Um qualitativ und quantitativ eine bedarfsgerechte Schulkinderbetreuung in Lübeck sicherstellen zu können, ist es wichtig, sich die Situation an den einzelnen Grundschulstandorten genauer anzusehen, um davon ausgehend den Handlungsbedarf identifizieren zu können. Die Situation in Lübeck – siehe nachfolgende Punkte – macht diese „Realitätsüberprüfung“ unseres Erachtens notwendig:
1. Die Antwort auf die Anfrage der Freien Wähler&GAL VO/2018/06447 "Kapazität der Grundschulkinderbetreuung an den Lübecker Grundschulstandorten" wurde nicht abschließend beantwortet. Es fehlten die Antworten darauf:
- wie viele Kinder in absoluten Zahlen maximal pro Schulstandort betreut werden können
- die Angaben von "Raumsachverständigen" (Freie Träger der Schulkindbetreuung, Schulelternvertreter*innen, Elternvertreter*innen der Schulkindbetreuung sowie Direktor*innen der betreffenden Grundschulen, Brandschutzsachverständigen u. a. notwendiger Weise zu befragenden Fachleute /- instanzen), wie viele Kinder an jedem einzelnen Grundschulstandort maximal bei den derzeitigen Raumbedingungen im Ganztag an Schule betreut werden können
2. Die pädagogisch notwendige Qualität kann heute und in den kommenden Jahren in „Ganztag an Schule“ nicht an allen Grundschulstandorten im notwendigen Maße sichergestellt werden. Dies aufgrund der
- unzureichenden Raumkapazitäten an mehreren Grundschulstandorten (mindestens Grundschule am Koggenweg, Kaland-Schule, Marien-Schule, Gotthard-Kühl-Schule, Paul-Gerhardt-Schule, Schule am Stadtpark, Schule Utkiek und Schule Tremser Teich, vgl. Antwort zu VO/2018/06447)
- bei gleichzeitig deutlich steigender Zahl von zu betreuenden Kindern[1] sowie
- dem anstehenden Rechtsanspruch auf Schulkinderbetreuung ab 2025.
Die pädagogisch notwendige Qualität kann nach derzeitigem Stand auch nicht über das Konzept „Ganztag an Schule“ und/oder die Ausstattung mit einer "Doppelmöblierung"/Doppelnutzung von Klassenräumen am Vor- und Nachmittag erreicht werden. Dies ist belegt durch die Antwort der Verwaltung auf die Anfrage der FDP VO/2018/06226 "Umsetzung der Ganztagsbetreuung". Hier wird von der Verwaltung bestätigt, dass die Raumkapazitäten am “Ganztag an Schule” unzureichend sind und auch in absehbarere Zeit nicht ausreichend verbessert werden können.
Dies sei nach Aussage der Verwaltung in der gleichen Antwort zur Anfrage der FDP VO/2018/06226 entwicklungspsychologisch höchst problematisch:
"Entwicklungspsychologisch bedingt benötigen Kinder kindgerechte Räume, die neben Rückzugsorten auch das informelle und nonformale Lernen in Form von freien Spielmöglichkeiten ohne festes Schulmobiliar ermöglichen. Gerade bei einer ganztägigen Aufenthaltsdauer von zum Teil 8 Stunden oder mehr ist es wichtig, dass die Räume sich an den Bedürfnissen der Kinder orientieren. (...) Inhaltlich kann das Konzept „Ganztag an Schule“ an allen Schulstandorten umgesetzt werden – die Qualität ist jedoch auch abhängig von den Räumlichkeiten".
3. In der Antwort zu VO/2018/06447 auf die Anfrage der Fraktion Freie Wähler & GAL heißt es zudem:
„Für den besonderen Raumbedarf im Rahmen der Ganztagsbetreuung sieht auf Vorschlag des Gutachtens zur Schulentwicklungsplanung die Hansestadt Lübeck pro Zug 1 Raum vor.“
Ein Zug besteht aus 4x20/22 Kindern (1-4 Klasse mit je 20/22 Kindern). Diese 80/88 Kinder erhalten demnach für den besonderen Raumbedarf im Ganztag an Schule einen Raum von im Idealfall 65 Quadratmetern[2] Dies bedeutet pro Kind eine garantierte Fläche von ca. 0,8/0,7 Quadratmetern. (Anzumerken gilt, dass es oft weit mehr als 22 Kinder pro Klasse sind, z.B. derzeit an der Kalandschule bis zu 28 Kinder pro Klasse).
Kritik an dieser geringen Fläche pro Kind übten auch schon Freie Träger betreuter Grundschulen Lübecks, vgl. http://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Zu-eng-zu-laut-zu-wenig-Personal
4. Es ist in Lübeck in der Verwaltung und Politik mehrheitlicher Fachkonsens, dass für Schulkinder eine Nachmittagsbetreuung und nicht nur "Aufbewahrung" und "Aufsicht" notwendig ist.
[1] Die Grundschulkinderbetreuung in Lübeck soll zukünftig komplett an die Grundschulstandorte verlagert und die Horte, die nach dem KiTaG arbeiten, vollständig abgebaut werden, vgl. Jugendhilfeplanung - Kindertagesbetreuung (Bedarfsplan i. S. v. § 7 KiTaG) Teil II - Bericht zum Kitajahr 2017/18.
Gleichzeitig wurde in der Jugendhilfeplanung festgehalten, dass die Kinderbetreuung für die Elementarkinder bis zum Schuleintritt auf eine Versorgungsquote von 90% ausgeweitet werden soll, die Versorgungsquote der Schulkinderbetreuung liegt derzeit aber bei nur 57%. Es ist daher von zunehmendem Betreuungsbedarf von Schulkindern auszugehen, da alle Kindergartenkinder in absehbarer Zeit Schulkinder werden und eine Reduzierung der Kinderbetreuung mit Schuleintritt der Kindergartenkinder steht der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegen.