Vorlage - VO/2016/04050  

Betreff: WLAN-Zugang in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge
(VO/2016/03325, Interfraktioneller Antrag)

Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven SchindlerBezüglich:
VO/2016/03368
Federführend:2.500 - Soziale Sicherung Bearbeiter/-in: Timmermann, Gitte
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Soziales zur Kenntnisnahme
07.02.2017    SITZUNG FÄLLT AUS !!!29. Sitzung des Ausschusses für Soziales in der Wahlperiode 2013/2018      
07.03.2017 
29. Sitzung des Ausschusses für Soziales in der Wahlperiode 2013/2018 zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
28.03.2017 
60. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
30.03.2017 
Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Die Fraktion „ Bündnis 90/Die Grünen“, BM Bruno Böhm, Die Linke, PARTEI-PIRATEN und SPD haben folgenden Antrag gestellt:

 

Der Bürgermeister möge der Bürgerschaft berichten, wie kostenloser WLAN-Zugang für alle Flüchtlingsgemeinschaftsunterkünfte realisiert werden kann und was es ggf. kostet.

Die Gemeinde-Diakonie, die Stadtwerke Lübeck GmbH und das Projekt Freifunk sollen hierbei einbezogen werden.

https://luebeck.freifunk.net/2015/09/12/fluechtlinge-willkommen-heissen.html

Der Zugang soll zeit- und volumenunbegrenzt sein.

 


Begründung

 

Um sich der Fragestellung der Realisierung von freiem WLAN-Zugang in allen Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende und einer damit verbundenen Kostenschätzung zu nähern, wurde mit den Initiatoren „Freifunk“ ein Abstimmungsgespräch vereinbart. In dieser Gesprächsrunde wurde das System der Freifunker dargestellt. Beim „Freifunk“ handelt es sich um eine nicht kommerzielle Initiative, welches sich mit dem Aufbau eines freien Funknetzes (WLAN) beschäftigt. „Freifunk“ teilte mit, dass für die Herstellung von freiem WLAN, die Bereitstellung von Datenvolumen über einen festen Internetanschluss von mind. 18.000 Bit und die Installation von entsprechender Hardware in Form eines Routers mit einer von „Freifunk“ entwickelten Firmware notwendig ist.

 

 

In dem Abstimmungsgespräch wurde vereinbart, dass „Freifunk“ jede Gemeinschaftsunterkunft in Zusammenarbeit mit der Gemeindediakonie einzeln begeht, um vor Ort die genauen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Bedarfe zu prüfen und eine Kostenaufstellung zu erstellen. Eine Einbindung der Stadtwerke GmbH Lübeck erfolgte bei der Vorprüfung zu den Kosten und der Umsetzbarkeit zunächst noch nicht, würde aber bei der Beschlussfassung zur Einrichtung des freien WLANs in Gemeinschaftsunterkünften  nachgeholt.

Vom „Freifunk“ wurden 38 Standorte aufgesucht. Einige der Unterkünfte wurden bereits geschlossen und weitere wurden neu eingerichtet, so dass es hier um keine abschließende Darstellung gehen kann.

Bei der Überprüfung des Bedarfs in den aufgesuchten Unterkünften wurde festgestellt, dass in jeder Einrichtung mind. ein Router anzuschaffen und aufzustellen ist, welcher mit der in Lübeck entwickelten „Freifunk- Firmware“ zu bespielen ist. Zudem wird entsprechende Hardware wie Unifi, Nanostation, Bullet, Switch, Kabel etc. benötigt, um das WLAN in einen funktionsfähigen Zustand zu bringen.

 

Der geforderte zeit- und volumenbegrenzte Zugang wird durch den „Freifunk“ erfüllt.

 

Finanzierung:

 

Es wurden für 38 Standorte die einmaligen Einrichtungskosten sowie die laufenden Kosten als Momentaufnahme ermittelt.

 

Einmalige Kosten/Anschaffungskosten

 

Die zu kalkulierenden Gesamtkosten für die Einrichtung der 38 untersuchten Gemeinschaftsunterkünfte mit WLAN betragen laut Berechnung der Freifunker ca. 27.000 €. Insgesamt entfallen rund zwei Drittel der Installationskosten auf die eigentlichen Geräte (insbesondere Router, Unifi,  Nanostation, Bullet, TP Link, 8er POE, 8er Switch und Gateways etc.), der Rest ist für eine professionelle Installation durch Handwerker vorgesehen.

Die durchschnittlichen einmaligen Einrichtungskosten pro Unterkunft betragen somit

700,00 € - 750,00 €.

 

Aktuell sind ca. 50 Gemeinschaftsunterkünfte tatsächlich in der Belegung (ohne gewerbliche Einrichtungen und Notunterkünfte), sodass sich Anschaffungskosten von rund 37.500 € ergeben.


Laufende Kosten:

 

Gem. Berechnung vom „Freifunk“ fallen je Unterkunft laufende Kosten in Höhe von 50,00 € / Monat für den Internetanschluss an. Auf die aktuell genutzten rund 50 Einrichtungen ergeben sich somit jährliche Kosten von ca. 30.000 €.

 

Zusammenfassend ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich hier um keine abschließende Kostenschätzung handelt, da zum einen nicht alle Unterkünfte durch „Freifunk“ mit einbezogen wurden, zum anderen Unterkünfte wegfallen sowie neue Unterkünfte im Bau sind. Es können somit noch weitere Anschaffungskosten sowie laufende Kosten hinzukommen.

 

Die Einrichtung kostenloser WLAN-Zugänge in den Flüchtlingsgemeinschaftsunterkünften würde eine zusätzliche freie Leistung der HL darstellen und wäre daher lt. den Anforderungen an das Konsolidierungskonzept von der HL zu kompensieren.  Der vorliegende Bericht zeigt bisher nicht das Kompensationserfordernis auf noch liefert er einen entsprechenden Kompensationsvorschlag.  Dieser wäre dann bei entsprechender Entscheidung zu fertigen. 

 

Rechtliche Betrachtung

 

Neben der Kostenermittlung ist zudem auch die sog. Störerhaftung im WLAN zu betrachten. Störerhaftung bedeutet, dass der Anschlussinhaber für illegale Tätigkeiten der User, wie zum Beispiel illegale Downloads, verantwortlich ist, die über diesen Anschluss laufen.

 

Der europäische Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 15.09.2016 mit dem Haftungsrisiko eines nicht kommerziellen Anbieters eines öffentlichen freien WLAN-Zugangs auseinander gesetzt. Problematisch wird der kostenlose öffentlich zugängliche WLAN-Zugang dann, wenn ein Internetnutzer Rechtsgutsverletzungen    ( z.B. Urheberrechtsverletzungen) begeht. Kommt es zu einer Rechtsverletzung, kann der Verletzte gegen den Zugangsvermittler (Anbieter) den Erlass einer gerichtlichen Anordnung beantragen, wonach dieser Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen hat, um weiteren Rechtsverletzungen entgegen zu wirken. Soweit es also z.B. zu Urheberrechtsverletzungen kommen sollte, läuft der Anbieter Gefahr, die Prozesskosten und die vorgerichtlichen Abmahnkosten tragen zu müssen. Insoweit besteht auch ohne Störerhaftung immer noch das Risiko für den Zugangsvermittler wegen rechtswidriger Handlungen Dritter herangezogen zu werden.

 

Nach Darlegung des EUGH kann der Zugangsvermittler, über dessen freien WLAN-Zugang rechtswidrige Handlungen begangen werden, verpflichtet werden, bestimmte Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen, um künftige Rechtsverstöße zu verhindern. Bei wiederholten Rechtsverstößen unterliegt der Anbieter auch einer Schadensersatzpflicht. Es muss sich um Sicherungsmaßnahmen handeln, die einen hinreichend wirksamen Schutz gegen die Verletzung von Rechtsgütern bieten. Durch sie müssen unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und die Nutzer des freien WLANS zuverlässig davon abhalten werden, Rechtsverletzungen zu begehen (so ausdrücklich der EuGH in seinem Urteil vom 15.09.2016, Rn. 95).

 

Es ist zweifelhaft, ob es der Stadt gelingen könnte, geeignete Schutzmaßnahmen in Asylbewerberunterkünften gegen den Missbrauch des Internets/Verletzung von Rechtsgütern ergreifen zu können. Weder die persönliche Identifizierung der für die Internetnutzung zugelassenen Personen noch die Zugangssicherung mit einem Passwort können wirkungsvoll einen Missbrauch verhindern, denn es kann damit weder festgestellt werden, welche Person zu welcher Zeit welche Daten im Internet abgerufen hat, noch kann die Weitergabe des Passwortes und damit die Nutzung des Internets durch nicht namentlich registrierte Personen unterbunden werden.


 

Fazit der rechtlichen Bewertung ist, dass Rechtsverletzungen durch Nutzer des freien WLANS in den Unterkünften nicht ausgeschlossen sind. Diese können nicht durch denkbare Sicherheitsmaßnahmen wie Passwort oder persönliche Registrierung wirkungsvoll verhindert werden, so dass die Hansestadt Lübeck als diejenige, die den Zugang zum öffentlichen WLAN vermittelt, Gefahr läuft, mit gerichtlichen Anordnungen konfrontiert zu werden.

 

 

Fachliche Bewertung

 

Weitergehend ist bei der Umsetzung eines kostenlosen WLAN-Zugangs in Flüchtlingsunterbringungen darauf zu achten, dass HilfeempfängerInnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz  entsprechend der rechtlichen Vorschriften, u.a. Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums erhalten. Dieses garantiert über das physische Existenzminimum hinaus ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen (sozialen), kulturellen und politischen Leben.

Alleinstehenden Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz steht z.B. ein Betrag in Höhe von 143,- €/Monat zu. In diesem Betrag sind nachfolgende Bedarfe berücksichtigt:

Verkehr (ca. 18,9 %)

Nachrichtenübermittlung (ca. 26,5 %)

Freizeit/Unterhaltung/Kultur (ca. 26,9 %)

Gaststättendienstleistung (ca. 5,9 %)

Andere Waren/Dienstleistungen (ca. 21,8%)

Sofern also der Betrag für die persönlichen Bedürfnisse als Geldleistung ausgezahlt wird, so ist auch ein prozentualer Anteil für die Nutzung von Internet enthalten. Sollte nun eine kostenfreie WLAN-Nutzung in Gemeinschaftsunterkünften möglich sein, so ist hier die Besserstellung von Flüchtlingen gegenüber anderen LeistungsbezieherInnen nach den Sozialgesetzbüchern zu bedenken.

Grundsätzlich ist die Forderung nachvollziehbar, dass Flüchtlinge insbesondere über Internet Kontakt zu Verwandten und Freunden -verteilt auf der ganzen Welt- halten können und wollen.

Das Internet kann für Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund ein Instrument darstellen, selbstbestimmte Entscheidungen auf Basis eigener Recherchen zu treffen. Diese Unterstützung zur Selbsthilfe stärkt auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Mitglied der Gesellschaft und führt dabei gleichzeitig zu einer Entlastung staatlicher und sozialer Beratungsstellen.

 

Insgesamt erweitert und verändert das Internet das reale Lebensumfeld von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund. Im Internet gesammelte Erfahrungen, gefundene Informationen, erworbene Sprachkenntnisse oder geknüpfte soziale Kontakte beeinflussen das Leben der Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund auch außerhalb dieser virtuellen Welt, da Online- und Offline-Welten miteinander verbunden sind. Die Internetnutzung kann zu einer Stärkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beitragen.


 

 

Dieses lässt sich auf alle LeistungsbezieherInnen nach den Sozialgesetzbüchern übertragen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die heutigen Mobilfunkverträge  zumeist auch mit ausreichend Volumen ausgestattet sind, sodass jeder Flüchtling entsprechend des persönlichen Bedarfes einen solchen Vertrag abschließen kann und den Betrag aus dem zuerkannten soziokulturellen Betrag zahlen kann.  WLAN an sich wäre an dieser Stelle dann schon hinfällig und kostenloses WLAN in den Gemeinschaftsunterkünften wäre somit dann auch entbehrlich.

Das Erfordernis der Internetnutzung wird gesehen und geteilt, jedoch sollte es gerade das Bestreben sein, dass die NeubürgerInnen aus den Gemeinschaftsunterkünften herauskommen und Kontakt zu Einheimischen knüpfen und aufbauen. Sie sollen die hiesige Kultur, Lebensweisen, Menschen und das Land kennenlernen, um hier Fuß fassen zu können. 

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Anlagen

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Stammbaum:
VO/2016/03368   AT zu ► Nr. VO/2016/03325, Interfraktioneller Antrag WLAN-Zugang in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   interfraktioneller Antrag
VO/2016/04050   WLAN-Zugang in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge (VO/2016/03325, Interfraktioneller Antrag)   2.500 - Soziale Sicherung   Bericht öffentlich