Vorlage - VO/2016/03408  

Betreff: Antwort auf die Anfrage von BüM Zander im Hauptausschuss am 09.02.2016 - TOP 3.4 - betr. Abschiebeplan des Bürgermeisters
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Bernd Saxe
Federführend:1.101 - Bürgermeisterkanzlei Bearbeiter/-in: Groth, Oliver
Beratungsfolge:
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
09.02.2016 
41. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Anfrage im Hauptausschuss am 09

Beschlussvorschlag

Anfrage im Hauptausschuss am 09.02.2016 – TOP 3.4

 

 

In den Lübecker Nachrichten vom 01

Begründung

 

In den Lübecker Nachrichten vom 01.01.2016 hat Bürgermeister Bernd Saxe angekündigt, einen Abschiebeplan für die 1.000 abschiebefähigen Flüchtlinge, die in Lübeck leben, aufzustellen.

 

 

 

  1. Welche Maßnahmen wurden bereits für die Aufstellung eines solchen Plans getroffen?

Der Personenkreis und die Größenordnung konnte bislang identifiziert werden.

In Lübeck leben derzeit 72 vollziehbar ausreisepflichtige Personen unterschiedlicher Nationalität, die im Begriff sind, das Bundesgebiet zu verlassen. Sie besitzen derzeit eine Grenzübertrittsbescheinigung zur freiwilligen Ausreise.

Weitere 528 Personen sind Inhaber einer Duldung. Auch sie sind vollziehbar ausreisepflichtig. Aufgrund von einzelfallbestimmten Umständen (z.B. Schwangerschaft, Selbstmordgefährdung, fehlende Identitätspapiere, schwere Krankheiten) verlässt dieser Personenkreis derzeit nicht das Bundesgebiet. Da sich die Gesetzeslage seit dem 01.11.2015 geändert hat und die Möglichkeit der Abschiebung ohne Nationalpässe für Personen aus den sogenannten Westbalkanstaaten besteht, werden nunmehr alle 528 Personen überprüft. Vorbehaltlich der einzelfallbezogenen Prüfung wird von einer signifikanten Wahrscheinlichkeit der Aufenthaltsbeendigung ausgegangen. Einzelfallbezogen ist deshalb zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen (z.B. ärztliche Begleitung) eine Aufenthaltsbeendigung möglich ist.

Weitere 1185 Personen sind derzeit im laufenden Asylverfahren und Inhaber einer Aufenthaltsgestattung. Bei ihnen entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet bzw. bei Klageerhebung das Verwaltungsgericht in Schleswig. Dieser Personenkreis unterteilt sich in verschiedene Gruppen mit unterschiedlicher Bleibeperspektive aufgrund von bisherigen Erfahrungswerten:

-          Positive Bleibeperspektive für 594 Personen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea und Somalia

-          Geringe Chancen auf Anerkennung des Asylbegehrens bei 224 Personen aus dem Iran, Jemen, Russische Föderation, Pakistan und Aserbeidschan

-          Negative Bleibeperspektive für 367 Personen aus Albanien, Armenien, Kosovo, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien (sogenannte Westbalkanstaaten).

Zusammengefasst ist bei cirka 1.000 Personen davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsbeendigung nicht ausgeschlossen erscheint.

Zusätzlich gibt es derzeit cirka 500 - 1000 Personen, die lediglich im Besitz einer sogenannten BüMa (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) sind. Dieser Personenkreis wurde der Hansestadt Lübeck zwar schon zugewiesen, befindet sich aber noch nicht im Asylverfahren. Zu welchem Zeitpunkt eine Anhörung zum Asylbegehren stattfindet, eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt wird und wann das Asylverfahren abgeschlossen sein wird, ist derzeit nicht abschätzbar.


  1. Welche Eckpunkte soll der Abschiebeplan nach der Vorstellung des Bürgermeisters enthalten?

-          Ziel: Aufenthaltsbeendigung von allen vollziehbar ausreisepflichtigen Personen nach sorgfältiger Einzelfallprüfung. Vorrangig ist das Hinwirken auf eine freiwillige Ausreise.

Da die Aufenthaltsgenehmigung das Zusammenwirken verschiedener Institutionen auf kommunaler und Landesebene einschließlich ggf. Gerichtsverfahren erfordert, ist eine quantitative Vorgabe bezogen auf einen Zeitraum schwer möglich. Eine zügige Abarbeitung steht immer auch unter dem Vorbehalt der vorhandenen Personalressourcen, die derzeit auf allen Ebenen bei der Bewältigung des Flüchtlingszuzugs und Abarbeitung der Fälle als angespannt zu bezeichnen sind.

-          Umsetzung

    • Erfassung der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen
    • Einzelfallbezogene Prüfung der Aufenthaltsbeendigung
    • Einladung zum Beratungsgespräch über eine freiwillige Rückkehr und ggf. Angebot von Rückkehrhilfen
    • Sollte eine freiwillige Ausreise nicht erfolgen, wird die zwangsweise Aufenthaltsbeendigung eingeleitet
    • Organisation der Aufenthaltsbeendigung in Zusammenarbeit mit der Polizei und des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten (bei bestimmter Fallkonstellation könnte die Ausländerbehörde auch alleine eine Aufenthaltsbeendigung durchführen)

Die Bundesregierung hat am 03.02.16 das sogenannte „Asylpaket II“ beschlossen, in dem u.a. die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbeendigung überarbeitet worden sind, die im Ergebnis zu einer Erleichterung von Abschiebungen führen dürften. Danach kann laut Mitteilung der Bundesregierung „eine Aufenthaltsbeendigung auch dann durchgeführt werden, wenn die medizinische Versorgung im Zielstaat nicht gleichwertig mit der Versorgung in Deutschland ist. Außerdem werden nur noch lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, berücksichtigt. Die Erkrankung muss künftig durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht werden.“

 

-          Personelle Ressourcen Sachgebiet Aufenthaltsbeendigung

Zur Umsetzung des Abschiebeplans sind die personellen Ressourcen der Ausländerbehörde aufzustocken. Das Sachgebiet „Aufenthaltsbeendigung“ war bislang mit einer Vollzeit- und zwei Teilzeitkräften besetzt. Im Januar wurde das Sachgebiet um 2 Vollzeitstellen ergänzt. Aufgrund eines kurzfristig aufgetretenen Engpasses durch die temporäre Abordnung eines Mitarbeiters an die deutsche Botschaft im Irak stehen derzeit nur 3 Vollzeit- und 1 Teilzeitkraft im Sachgebiet Aufenthaltsbeendigung zur Verfügung.

Mit zusätzlichen Personal könnte bei folgender Fallkonstellation die Abschiebung auch ohne die Einbindung des Landesamtes erfolgen: Die vollziehbar ausreisepflichtige Person ist kein Straftäter, nicht drogenabhängig, nicht schwanger oder muss in Begleitung eines Arztes abgeschoben werden, und ein gültiges Reisedokument des Herkunftlandes ist vorhanden.

Hier wäre dann zu prüfen, ob die Hansestadt Lübeck in Abstimmung mit der Landesregierung bei der Umsetzung im Wege der Amtshilfe auf die Polizei zurück greifen kann oder selbst eigene Vollzugskräfte gewinnen muss, um die Aufenthaltsbeendigung wie z.B. den Transport zu einem Flughafen durchzuführen.

 

  1. Welches sind nach Ansicht von Bürgermeister Saxe „geordnete und humane Abschiebeverfahren“?

Sofern das BAMF oder ein Gericht darüber entschieden hat, dass der Antrag eines Asylsuchenden unanfechtbar abgelehnt worden ist und dieser vollziehbar ausreisepflichtig ist, wird zunächst das Beratungsgespräch mit der betroffenen Personen gesucht, auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise und ggf. bei Vorliegen der Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen über die Internationale Organisation für Migration (IOM) aus dem REAG oder GARP-Programm hingewiesen. Hierbei handelt es sich u.a. um die Übernahme von Beförderungskosten (Flugzeug, Bahn, Bus) und Benzinkosten bis 250 €, Reisebeihilfen (bis zu 200 € pro Person) und Starthilfen je nach Herkunftsland bis zu 2.250 € pro Familie.

Im Dezember 2015 führte die Ausländerbehörde mit 33 Familien / Einzelpersonen (insgesamt 59 Personen) Gespräche zur freiwilligen Ausreisebereitschaft. Hierbei handelte es sich um Personen mit unterschiedlichen Status (u.a. Duldung, Gestattung, abgelehnter Asylantrag, illegal hier lebende Personen). Nach dem Gespräch gaben 53 Personen an, das Bundesgebiet freiwillig verlassen zu wollen. Davon sind bislang 5 Personen ausgereist. Bei weiteren 6 Personen konnte die tatsächliche Ausreise nicht nachgewiesen werden. Sie gelten als untergetaucht und wurden zur Fahndung ausgeschrieben.

Erst wenn in einem persönlichen Gespräch geklärt wurde, nicht freiwillig auszureisen, werden vollziehbar Ausreisepflichtige dem zuständigen Landesamt zur Abschiebung gemeldet und diese unter Beachtung der einzelbezogenen Prüfung anschließend umgesetzt.

Seit November 2015 konnten insgesamt 22 Personen abgeschoben werden, davon 12 Personen im Januar 2016.

 

  1. Wann wird der Abschiebeplan fertig sein?

Die Eckpunkte wurden unter Ziff. 2 beschrieben, die nur geltendes Recht wieder geben, dass von der Ausländerbehörde konsequent angewendet wird.

 

  1. Wann kann man mit dem Beginn der Umsetzung des Abschiebeplans rechnen?

Soweit es derzeit die personellen Ressourcen zulassen, wird der Abschiebeplan umgesetzt.

 

  1. Welche Gespräche mit der Landesregierung gab es bereits, nachdem Bürgermeister Bernd Saxe angekündigt hat, einen Abschiebeplan für die bis zu 1.000 abschiebefähigen Flüchtlinge in der Hansestadt Lübeck aufzustellen?

Im Rahmen eines Gesprächs mit dem Innenministerium am 04.02.16 wurde mitgeteilt, dass derzeit ein „Gesamtkonzept für ein integriertes Rückführungsmanagement“ erarbeitet wird, der umgangssprachlich auch als „Abschiebeplan“ bezeichnet werden kann. Da bei der Vorbereitung und Durchführung von Aufenthaltsbeendigungen eine – wie dargestellt – gemischte Zuständigkeit von Landes- und Kommunalbehörden besteht, drängt der Städteverband auf eine Einbeziehung in die inhaltliche Ausgestaltung eines solchen Gesamtkonzeptes des Landes.

 

  1. Auf welche Art und Weise unterstützt die Landesregierung die Aufstellung und die Umsetzung des Planes für die bis zu 1.000 abschiebefähigen Flüchtlingen?

Gemäß § 71 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sind für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen die Ausländerbehörden zuständig. Die Aufenthaltsbeendigung liegt demnach grundsätzlich bei der örtlichen Ausländerbehörde. Außer bei Aufenthaltsbeendigungen von Personen in Landesunterkünften liegt die Zuständigkeit beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten. Mitwirkende Akteure bei einer von der Ausländerbehörde betriebenen Aufenthaltsbeendigung sind:

-          das Landesamt für Ausländerangelegenheiten für die Flugbuchung, den Kontakt zu den jeweiligen Herkunftsländern so weit erforderlich, die Bereitstellung von Begleitpersonal z.B. bei Straftätern und Begleitärzten sowie ggf. die Beschaffung von Identitätsnachweisen und Reisedokumenten.

-          die Landespolizei für die tatsächliche Durchführung der Abschiebungen, u.a. Abholung in den Wohnungen, Transport zum Landesamt für Ausländerangelegenheiten und / oder zum Flughafen.

Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten ist derzeit aufgrund von Personalengpässen nicht in der Lage, die eingehenden Amtshilfeersuchen der Ausländerbehörde zeitnah abzuarbeiten.

 

 

 

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Anlagen

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