1. Einleitung
Die Nachfrage nach Ganztagsbetreuung an Schulen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Nach Jahren des intensiven Ausbaus wird nun mehr und mehr die Qualitätsfrage diskutiert. Dies ist auch Thema im aktuell vorgelegten nationalen Bericht „Bildung in Deutschland 2014“. In der Stellungnahme der Bundesregierung wird festgestellt: „Die steigende Bildungsbeteiligung, der Ausbau der Ganztagsschulen und verbesserte Förderangebote an den Schulen machen zusätzliches und gezielt qualifiziertes pädagogisches Personal erforderlich. Insbesondere bei den Ganztagsschulen muss es neben dem Ausbau des Angebots nun um mehr Qualität gehen.“
Auch der Lübecker Bildungsbericht befasst sich mit diesem Thema. Er kommt zu folgendem Urteil: „Der relativ rasante Umbau des Lübecker Schulsystems zu integrativen und zu Ganztagsschulen bedarf dringend einer pädagogischen Qualitätsentwicklung und -kontrolle. Inklusion und Ganztag können nur mit qualifiziertem pädagogischen Personal realisiert werden, um Kinder und Jugendliche professionell zu begleiten. Auf Grundlage der Erfahrungen des Ganztagsprojekts „Schule als Lebens- und Lernort“ muss für die Lübecker Schulen ein flächendeckendes Ganztagskonzept entwickelt werden. Dies bedarf einer engen Kooperation von Land und Kommune sowie zusätzlicher Ressourcen.“
Tatsächlich hat sich das Feld um Schulkindbetreuung und Offene Ganztagsschulen in den letzten Jahren stark verändert. Stichworte sind hier z.B. der erhöhte Stellenwert von Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die gezielte Wahrnehmung der Nachmittagsangebote zur Verbesserung der schulischen Lernbedingungen sowie der Integrationsförderung.
Der vorliegende Bericht zeigt die Entwicklungen im Bereich der Schulkindbetreuung in Lübeck auf und schlägt eine Neustrukturierung des Ganztagsbereichs vor. Dazu gehört auch, dass die 10 Jahre alte Förderrichtlinie der Hansestadt Lübeck über die Bezuschussung von Betreuungsangeboten an Verlässlichen Grundschulen zugunsten eines neuen Zuschussmodells überarbeitet wird.
1.1 Entwicklungen in der Schulkindbetreuung von 2004 bis heute
Grundelemente der Ganztagsbetreuung für Schulkinder in der Hansestadt Lübeck sind die verlässliche Betreuung in den Horten der Kindertageseinrichtungen und in Betreuten Grundschulen. Seit Gründung der ersten Betreuten Grundschulen durch Elterninitiativen Mitte der Neunziger Jahre hat die Bedeutung der Schulkindbetreuung am Nachmittag an den Schulen kontinuierlich zugenommen. An immer mehr Grundschulstandorten wurden Betreute Grundschulen vorwiegend in Elternträgerschaft aufgebaut. Die Hansestadt Lübeck unterstützte den Ausbau der Betreuten Grundschulen, um Kindern ein Angebot für die verlässliche Halbtagsbetreuung im Schulbereich zu bieten. Mit zunehmender Inanspruchnahme gingen die Träger der Betreuten Grundschulen auf die Wünsche der Eltern nach verlässlichen Betreuungszeiten bis in den Nachmittag hinein und auch in den Ferien ein.
Die Zahl der Betreuten Grundschulen nahm immer mehr zu, allerdings entwickelte sich mancherorts eine soziale Schieflage und eine Unterversorgung (z.B. in Buntekuh), da dort Eltern nicht in der Lage waren, die Beiträge zu finanzieren (Ermäßigungsmöglichkeiten nach dem SGB VIII gab es nur bei Hortbetreuung, da dies anerkannte Einrichtungen der Jugendhilfe sind). Dass gerade in diesen Stadtteilen solche Angebote fehlten, führte zur grundsätzlichen Überlegung, bereits vorhandene Betreuungsangebote (Betreute Grundschulen und Horte, Angebote der offenen Ganztagsschule, Jugendarbeit und erzieherischen Hilfen) für Schulkinder direkt an Grundschulstandorten zu bündeln. Daraus entstand das Modell „Schule als Lebens - und Lernort“, das Land und Stadt 2007 gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Erster Standort war die Grundschule Eichholz. Dort wurden alle Ressourcen von Schulkindbetreuung zusammen gebunden mit dem Ziel, ein an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler und ihrem Umfeld durchlässiges, aufeinander abgestimmtes pädagogisches Angebot an der Schule bereitzuhalten. Die Elternbeiträge wurden bewusst niedrig gestaltet, um keine zusätzlichen Barrieren aufzubauen. Ergebnis war, dass bereits seit Beginn dieses Betreuungsangebotes ca. 2/3 der Schulkinder auch am Nachmittag in der Schule betreut und gefördert wurden.
Der messbare Erfolg führte zum Ausbau dieses Angebots, so dass es mittlerweile 8 „Schule als Lebens - und Lernort“ – Standorte gibt. Da allein die Bündelung der finanziellen Ressourcen an einzelnen Standorten, an denen die Nachfrage besonders hoch war, nicht ausreichte, werden seit dem Schuljahr 2011/12 Mittel aus dem Lübecker Bildungsfonds durch den Stiftungsverbund direkt in die Finanzierung geleitet.
Wie positiv sich dieses Angebot daraufhin in bisher unterversorgten Bereichen entwickelt hat zeigt die nachfolgende Tabelle:
Entwicklung der Teilnahmequote am Ganztagsangebot
Der Ausbau von Schule als Lebens - und Lernort musste mit 8 Standorten beendet werden, da die einfließenden Ressourcen, u.a. von Jugendarbeit und Familienhilfen, ausgeschöpft sind. Ziel ist nun, die bestehenden Betreuten Grundschulen organisatorisch und fachlich in einem stadtweit einheitlichem Förderkonzept weiterzuentwickeln, das auch fachliche Standards festlegt.
1.2 Entwicklungen bei den Hortplätzen in Kitas
Die Nachfrage nach Hortplätzen für Schulkinder in Kindertageseinrichtungen nahm parallel zu der Entwicklung der Betreuten Grundschulen ab. Der Anteil des Hortangebotes in Kitas ging von rd. 12% im Kitajahr 1999/00 auf 5% im Kitajahr 2013/14 zurück. Seit Ausbau des Betreuungsangebotes für Kinder unter drei Jahren wurden in den Kitas die frei werdenden Räume der Horte für die Krippenkinder genutzt. Mit Stand vom 31.12.2013 werden noch 333 Kinder in Hortgruppen der Kindertageseinrichtungen betreut.
Die Verlagerung der Schulkindbetreuung von den Kindertageseinrichtungen in die Schulen wird von Eltern und Fachkräften kritisch begleitet. Eine professionelle Qualität durch ausgebildete Fachkräfte und einen bedarfsgerechten Betreuungsschlüssel, wie es für die Horte in Kitas durch das Kindertagesstättengesetz vorgegeben ist, konnte noch nicht an allen Schulstandorten am Nachmittag sichergestellt werden. In der Diskussion wird die Notwendigkeit nach einem angemessenen Raumangebot an Schulen, das sowohl den Ruhe- als auch den Aktivitätsbedürfnissen der Kinder gerecht wird und die Förderung am Nachmittag ermöglicht, angemahnt. Auch Kinder mit zusätzlichem Unterstützungsbedarf profitieren von einer qualitativen Ganztagsbetreuung an der Schule.
Die hier beschriebene Entwicklung zeigt sich auch in anderen Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein. Daher wurde von Lübecker Seite die Diskussion mit den Fachreferaten in den Landesministerien angeregt. Eine Arbeitsgruppe mit VertreterInnen der Städte und Gemeinden beschäftigt sich inzwischen mit dem Thema. In einem ersten Schritt hat das Land angekündigt, dass ab dem Schuljahr 2015/16 die Landesförderung für Horte in Kitas zugunsten von verlässlichen Betreuungsangeboten an Schulen umgesteuert werden können. Die Arbeitsgruppe wird fortgeführt.
Mit dem vorliegenden Konzept wird ein Weg für Lübeck vorgeschlagen, der die Qualitätsentwicklung der Schulkindbetreuung und Förderung an den Schulen unterstützt und mittelfristig die Umnutzung der Horte ermöglicht.
2. Aktueller Sachstand zu den schulischen Betreuungs- und Ganztagsangeboten
Bei der Betrachtung der schulischen Betreuungs- und Ganztagsangebote entsteht ein vielfältiges Bild. Abhängig vom jeweiligen Schulstandort kann das Angebot Betreute Grundschule, Offene Ganztagsschule oder auch Netzwerk - AGs heißen. Hintergrund für diese uneinheitliche Entwicklung sind u.a. die verschiedenen Förderprogramme aus der Vergangenheit.
2.1 Verlässliche Betreuung an Grundschulen (Betreute Grundschulen)
Im Schuljahr 2013/14 wurden 3.172 Schüler/innen an den Lübecker Grundschulen betreut. Es gab insgesamt 37 Einrichtungen (incl. der Außenstellen). 23 Einrichtungen wurden von freien Trägern der Jugendhilfe und 14 von Eltern- bzw. Schulvereinen betrieben.
31 Grundschulstandorte haben den Status der Offenen Ganztagsschule, die an den Grundschulen ein verlässliches Betreuungsangebot (ehemals Betreute Grundschulen) beinhalten und zusätzliche AG-Angebote vorhalten.
Ein Großteil der Einrichtungen hat 4 – 4,5 Std. täglich, also bis ca. 16 Uhr geöffnet. Teilweise wird eine Frühbetreuung vor dem Unterricht gewährleistet – je nach Bedarf der Eltern. In der Regel wird eine Ferienbetreuung für ungefähr die Hälfte der Ferienzeiten angeboten. Eine einheitliche Gebührenregelung gibt es nicht. Insgesamt finden sich sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen – je nach Schulstandort - vor. Dies wird mit Blick auf die soziale Entwicklung und auf einheitliche Lebens- und Lernbedingungen aller Kinder als problematisch eingeschätzt.
Durch die Hansestadt Lübeck wird eine Förderung für die verlässlichen Betreuungsangebote gewährt. Die Höhe der Förderung beträgt 100€ monatlich pro Gruppe (25 Kinder) und 15€ monatlich pro betreutem Kind.
2.2 Offene Ganztagsschule
Neben verlässlichen Betreuungsangeboten an den Grundschulen werden Offene Ganztagsangebote nach der „Richtlinie des Landes Schleswig-Holstein Ganztag und Betreuung“ vorgehalten. In Lübeck gibt es insgesamt 42 Offene Ganztagsschulen. Nach der Richtlinie des Landes müssen diese Schulen an mindestens 3 Tagen in der Woche ein Angebot von mindestens sieben Zeitstunden incl. Unterricht vorhalten. Eine Mittagsversorgung muss gewährleistet sein. Die inhaltliche Gestaltung ist der Schule freigestellt, häufig gehören eine Hausaufgabenbetreuung sowie musisch-kreative oder sportliche Angebote dazu. Die Angebotspalette richtet sich nach den jeweiligen Konzepten der Schulen und auch den Kooperationspartnern vor Ort. Die Inanspruchnahme der offenen Ganztags- bzw. Betreuungsangebote erfolgt nach Bedarf. So nimmt die Teilnehmerzahl an den weiterführenden Schulen mit zunehmendem Alter ab.
Die offenen Ganztagsangebote finanzieren sich aus der Förderung des Landes Schleswig-Holstein. Das Ministerium für Bildung und Wissenschaft finanziert das offene Ganztagsangebot mit bis zu 15 € pro Teilnehmerstunde an allgemeinbildenden Schulen, mit bis zu 35 € pro Teilnehmerstunde an Förderzentren mit den Schwerpunkten geistiger, sowie körperliche und motorische Entwicklung, an allen anderen Förderzentren mit bis zu 25 € im Schuljahr. Hinzu kommt eine Pauschale für Förderzentren je nach Schulgröße. Die Höchstförderung für alle Schulformen ist abhängig von der Schulgröße. Gefördert werden auch die Angebote einer pädagogischen Mittagsbetreuung für alle Lerngruppen der Jahrgangsstufen 5-9 im achtjährigen gymnasialen Bildungsgang. Sie beträgt für die Jahrgangsstufen 5 – 7 jeweils bis zu 15 € je Teilnehmer/in und Stunde im Schuljahr, in den Jahrgangsstufen 8-9 reduziert sich dieser Fördersatz auf 7,50€.
Der städtische Zuschuss beschränkt sich hier auf eine Sachkostenpauschale. Pro teilnehmenden Schüler/in am Ganztagsangebot im Schuljahr werden 5 € gezahlt.
2.3 Netzwerk-Angebote
In Ergänzung der Angebote des jeweiligen offenen Ganztag haben sich in Lübeck in den vergangenen Jahren weitere Netzwerke rund um Schule gebildet. Die Netzwerke bieten schulartübergreifende Lern- und Freizeitangebote bezogen auf den Stadtteil an. Dies erfolgt in Zusammenarbeit mit verschiedenen regionalen Partnern, z.B. Vereinen, Jugendfreizeiteinrichtungen oder auch ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen.
Die Basisfinanzierung der Netzwerk-Angebote wird durch den Stiftungsverbund im Lübecker Bildungsfonds zur Verfügung gestellt.
2.4 Veränderungsbedarf
Die beschriebene Vielfalt der bestehenden Betreuungs- und Ganztagsangebote verdeutlicht, dass an den Schulen der Hansestadt Lübeck inzwischen ein verbessertes Angebot von Betreuung, Förderung und Bildung entstanden ist. Parallel haben sich die Anforderungen an die Schulkindbetreuung und die offene Ganztagsschule stark gewandelt. Stand vor 10 Jahren noch eher die Beaufsichtigung der Kinder im Vordergrund, sind heute fachliche Qualitätsstandards nachgefragt, die pädagogische Betreuung sowie Förderung individueller Fähigkeiten vereinen.
Die Qualitätsentwicklung im Ganztag beschreibt Ganztagsschule heute als einen Lern- und Lebensort, an dem junge Menschen eigene Interessen und Neigungen entdecken, Sozial- und Selbstkompetenzen entwickeln, ein gemeinschaftliches Miteinander kennenlernen und an sinnvolles Freizeitverhalten herangeführt werden. Ganztägig lernen bedeutet auch, die Schüler/innen ganzheitlich wahrzunehmen – mit ihren unterschiedlichen familiären, sozialen und kulturellen Hintergründen, individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Die Kooperation zwischen den Lehrkräften und den pädagogischen Mitarbeiter/innen am Nachmittag ist dafür grundlegend für das Gelingen.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, benötigt Schule entsprechende Ressourcen. Die Vernetzung mit außerschulischen Kooperationspartnern und ein transparentes, verlässliches Fördersystem sind entscheidende Gelingensfaktoren. Eine Neuordnung der verschiedenen Förderstrukturen ist notwendig, um gleiche Bedingungen für unterschiedliche Quartiere und Menschen zu gestalten und gute Betreuung vom Einkommen der Eltern unabhängig sicherzustellen.
3. Ganztag an Schule – ein einheitliches Fördersystem
Das wesentliche Ziel eines stadtweiten Modells "Ganztag an Schule" sind einheitliche Qualitätsstandards und Rahmenbedingungen für alle Lübecker Schulstandorte zu gewährleisten. In den Planungszielen wird differenziert zwischen der Primarstufe (Kl. 1-4) und der Sekundarstufe I (Kl. 5-10), da sich aufgrund der Altersstrukturen unterschiedliche Bedarfe an die ganztägige Schule ergeben.
3.1 Ganztag an Grundschule
Im Rahmen der Primarstufe soll eine bedarfsgerechte Betreuung incl. AG-Angeboten nach einem einheitlichen System sichergestellt werden. Folgende Qualitätsstandards werden zugrunde gelegt:
- Qualifikation des Personals: päd. Fachkräfte/ qualifiziertes Personal
- Gruppengröße, Personalschlüssel: rechnerisch 20:1, ergänzt um Kräfte aus dem offenen Ganztag,
- Öffnungszeiten: 12:00 – 16:00 Uhr,
- Ferienbetreuung: mindestens 6 Wochen jährlich
Für die Durchführung der schulischen Ganztagsangebote wird ein Träger der Jugendhilfe im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung beauftragt. Grundlage dieser Vereinbarung ist ein gemeinsames pädagogisches Konzept, das Teil des Schulprogramms ist und regelmäßig fortentwickelt wird. Dazu gehört, dass sich der Unterricht und die schulischen Ganztagsangebote konzeptionell verzahnen und ein regelmäßiger fachlicher Austausch (z.B. in Form von Dienstbesprechungen) gewährleistet ist. Dafür sollen dem Träger des Ganztagsangebots Koordinierungsstunden zur Verfügung gestellt werden.
Die Konzeption wird gemeinsam durch die jeweilige Schule, d.h. Schulleitung, Kollegium und Elternschaft und dem Träger gestaltet. Eingegangen werden sollte darin z.B. auf unterschiedliche Betreuungskonzepte abhängig von der Klassenstufe, die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur individuellen Förderung oder auch gemeinsamer Projekte von Vor- und Nachmittag.
Weiter ist in der Konzeption die Kooperation mit außerschulischen Partnern, z.B. Kindertagesstätten, Jugendfreizeitzentren, Vereine etc. zu berücksichtigen.
Ganztag ist integraler Bestandteil von Schule. Alle Angebote werden unter dem Dach der Schule organisatorisch zusammengefasst. Die Gesamtverantwortung liegt in der Hand der Schulleitung. Die Kooperation mit dem Träger des Ganztagsangebots und dem Schulträger ist im Rahmen einer Vereinbarung geregelt. Darüber hinaus wird eine fachliche Begleitung durch den Schulträger sichergestellt. Dies beinhaltet u.a. die Organisation von Fachgesprächen, Beratung zur Konzeptgestaltung oder auch die Vermittlung in Konfliktfällen.
Erklärtes Ziel des Ganztagsangebotes an Grundschule ist es, dass möglichst viele Kinder von dem bedarfsgerechten Nachmittagsangebot profitieren können. Grundlage dafür schaffen die vorliegenden Standards.
Für Standorte mit besonderen Belastungen kann der Bedarf für die Einrichtung einer „Ganztagsgruppe plus“ mit einem höheren Betreuungsschlüssel (15:2) geprüft werden.
Verbunden mit einem einheitlichen System für die Qualitätsstandards ist die Einführung einheitlicher Elternbeiträge für die Betreuungsleistungen, die Regelungen zur Ermäßigung der Beiträge vorsieht (vgl. 4. Finanzielle Auswirkungen).
3.2 Ganztag in der SEK I
In der Ganztagsgestaltung der Sekundarstufe I geht es in der Hauptsache nicht mehr um verlässliche Betreuung, sondern vielmehr um eine Mischung aus vielfältigen Angeboten, die darauf abzielen, den Bildungsauftrag der Schule zu ergänzen, individuelle Fähigkeiten zu fördern bzw. soziale Kompetenzen zu stärken. Dies gilt für alle Schüler/innen, aber insbesondere diejenigen, die nicht über einen stützenden Hintergrund in ihrer Familie verfügen, sind auf einen gut aufgestellten Ganztagsbereich angewiesen.
Einer Förderung von SEK I - Angeboten im Ganztag liegt ein gemeinsames pädagogisches Konzept von Schule und einem Träger der Jugendhilfe zugrunde. Die Erarbeitung erfolgt in Abstimmung mit dem Bereich Jugendarbeit, der vor Ort zuständigen Schulsozialarbeit und dem Schulträger. Die kontinuierliche Beteiligung von Kindern und Jugendlichen soll sich auch im Rahmen des Ganztagskonzepts wiederfinden, um gesellschaftliche Mitverantwortung und soziales Engagement einüben zu können.
Das Konzept beinhaltet neben den pädagogischen Zielsetzungen, Vereinbarungen zur Ausgestaltung der Kooperationen, Teilnahme an Gremien im Sozialraum und Umsetzung der Verzahnung von Vor- und Nachmittag. Für externe Anbieter (Honorarkräfte), die einzelne, ergänzende AG´s durchführen, werden Qualitätskriterien festgelegt.
Anhand des Konzepts und eines Förderantrags wird für das Schuljahr ein Budget bewilligt, das zusätzlich zur Landesfinanzierung zur Verfügung steht und die erforderliche Komplementärfinanzierung abdeckt.
Die bisherige Finanzierung schulischer Netzwerke wird zugunsten einer Verstärkung des Ganztags am jeweiligen Schulstandort eingesetzt, Doppelstrukturen werden so abgebaut.
Eine sozialräumliche Vernetzung bleibt durch das jeweilige pädagogische Konzept zum Ganztag gegeben.
4. Finanzielle Auswirkungen
4.1 Ganztag an Grundschule
Unter den vorgenannten Rahmenbedingungen und der Maßgabe einer tarifgerechten Entlohnung der Fachkräfte ist je Gruppe ein Jahresbudget in Höhe von 33.400 Euro vorzusehen. Darin sind enthalten:
- Förderung der pädagogischen Betreuung der Kinder,
- Förderung für Sachkosten,
- Förderung der Kooperation zur Verzahnung der Vor- und Nachmittagsangebote.
Für eine Ganztagsgruppe plus ist ein Jahresbudget von 50.000 € vorgesehen. Bei gegenwärtig rund 3.500 betreuten Kindern und dem Bedarf an 20 Ganztagsgruppen plus ergibt sich ein jährliches Fördervolumen von rd. 6,93 Mio. €.
Der Elternbeitrag ist für eine Betreuung an fünf Wochentagen auf monatlich 120 € festgesetzt. Alternativ können die Eltern einen Betreuungsumfang von drei Wochentagen wählen, der Elternbeitrag beläuft sich dann auf 70 € monatlich. Weitere Flexibilisierungen sind anzustreben.
Auf Antrag kann der Elternbeitrag ermäßigt werden, bei einer entsprechenden finanziellen Situation der Familie bis zur vollen Höhe. Für Geschwisterkinder ist ebenfalls eine Ermäßigung analog der Geschwisterermäßigung in Kindertageseinrichtungen vorgesehen.
Unter Berücksichtigung der Ermäßigungen ist von jährlich rund 3,1 Mio. € Erlösen aus Elternbeiträgen auszugehen.
Neben den Elternbeiträgen können zur Gegenfinanzierung weitere Mittel angesetzt werden, die im Haushalt für die Schulkindbetreuung geordnet sind und entsprechend umgesteuert werden:
Übersicht über die für das Ganztagskonzept erforderlichen Beträge | Derzeit im Haushalt geordnet unter | Benannte Beträge |
- Mittel der HL für die Betreuten Grundschulen und Offenen Ganztag | 243002.000.5318001 243002.000.5318002 | 450.000 € |
- Mittel des Bildungsfonds für Schulnetzwerke | 362003.000.5318001 362003.000.5318002 | 210.000 € |
- Mittel des Bildungsfonds für Beitragsermäßigungen an Betreuten Grundschulen und dem Offenen Ganztag | 362003.000.5318001 362003.000.5318002 | 1.000.000 € |
- Mittel des Landes für den Offenen Ganztag | 243002.000.4141000 | 200.000 € |
- Hortmittel der HL für noch bestehende Horte | 365001.000.5318001 | 1.250.000 € |
- Hortmittel des Landes für noch bestehende Horte | 365001.000.5318001 | 250.000 € |
- Mittel für die Beitragsermäßigung in Horten | 361001.000.5331001 | 230.000 € |
| | 3.590.000 € |
Zusammenfassend stellen sich die finanziellen Auswirkungen wie folgt dar:
| aktuelle Kinderzahl | Realistische Steigerungserwartung |
Betreute Kinder | 3.500 | 4.000 | 4.500 |
Förderung der Angebote | 6.932.500,00 | 7.780.000,00 | 8.627.500,00 |
Erlöse aus Elternbeiträgen | 3.087.000,00 | 3.528.000,00 | 3.969.000,00 |
Umzusteuernde Mittel | 3.590.000,00 | 3.590.000,00 | 3.590.000,00 |
Verbleibender Finanzierungsbedarf | 255.500,00 | 662.000,00 | 1.068.500,00 |
Beginnend mit dem Schuljahr 2015/2016 soll das Modell schrittweise umgesetzt werden. Die Umsteuerung der bestehenden Angebote in das neue Modell löst für das Haushaltsjahr 2015 keinen haushaltswirksamen Mehrbedarf aus.
4.2 Ganztag in der SEK I
Grundlage für die finanzielle Ausstattung in der SEK I ist ein Budget, dass anhand der Schülerzahlen der Klassenstufen 5 - 8 ermittelt wird. Für die 17 Regelschulen mit einer SEK I wird ein Budget von 290.000 € veranschlagt. Werden die Förderzentren miteinbezogen, sind weitere 15.000 € im Schuljahr anzusetzen.
Die umzusteuernde Förderung der Schulnetzwerke aus dem Bildungsfonds beträgt aktuell 500.000,00 Euro. Hiervon werden künftig 210.000 € in das Modell Ganztag an Grundschule umgesteuert, so dass 290.000 € in den Ganztag in der SEK I fließen können.
4.3 Vergleich der Kosten für die Betreuung nach diesem Modell vs. der Betreuung in Horten
Das Vorhalten eines bedarfsgerechten Angebotes der Schulkindbetreuung gehört nach dem SGB VIII zu den Pflichtaufgaben der Hansestadt Lübeck.
Neben den fachlich inhaltlichen Vorteilen des Modells weist das Modell auch in finanzieller Hinsicht deutliche Vorteile gegenüber einer Betreuung in Horten aus. Der Finanzbedarf des örtlichen Jugendhilfeträger liegt bei diesem Modell bei etwa 25% einer Hortbetreuung. Die von den Eltern zu entrichtenden Beiträge bleiben bei der Hortbetreuung unberücksichtigt, da diese nicht dem örtlichen Jugendhilfeträger, sondern den (überwiegend) freien Trägern, zukommt.
Die nachstehende Grafik veranschaulicht den erheblich geringeren Finanzbedarf.
5. Räumliche Situation im Rahmen der schulischen Betreuungs- und Ganztagsangebote
Kinder benötigen im offenen Ganztag Räume, in denen sie sich sicher und geborgen fühlen, die verbindlich zur Verfügung stehen und das Empfinden von Wertschätzung erfahrbar machen lassen. Es muss Raum geben, um sich zurückziehen zu können, sich auszuruhen, in Ruhe lesen zu können und zu entspannen. Auch Räume für Bewegung, Spiele, Gruppenarbeit, Hausaufgabenbetreuung und Mittagessen werden gebraucht.
Schulkinder in der Nachmittagsbetreuung sollen die Möglichkeit erhalten, Gemeinschaft zu erleben und darüber ihre persönlichen und sozialen Kompetenzen zu stärken. Der Raum als „dritter Pädagoge“ sollte genügend Gelegenheit zur spontanen Aktion und zum Toben, zugleich aber auch Hilfen zu Ordnung und Achtsamkeit bieten.
Um all diese Voraussetzungen erfüllen zu können, ist ein flexibles Raumkonzept notwendig. Schulräume können in Doppelnutzung am Nachmittag für den Ganztag zur Verfügung stehen, z.B. Klassenräume für Hausaufgabenbetreuung, Fachräume zum Musizieren, zum Kochen und Backen in Lehrküchen beispielsweise zur Weihnachtszeit.
Parallel muss es auch Räume geben, die ohne großes „Stühle und Tische rücken“ unmittelbar zur Verfügung stehen. Hier kann „sperriges“ Spielzeug stehen bleiben, wie z.B. Kicker oder Puppenecken, Autorennbahnen oder gebastelte Landschaften, so dass nicht täglich auf- und abgebaut werden muss von den Kindern am Schulvormittag und –nachmittag. Diese Räume können auch am Vormittag für die Differenzierung im Unterrichtsbetrieb genutzt werden, z. B. als Sofasitzecken zum Ausruhen, zum Bücherlesen oder auch für Kleingruppenarbeit.
Hier gilt es, ein Maß zu definieren, das von Schule zu Schule, von pädagogischem Konzept zu Konzept, variieren kann. Die gegebenen räumlichen Voraussetzungen in den Schulen sind so unterschiedlich, dass keine allgemein gültige Anzahl an gesonderten Ganztagsräumen je Schule festgeschrieben werden kann.
Die bislang häufig sehr starre Trennung in Vor – und Nachmittagsbereich muss aufgehoben werden. Das muss sich in einem flexiblen, schulkindgerechten Raumkonzept widerspiegeln. Die vorhandenen Ressourcen an den Schulstandorten müssen entsprechend kreativ gestaltet werden. Die ausschließliche Doppelnutzung vorhandener Klassenräume entspricht nicht dem pädagogischen Anspruch an eine kindgerechte Ganztagsbetreuung.
6. Ausblick/ weiteres Vorgehen
An die Ganztagsschule werden vielfältige gesellschafts- und bildungspolitische Erwartungen gerichtet. Das vorliegende Konzept greift diese Anforderungen auf. Die Lübecker Strukturen werden zu einem stadtweiten Fördersystem mit einheitlichen qualitativen Rahmenbedingungen zusammengeführt. Die Bündelung aller Ressourcen trägt zur Qualitätssteigerung bei. Kooperationspartner aus dem Sozialraum werden verbindlich mit eingebunden.
Der Fachbereich Kultur und Bildung greift mit diesem Bericht die fachliche Diskussion zur Weiterentwicklung von Ganztagsschule auf. Die Umsetzung muss mit den beteiligten Akteuren von Schule, Kooperationspartnern und den Stiftungen des Bildungsfonds in nachfolgenden Schritt geschehen. Qualitätsentwicklung von Ganztag an Schule ist ein gemeinsamer Prozess.