Platzangeboten ein erstes wichtiges Ziel.
Die öffentlichen Verkehrsmittel sind eine weitere große Chance. Die Prüfung von neuen Preismodellen, dichterer Taktung und einem erweiterten Netz sind zu prüfen. Darüber hinaus kann u. a. über weitere Attraktivitätssteigerung bei Jobtickets nachgedacht werden.
Konsum und Entsorgung
Diese haben einen größeren Einfluss auf das Klima als den meisten bewusst ist. Durch verstärkte Bildungsarbeit kann vermittelt werden, dass Konsum die CO2-Bilanz deutlich beeinflussen kann. Neben der Öffentlichkeitsarbeit steht der stadteigene Verbrauch im Fokus. Die Ökobilanz von Baumaterialien, Mobiliar und Verbrauchsgütern wie Papier wird bei der öffentlichen Beschaffung zum Auswahlkriterium und in die Ausschreibungen integriert. Die erfolgreiche Mitarbeit in der Steuerungsgruppe Fairtrade-Stadt Lübeck soll fortgesetzt und intensiviert werden.
Maßnahmen zum Flächenmanagement
Die Betrachtung von urbanen Flächen aus Sicht des Klimaschutzes ist ein weiteres wichtiges Thema. Dies wird in dem bereits laufenden Bundesförderprojekt „Anpassung an den Klimawandel“ bearbeitet und soll den Gremien in Kürze vorgestellt werden.
- Aktuelle und zukünftige Aufgaben der Klimaleitstelle:
Seit dem Ende der Förderung für die Stelle des Klimaschutzmanagements im Oktober 2018 stehen aktuell nur noch zwei halbe Planstellen für die Umsetzung von Klimaschutzaktivitäten im Bereich UNV zur Verfügung. Verwaltungsinterne Schwerpunkte sind bisher u.a. Stellungnahmen zu städtischen Planverfahren, Fördermittelbeantragung, Treibhausgasbilanzierung sowie die Durchführung einzelner Klimaschutzmaßnahmen, z. B. die Einrichtung eines gemeinsamen Fahrzeug- und Fahrradpools im VZM, Durchführung des Runden Tisches „Wir für Mehrweg“. Auch für die Öffentlichkeit wurden Projekte initiiert, begleitet und umgesetzt. Beispiele sind die Aktion Stadtradeln sowie Kampagnen zur Heizungsoptimierung für private Haushalte und zum Ökoprofit für Lübecker Unternehmen. Gemeinsame Veranstaltungen mit lokalen und überregionalen Kooperationspartnern und die Vernetzung mit anderen Akteuren im Klimaschutz wie „Klima pro Lübeck“ ergänzen das Aufgabengebiet.
Eine bereits im Haushaltsplan 2020 aufgenommene neue Stelle soll die ausgelaufene Klimamanagerstelle ersetzen, damit diese Aufgaben wieder komplett erledigt werden können. Darüber hinaus soll diese Stelle die Koordination der verwaltungsinternen Steuerungsgruppe zum Klimaschutz und die Koordination der Teilnahme am European Energy Award übernehmen.
Mit Blick auf die neuen, von der Bürgerschaft beschlossenen Aufgaben zum Klimaschutz bedarf es einer Verstärkung der Klimaleitstelle um 2 weitere Mitarbeiter:innen im Bereich UNV. Es wird daran gearbeitet, unterjährig 2019/2020 entsprechende Stellen im Stellenplan bzw. im neu geschaffenen Stellenpool der Verwaltung zur Verfügung zu stellen, die haushaltsplanmäßige Ordnung ist 2021 herzustellen.
Stelle 1 für die
- Beratung und Mitwirkung bei der „Auswirkungen auf den Klimaschutz“ in Beschlussvorlagen
- Erstellung von regelmäßigen Berichten für die politischen Gremien, u.a. eines Jahresberichtes zur Lübecker Energie- und Klimaschutzbilanz
- Fachliche Expertise und Zuarbeit für andere Bereiche und Beteiligungen
- Erstellung eines fachbereichsübergreifenden Masterplans „Klimaschutz“ und weiterer Konzeptbausteine
-
Stelle 2 für die
- Einrichtung und Betreuung des Klimaforums
- Externe Kommunikation und Kooperation mit der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Politik, Verbänden
- Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und der Kommunikation mit den lokalen Institutionen, Vereinen, Verbänden und der Bürgergesellschaft
- Geschäftsstelle Klimaforum
- Managementtool zum Klimaschutz
Der „European Energy Award“ ist ein Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren mit dem die Energie- und Klimaschutzaktivitäten der Kommune erfasst, bewertet, geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft werden. Der eea-Prozess lässt sich grob in 3 Arbeitsschritte untergliedern:
- Schritt 1: Ist-Analyse inkl. Erstbewertung
- Schritt 2: Aufstellung eines mehrjährigen Arbeitsprogramms (Maßnahmenplan)
- Schritt 3: Verstetigung des Prozesses mit regelmäßiger Erfolgskontrolle und Fortschreibung des Arbeitsprogramms.
Ein über die Steuerungsgruppe einzurichtendes stadtinternes Energieteam führt unter Beteiligung eines externen Beraters den eea-Prozess für folgende sechs Handlungsfelder durch:
- Entwicklungsplanung und Raumordnung
- Kommunale Gebäude und Anlagen
- Versorgung und Entsorgung
- Mobilität
- Interne Organisation sowie
- Kommunikation und Kooperation.
Sobald die Zielerreichung über 50% liegt, kann eine externe Auditierung beantragt werden. Bei erfolgreicher Durchführung darf sich die Kommune „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ für die Dauer von 4 Jahren nennen. Die Projektkosten belaufen sich im Verlauf von 4 Jahren auf insgesamt ca. 50.000 EUR. Diese Investition wird nach Aussage von anderen teilnehmenden Kommunen durch Einsparungen von Energiekosten der Kommunen um ein Vielfaches amortisiert.