Vorlage - VO/2013/00134
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Beschlussvorschlag
Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin,
die Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN beantragt, die Bürgerschaft möge beschließen:
Die Mitglieder der Hansestadt Lübeck der Trägerversammlung für das Jobcenter Lübeck werden beauftragt, sich für folgendes Verfahren bei der Erstattung überzahlter Leistungen durch das Jobcenter Lübeck einzusetzen:
- Das Jobcenter Lübeck wird entsprechend des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84) aufgefordert, auf die Erstattung überzahlter Leistungen durch minderjährige Kinder und Jugendliche zu verzichten.
- In den entsprechenden Aufhebungs- und Rückzahlungsbescheiden werden die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter darüber informiert, dass minderjährige Kinder und Jugendliche keine Schulden bezahlen müssen und das Jobcenter sie auch nicht zur Erstattung überzahlter Leistungen heranziehen darf.
- Das Jobcenter Lübeck wird die Bundesagentur für Arbeit mit der Wahrnehmung ihrer Forderungen erst beauftragen,
- wenn die entsprechenden Erstattungsbescheide rechtskräftig geworden sind und
wenn es sich nicht um Forderungen gegen minderjährige Kinder und Jugendliche handelt.
Begründung
Wenn minderjährige Kinder und Jugendliche mehr Geld vom Jobcenter bekommen als ihnen zusteht, kann die Arbeitsbehörde, die entsprechenden Leistungsbescheide aufheben und Erstattungsbescheide erlassen. Dabei spielt es keine Rolle ob die Eltern oder die gesetzlichen VertreterInnen die überzahlten Leistungen beantragten oder sie durch falsche Angaben verursachten.
Das Jobcenter darf aber bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen den Erstattungsanspruch nicht durchsetzen. Dies hat das Bundessozialgericht eindeutig bestimmt (vgl. Urteil vom 07.07.2011 -B 14 AS 153/10 R-). Dabei bezog sich das höchste Sozialgericht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die VerfassungshüterInnen hatten schon Ende des letzten Jahrhunderts Schuldenanzahlungen durch Minderjährige und Pfändungen bei Kindern und Jugendliche verboten (vgl. Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 = NJW 1986, 1859).
1998 beschloss der Bundestag ein „Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz“ mit dem das Verfassungsgerichtsurteil Gesetzeskraft erlangte, Schuldeneintreibungen bei Kindern und Jugendlichen gesetzlich verbot und die Gefahr des überschuldeten Eintritts in die Volljährigkeit verhindert.
Das Lübecker Jobcenter nimmt es aber nicht so genau mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen.
So beauftragt die Lübecker Arbeits- und Sozialbehörde die Bundesagentur für Arbeit mit der Wahrnehmung ihrer Forderungen (vgl. Mahnung Anhang) gegen einen 8jährigen Schüler.
Für die Schuldeneintreibung ist die Inkassoabteilung der Regionaldirektion Niedersachen zuständig. Die schickte einem 8jährigen eine Mahnung und forderte das Kind auf, innerhalb einer Woche 2.163,00 Euro an das Jobcenter zu zahlen. Sollte das Geld dort nicht ankommen, käme der Gerichtsvollzieher, wurde dem Jungen angedroht.
Nun fürchten Mutter und Sohn, dass für die Schuldentilgungen Spielzeug beschlagnahmt und Taschengeld gepfändet wird.
Für die illegale Mahnung soll der Junge auch noch 11.10 Euro Mahngebühren bezahlen (vgl. Anhang). Allein für die Abzahlung der Mahngebühren müsste er mehrere Monate auf sein Taschengeld verzichten.
Das Lübecker Jobcenter umgeht das eindeutige Verbot, bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen Erstattungsansprüche durchzusetzen und kassiert für illegale Schuldentilgungen sogar einen Teil der unzureichenden Leistungsgewährungen für Kinder und Jugendliche.
Ein Widerspruch gegen einen Erstattungsbescheid hat eine aufschiebende Wirkung, und darf während des Widerspruchsverfahrens nicht umgesetzt werden. Trotzdem lässt das Jobcenter während laufender Rechtsschutzverfahren eine Mahnung verschicken, für die die Empfänger dann auch noch Mahngebühren bezahlen müssen.
Ohne Widerspruch wird ein Bescheid einen Monat nach Erhalt rechtskräftig und so lange soll das Jobcenter mit der Einleitung eines Mahnverfahrens warten.
Anlagen