Vorlage - VO/2018/05785  

Betreff: Straßenausbaubeiträge
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Bernd Saxe
Federführend:1.201 - Haushalt und Steuerung Bearbeiter/-in: Uhlig, Manfred
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
19.02.2018 
Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
05.03.2018 
Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
20.02.2018 
72. Sitzung des Hauptausschusses zurückgestellt   
06.03.2018 
73. Sitzung des Hauptausschusses unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Beschluss der Bürgerschaft vom 30.11.2017 zu Punkt 5.7.1 VO Nr. 5347

 

 


Begründung

Die Bürgerschaft hat mit obigem Beschluss den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Freistellung der Kommunen von der Beitragserhebungspflicht begrüßt und den Bürgermeister gebeten, dem Bau- und dem Hauptausschuss so bald wie möglich zu berichten,

 

  1. wann und wie die Landesregierung die im Koalitionsvertrag bekundete Absicht umsetzen wird,
  2.     welche Auswirkungen sich für den Fall eines Verzichts auf Ausbaubeiträge für den städtischen
        Haushalt insgesamt ergeben,
  3.     ob und wenn ja, welche Alternativen zur Erhebung von Ausbaubeiträgen bestehen, so dass für
        den Fall des Verzichts Mehrbelastungen für den städtischen Haushalt vermieden werden und
  4.     ob, ab welchem Zeitpunkt und für welchen Personenkreis ein Verzicht auf die Erhebung von
        Ausbaubeiträgen Auswirkungen hat.

 

  1. Die Landesregierung hat mit der Landtagsdrucksache 19/150 einen Gesetzentwurf in  den Landtag eingebracht, nach dem es dem Kommunen freisteht, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags ist mit Landtagsdrucksache 19/377 dem Gesetzentwurf der Landesregierung gefolgt. Der Ausschuss hat damit dem Landtag empfohlen, den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zur Aufhebung der Erhebungspflicht für Straßenausbaubeiträge, Drucksache 19/150, unverändert anzunehmen. Der Landtag hat das Gesetz dann in zweiter Lesung am 14.12.2017 beschlossen. Die Gesetzesänderung trat am 26.1.2018 in Kraft (GVOBl 2018, S.6).
     
  2. Bei einem Verzicht auf die künftige Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist für die kommenden drei Jahre (bis zu einer eventuellen Änderung des Finanzausgleichsgesetzes siehe c.)  für die Hansestadt Lübeck mit Einnahmeverlusten von rd. 5 Mio. EUR zu rechnen. Die möglicherweise einzusparenden Personalkosten belaufen sich auf 0,3 Mio. EUR p.a.
     
  3. 1) Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde über eine landesseitige Kompensation des kommunalen Einnahmeausfalls diskutiert mit dem Hinweis, dieses bei einer geplanten Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs mit berücksichtigen zu können. Diese kommt aber nicht vor dem Jahr 2021 in Betracht mit der Folge eines mindestens dreijährigen Finanzierungsdefizits für die kommunale Infrastruktur.
    Als ein Ergebnis der Verhandlungen der Kommunalen Landesverbände mit der Landes-
    regierung über finanzielle Entlastungsmaßnahmen vom 11.1.2018 wurde auch ein Infrastrukturprogramm von insgesamt 34 Mio. EUR ausgestaltet und um weitere 15 Mio. EUR für die Jahre 2018 bis 2020 ergänzt. Daraus entfallen auf die kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein 14,175 Mio. EUR als pauschale Zuweisung ohne Antragsverfahren und Verwendungsnachweispflicht, für die Hansestadt Lübeck werden 4,87 Mio. EUR  in den Jahren 2018 bis 2020 erwartet. Der Erhöhungsbetrag von 15 Mio. EUR ist auch in Zusammenhang mit der Kompensationsleistung des Landes für die nunmehr bestehende Freiwilligkeit bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu sehen, wird aber nicht ausreichen, um die generelle Finanzierungslücke der Hansestadt Lübeck zu schließen. 

    2) Als alternative Einnahme wurde auch im Gesetzgebungsverfahren häufig auf eine Erhöhung der Grundsteuer verwiesen mit der Begründung, diese Finanzierung durch alle Grundstückseigentümer sei ein „gerechterer“ Verteilungsmaßstab. Dazu muss zunächst ausgeführt werden, dass Vermieter diese Abgabe generell auf die Mieten umlegen und damit bei vermieteten Objekten diese Abgabe dann von den Mietern getragen wird.
    Weiterhin zahlen damit Grundsteuerpflichtige auch für die Vorteile in anderen als der eigenen Straße und werden eine solche Erhöhung als „ungerecht“ empfinden. Die Grundsteuer ist keine Abgabe, die auf den aus den Nutzungsmöglichkeiten abgeleiteten Ziel- und Quellverkehr von und zum jeweiligen Grundstück abstellt, sondern eine ertragsbezogene Steuer, die nur für die Grundstücke gezahlt werden muss, für die es einen Ertragswert gibt (Steenbock in Die Gemeinde SH 10/2017). Die Grundstückseigentümer mit der Grundsteuer als allgemeine
    Finanzierung jedweder Infrastrukturmaßnahmen heranzuziehen ist wegen der Verschiedenartigkeit zu der bisherigen konkreten Beitragsfinanzierung schwer zu vermitteln. Hinzu kommt, dass die Grundstücksanlieger in mehrere Lager gespalten werden: Die einen werden begünstigt, weil sie nicht mehr zahlen müssen. Andere haben aber schon gezahlt, und eine weitere Gruppe muss noch zahlen, weil die Beitragspflicht nach der noch bestehenden Satzung entstanden ist.
    Letztlich ist auf verfassungsrechtliche Bedenken hinzuweisen, die u.a. von Sachverständigen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens deutlich gemacht worden sind. Die verfassungsrechtlichen Bedenken bei Zweckbindung einer Erhöhung der Grundsteuer als Ersatz für
    fehlende Ausbaubeiträge werden vom Städteverband SH geteilt. Auch das Ministerium für
    Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein weist in seinen Hinweisen zu dieser Thematik auf die Gesamtdeckungsfunktion von Steuern hin. Eine Anhebung von Steuern sei insofern nicht einer konkreten Einzelmaßnahme zuzurechnen, auch wenn im Rahmen einer möglichen Anpassung ein politischer Zusammenhang zur Begründung hergestellt worden sein sollte.

    3) Eine alternative Finanzierung könnten wiederkehrende Beiträge sein. Das bedeutet einen Umstieg auf ein neues Erhebungssystem. Gemäß § 8 a des Kommunalabgabengesetzes können für mehrere in einem räumlich funktionalen Zusammenhang stehende Straßen wiederkehrende jährliche Beiträge erhoben werden. Der Beitragssatz für alle in diesem Gebiet liegenden Grundstücke wird nach den jährlichen Investitionsaufwendungen nach Abzug des Gemeindeanteils (nicht weniger als 15 %) ermittelt. Über- bzw. Unterdeckungen sind im Folgejahr auszugleichen. Die Bewertungen der Grundstücke entsprechen der bisherigen
    Vorgehensweise – nur dass es sich dann um alle (ca.60.000) Grundstücke der Hansestadt Lübeck handelt.

Vorteil für die Grundstückseigentümer: Ein niedriger Beitragssatz, da die entstandenen
Aufwendungen auf einen größeren Kreis beteiligter Grundstücke verteilt werden.

Nachteil für die Grundstückseigentümer: Auch nach einer jahrzehntelangen Zahlung ist nicht sicher zu sagen, dass die vor dem Grundstück liegende Straße erneuert worden ist oder
werden wird.

Vorteil für die Hansestadt Lübeck: Die Refinanzierungsquote könnte steigen, weil alle jährlichen Investitionen in die Berechnung einfließen könnten.

Nachteil für die Hansestadt Lübeck: Der einmalige Umstellungsaufwand und der deutlich höhere Aufwand für alle 60.000 Grundstücke die beitragsrelevanten Daten ständig auf dem aktuellen Stand zu halten, erfordert deutlich mehr Personal. Bei derzeit ca. 2000 benannten Verkehrsflächen (Straßen, Wegen und Plätzen) und angenommenen durchschnittlich 30 Straßen in einem Gebiet wären 60 Abrechnungsgebiete wegen des räumlich funktionalen Zusammenhanges zu bilden. Demgegenüber veranlagt das Team Beiträge im Bereich Stadtgrün und Verkehr heute durchschnittlich jährlich 14 Straßen mit 6 Mitarbeitern. Die höhere Refinanzierungsquote wird die entstehenden Personalkosten nicht aufwiegen können. Deshalb ist dieses neue Verfahren keine Alternative zur Entlastung der städtischen Finanzen.
In Schleswig-Holstein ist die wiederkehrende Beitragserhebung umstritten und von einer Stadt dieser Größenordnung auch noch nicht umgesetzt worden. Es gibt keine Erfahrungswerte. Für die erstmalige und fortwährende Erhebung bedarf es umfangreicher zeitgleicher Ermittlungen und Bewertungen für ca. 60000 Grundstücke. Es gilt Rahmenbedingungen einzuhalten, die in Lübeck nicht zu erkennen sind, wie z.B. eine kontinuierliche Planung und strikte Durchführung von geplanten Straßenbaumaßnahmen. Darüber hinaus gibt es keine gerichtlichen Entscheidungen bei den wenigen im Verhältnis zu Lübeck sehr kleinen Kommunen, die sich für eine wiederkehrende Beitragserhebung entschieden haben, wie der notwendige räumlich funktionale Zusammenhang der vielen Abrechnungsgebiete zu sehen sein wird. Für den ländlichen Raum im Süden wird es in den einzelnen Ortschaften trotzdem die Beitragserhebung für die einzelne Straßenbaumaßnahme geben müssen, weil hier die geforderten Zusammenhänge schlichtweg nicht vorliegen und es nicht wirtschaftlich ist, kleinteilige Abrechnungseinheiten zu bilden. Die Hansestadt Lübeck hat in den letzten Jahren durchschnittlich ca. 14 Veranlagungen p.a. durchgeführt. Es ist aber abzusehen, dass es bei wiederkehrenden Beiträgen ein
Zigfaches an Abrechnungseinheiten geben wird. Das allein lässt den immensen Aufwand für die Verwaltung erkennen. Und dennoch werden die Anlieger nicht zufrieden sein, wenn sie 20 Jahre gezahlt haben, aber ihre Straße möglicherweise immer noch nicht erneuert worden ist.
 

  1. Die Auswirkungen auf einzelne Personenkreise lassen sich nicht konkret darstellen. Die sachliche Beitragspflicht entsteht mit der Abnahme der beitragspflichtigen Baumaßnahme. Im Gesetz fehlt für den Fall eines Verzichts auf Straßenausbaubeiträge eine Übergangsregelung. Auch hat der Gesetzgeber keine Rückwirkung des Gesetzes auf einen Zeitraum vor dessen Inkrafttreten (26.01.2018) vorgesehen. Eine Satzung zur Aufhebung der geltenden Straßenausbaubeitragssatzung könnte deshalb eine rückwirkende Aufhebung auch nur längsten bis zum 26.01.2018 vorsehen. Mangels weiterreichender Rückwirkung hätten diejenigen Grundstückseigentümer Beiträge für Maßnahmen zu zahlen, die noch im Gültigkeitszeitraum der bestehenden Satzung durchgeführt und schlussabgenommen worden sind. Wird die Satzung mit Wirkung zum Zeitpunkt X aufgehoben, entsteht ab diesem Tag keine Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages, wenn die Baumaßnahme noch nicht abgenommen wurde. Es kommt also auf die jeweiligen tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Aufhebung der Satzung an, d.h. ob bis dahin eine Beitragspflicht dem Grunde nach entstanden ist.
    Positiv betroffen von einer Aufhebung der Beitragserhebung wären zahlreiche Grundstückseigentümer, negativ betroffen dagegen alle Lübecker Bürger, weil die Finanzierung von Straßenbaumaßnahmen dann zu 100 % aus dem städtischen Haushalt zu tragen ist.
     


 

Generell ist noch anzumerken, dass die derzeitigen Billigkeitsregelungen mit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 10.4.2017 verändert werden könnten. Danach ist es möglich, auf Antrag innerhalb einer Monatsfrist die Beitragsschuld auf 20 Jahre zu verteilen. Diese Zahlungserleichterung ist nur an den Antrag gebunden und zielt nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Als Alternative für die gänzliche Aufgabe der Straßenausbaubeiträge könnte so verfahren werden, ohne städtische Einnahmen zu verlieren.

 


Anlagen

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