Vorlage - VO/2013/00329
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Beschlussvorschlag
Begründung
4.491 Bereich Archäologie und Denkmalpflege
Abt. Denkmalpflege
Sachbearbeiterin: Dr. Irmgard Hunecke
Datum: 28.11.2012
Anfrage des BM Hans-Jürgen Schubert zum Denkmalschutz auf der Nördlichen Wallhalbinsel in der Sitzung der Bürgerschaft am 27. September 2012.
1. Frage:
Trifft es zu, dass Lübecker bzw. schleswig-holsteinische DenkmalpflegerInnen sich an Denkmalämter anderer Bundesländer und deren industrie-denkmalpflegerische Expertise gewandt haben, um fachliche Einschätzungen über den Denkmalwert der Bebauung der Nördlichen Wallhalbinsel zu erhalten?
Antwort:
Nein. Es fand lediglich ein kollegialer Meinungsaustausch per e-mail und Telefon zwischen einer Mitarbeiterin der Abt. Denkmalpflege HL – zuständig für das Fachgebiet Inventarisation – und diversen Inventarisatoren anderer Landesdenkmalämter BRD statt, die sich in einer AG der bundesweiten Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik (VDL) fachlich besprechen und austauschen. Aussagen über Aktivitäten schleswig-holsteinischer DenkmalpflegerInnen, als MitarbeiterInnen des Landesamtes für Denkmalpflege in Kiel können an dieser Stelle nicht beantwortet werden.
2. Frage:
Trifft es zu, dass der Lübecker bzw. schleswig-holsteinischen Denkmalpflege Stellungnahmen mehrerer Denkmalämter aus dem Bundesgebiet vorliegen, die sich für den zusammenhängenden Erhalt der baulichen und technischen Anlagen auf dem gesamten Areal der Nördlichen Wallhalbinsel aussprechen?
Antwort:
Nein. Es handelt sich hierbei lediglich um kollegiale Ratschläge/Hinweise per e-mail, die von Einzelnen in Form persönlicher Einschätzungen abgegeben wurden. Keiner der KollegInnen war vor Ort und vermutlich niemand von ihnen kennt das betr. Areal in Bezug auf die zu prüfende Fragestellung. Ihre Hinweise benennen lediglich zu prüfende rechtliche Grundlagen, bzw. machen aufmerksam auf annähernd vergleichbaren Baubestand in ihrem eigenen jeweiligen Zuständigkeitsgebiet, das jeweils nach dem dort anzuwendenden Denkmalschutzgesetz zu prüfen und zu bewerten ist. Weder die o.g. AG Inventarisation der VDL, noch einzelne Landesdenkmalämter in Deutschland haben offiziell zu dem Sachverhalt Stellung genommen.
3. Frage:
Falls (2) zutrifft, wie lauten diese Stellungnahmen im einzelnen?
Antwort: -
4. Frage:
Lagen solche Stellungnahmen anderer Landesämter den Lübecker Gremien im Rahmen der Entscheidungsfindung zur Bürgerschaftsvorlage Drucksache 239 am 29. September 2011 (‚Erschließung und Entwicklung der Nördlichen Wallhalbinsel’) vor?
Antwort:
Nein, da keine Stellungnahmen vorhanden waren, s. oben
5. Frage:
Wie lautet das Beratungsergebnis des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege aus seiner Sitzung vom 12. September 2011 zu Bebauungsverfahren und Denkmalpflege auf der NWHI?
Antwort:
dem Dringlichkeitsantrag von AM Sellerbeck wurde nicht stattgegeben; erneute Diskussion dazu i.d. Sitzung 14.11. bei Berichterstattung durch Frau Koretzky; Kenntnisnahme durch den Ausschuß für Kultur und Denkmalpflege.
6. Frage:
Das Lagerhaus der Kaufmannschaft (heute Media Docks), das durch Kriegseinwirkungen zu etwa einem Drittel zerstört wurde, steht unter einem ausdrücklichen Denkmalschutz, ebenso der beschädigte Schuppen 6 An der Untertrave. Die unbeschädigten Schuppen B und D auf der NWHI wurden hingegen nicht ausdrücklich denkmalgeschützt. Die Frage hierzu: wie erklärt sich die unterschiedliche Behandlung dieser Objekte in dieser Hinsicht?
Antwort:
In der Vorbereitungsphase der Denkmalschutzprüfungen in den Jahren 1991-1993 wurden seitens der Stadtverwaltung (Stadtplanung und Denkmalpflege) zwei Gutachten eingeholt:
a) städtebaulich-historische Analyse; Prof. Nieschalk,
b) architektonisch-statische Analyse, Dipl.Ing. P. Kröger, Dipl. Ing. S.Morawe-Krüger,
die deutliche Unterschiede der Wertigkeiten der Schuppen auf der NWHI benennen, sowohl städtebaulich als auch substanziell. Diese waren u.a. Grundlage der denkmalpflegerischen Bewertung durch die damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Amtes für Denkmalpflege (auf der Stelle der Inventarisation im Amt für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck damals Dr. Peter Kallen).
Die Akten der Abt. Denkmalpflege enthalten darüber hinaus keine Unterlagen mit Begründungen zur unterschiedlichen Entscheidungsfindung; die heutigen Mitarbeiter/innen waren damals nicht beteiligt (alle später angestellt worden).
7. Frage:
Der Hafenschuppen 6 (sechs) An der Untertrave steht unter Denkmalschutz, denn: ’Lage und Form des Lagerschuppens dokumentieren IM VERBUND (Hervorhebung durch Großbuchstaben vom Fragesteller) mit dem Lagerschuppen 9 die erste, eng mit der Altstadt verknüpfte Ausbaustufe der Lübecker Hafensituation im Industriezeitalter’. - Der Hafenschuppen 9 (neun) An der Untertrave steht unter Denkmalschutz, denn: ‚Lage und Form dokumentieren IM VERBUND (Hervorhebung durch Großbuchstaben vom Fragesteller) mit dem Lagerschuppen 6 die erste, eng mit der Altstadt verknüpfte Ausbauphase des Lübecker Hafens im Industriezeitalter’. (Zitat aus der ‚Kennzeichnung des Kulturdenkmals’ im Bestandsverzeichnis des ‚Denkmalbuchs für Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung aus geschichtlicher Zeit’). – Die Frage hierzu: Aus welchem Grund wird der Verbund und somit der Ensemble-Charakter (Lage im Verbund’) An der Untertrave als zum Schutz der Lagerschuppen gehörig aufgezählt, während der ausdrückliche Ensemble-Charakter auf der NWHI (hier das besondere Kulturdenkmal Hafenensemble Nördliche Wallhalbinsel) bisher nicht zum Denkmalschutzumfang der Objekte im Verbund führte Wie erklären sich die Unterschiede in der Behandlung dieser beiden Areale in dieser Hinsicht?
Antwort:
Die Schuppen 6 und 9 wurden zeitlich deutlich vor der Prüfung der NWHI unter Denkmalschutz gestellt, nämlich 1988. Der Begriff „Ensemble“ wurde hier vermutlich mit Absicht vermieden, weil er im damaligen Denkmalschutzgesetz S-H (ebenso wenig wie im aktuellen) keine Verwendung findet. Eine gewisse Ausnahme stellt die Formulierung „Gruppe von Sachen“ dar. Die Denkmalausweisungen erfolgen daher in der Regel als Einzeldenkmale, nicht als Gruppe, da hierdurch bei späteren baulichen Verlusten/Veränderungen innerhalb einer solchen Gruppe rechtliche Probleme auftreten können. Auffällig ist allerdings, dass bei der Eintragung der Denkmale auf der NNWHI im Jahr 1993 unter der fachlichen amtlichen Leitung von Herrn Dr. Kallen dieser Begriff verwendet wurde. Er hat aufgrund der o.g. Rechtslage keine verbindliche Wirkung, sondern ist lediglich als örtliche Umschreibung zu verstehen.
8. Frage:
Mit welcher denkmalpflegerisch-fachlichen Begründung wurden Objekte wie das Lagerhaus der Kaufmannschaft, der Halbportalkran von 1917 und die gesamte Kaianlagen in dem Hafenensemble NWHI unter Schutz gestellt, ohne die NWHI in ihrer Gesamtheit mit allen ihren Objekten auf Grund eben dieses, von der amtlichen Denkmalpflege hervorgehobenen Ensemble-Charakters unter Schutz zu stellen? (Die Frage bezieht sich auf folgenden Text der Denkmalbuches, zitiert nach Jörg Sellerbeck Jr. ‚Bericht an die Mitglieder der Bürgerschaft und des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege’ vom 9. September 2012, Seite 6: „HAFENENSEMBLE [Hervorhebung durch Großbuchstaben vom Fragesteller] ‚Nördliche Wallhalbinsel’ mit Bau- und Ladestruktur um 1900. 700 m lange und 110 m breite Halbinsel, gelegen zwischen dem ehemaligen Befestigungsgraben (Stadtgraben) und der Stadt-Trave. 1900 von Peter Rehder zur modernen Hafenanlage erweitert durch betonierte und gemauerte Kaianlagen, Bahngleise mit Drehscheibe an der nördlichen Spitze, Lösch- und Lagereinrichtungen aus dem Jahre 1894-1941. Großes Lagerhaus der Kaufmannschaft von 1898 (durch Kriegseinwirkungen gestört) mit Halbportal-Wipp-Drehkran von 1917“).
Antwort:
s. Angabe zu 6,
9. Frage:
Mit welcher fachlichen Begründung hat sich die Denkmalpflege bisher nicht den folgenden Ausführungen der gutachterlichen Stellungnahme des Bauhistorikers Dr. Kallen angeschlossen, sondern darauf verzichtet, die NWHI in ihrer Gesamtheit unter Denkmalschutz zu stellen? – Dr. Kallen: „Das Gesamt-Objekt ‚Nördliche Wallhabinsel’ stellt ohne Zweifel ein bauliches Denkmal dar. Dessen wissenschaftlicher und geschichtlicher Wert ist als Dokument der Entwicklung der modernen Hafengeschichte im Zusammenhang von Wirtschafts-, Technik- und Verkehrsgeschichte von überregionaler Bedeutung. Weiterhin stellt es einen unterdessen seltenen Bautypus des Hafenschuppens in unterschiedlichen zeitlichen Kontexten dar und bildet damit einen Beleg im Gewerbebau für die zeitgenössische Architektur zwischen 1900 und 1941. Die gesamte Bebauung auf der nördlichen Wallhalbinsel – die jüngeren Zwischenbauten auf der Seite des Kuhlenkampkais ausgenommen – sind ein Denkmalensemble, da allein durch seine Geschlossenheit auf kleiner Fläche mit allen Funktionsabläufen einer damals modernen Hafenanlage besticht und einen Alleinstellungscharakter besitzt.“ (zitiert nach Jörg Sellerbeck Jr., Bericht an die Mitglieder der Bürgerschaft und des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege vom 9. September 2012, Seite 7).
Antwort:
s. Angaben zu 7. zusätzlich: Herr Dr. Kallen hat 2011 nicht unter Beachtung des Denkmalschutzgesetzes S-H begutachtet. Herr Dr. Kallen hätte als Amtsmitglied in der Position des Inventarisators in der Prüfungsphase NWHI 1991-93 die Möglichkeit gehabt, die gesamte NWHI denkmalrechtlich zu schützen, wenn dieses fachlich und rechtlich von ihm begründet worden wäre. Es ist aber nicht geschehen; Aktenkundige Begründungen hierfür liegen der Abt. Denkmalpflege nicht vor. Die o.g. Gutachten stellen ausdrücklich baulich und historisch begründete, unterschiedliche Wertigkeiten dar. Es ist schriftlich überliefert, dass auch Herr Dr. Kallen vor den damals Beteiligten eine unterschiedliche Wertigkeit der diversen Bauten benannt hat. Die Abt. Denkmalpflege hat diese damalige Bewertung und bestehende Entscheidung nach erneuter Prüfung bestätigt, da kein neuer Erkenntnisgewinn zu einer anderen Einschätzung beiträgt.
Herr Dr. Kallen hat in seinem Gutachten von 2011 nur den Schuppen F fachlich begutachtet, nicht den übrigen Baubestand auf der NWHI. „Alleinstellungscharakter“ ist dabei kein gesetzlich vorgegebenes Kriterium im Denkmalschutzgesetz S-H. Die Bewertung der Abt. Denkmalpflege im Jahr 2012 dazu lautet: „Schuppen F ist aufgrund seines Alters (1941) nicht zur Gruppe der Bauten der Rehder-Planung zu zählen. Der Standort wurde vermutlich lediglich wegen der damals zur Verfügung stehenden Freifläche gewählt. Die im Gutachten Kallen genannten bautechnischen Besonderheiten sind denkmalfachlich nicht nachzuvollziehen. Die Lübecker Denkmalpflege hat die von Kallen als bauliche Besonderheit der frühen Betonstützen mit Basis- und Kapitellausbildungen benannten Baudetails bereits im Jahr 1997 mit der Unterschutzstellung der Siemser Ölmühle, Mühlenkamp 10, erbaut 1905, erkannt und bewertet. Die als historische Besonderheit benannte Bauzeit („kriegswichtige Bautätigkeit“) während des Zweiten Weltkrieges wurde sowohl durch die Archivrecherche der Abt. Denkmalpflege, als auch durch die ausführliche Darstellung der Archivlage von
Dr. Freiesleben als nicht zutreffend bewiesen. (Unabhängig von einander erstellte, nahezu zeitgleich erstellte Bearbeitung der Akten im Stadtarchiv).“ (aus dem Bericht der Denkmalpflege zum Zeitpunkt des Prüfungsabschlusses).
Anlagen