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Auszug - Darstellung zur aktuellen Situation der privaten Lübecker Theater  

14. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege Beschlussart: (offen)
Datum: Mo, 08.06.2020 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:05 - 18:42 Anlass: Sitzung
Raum: Bürgerschaftssaal
Ort: Rathaus, 23552 Lübeck
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Herr Stolzenberg bedankt sich bei den teilnehmenden Gästen für ihr Erscheinen und bittet sie, in kurzen Redebeiträgen ihre individuelle, durch COVID19 veränderte Situation darzulegen:

 

Herr Schlafke, künstlerischer Leiter des Figurentheaters und Landesvorsitzender vom schleswig-holsteinischen Verband der Freien Theater, legt dar, dass bei den Landesbühnen ein Verdienstausfall von 300.000–500.000 EUR in den ersten drei Monaten verzeichnet wurde. Die Fördermittel des Landes, Bundes erreichen überdies nicht alle (z. B. Vereine, Einzelkünstler als Soloselbstständige). Die „Corona-Soforthilfen“ konnten nicht alle Theater beanspruchen, mglw. wird es Aufstockungen geben. Für die Soforthilfe des Landes mussten die Antragssteller einen Liquiditätsengpass vorweisen. Herr Schlafke plädiert dafür, dass alle freischaffenden Künstler:innen, die nun Leidtragende eines Berufsverbots seien, ein Grundeinkommen benötigen. In der freien Theaterszene liege die Hauptspielzeit im Herbst, daher würde die „schlimmste Zeit“ noch vor ihnen liegen. Für den Sommer würden die finanziellen Reserven für einzelne Spielstätten noch ausreichen.

 

Aktuell dürfen sich bis zu 100 Zuschauer:innen in geschlossenen Räumen aufhalten. Diese Zahl kann aufgrund der erforderlichen Abstände und Hygienemaßnahmen in einigen Spielstätten nicht erreicht werden. Daraus resultiert ein defizitärer Spielbetrieb. Auch weil wichtige Besuchergruppen wie Kitas und Schulen aktuell keine Theateraufführungen besuchen können. Zusätzlich fehlen die notwendigen Einnahmen und nur ein geringer Prozentsatz an Fördermitteln steht zur Verfügung, wodurch die Kosten die Einnahmen übersteigen. Herr Schlafke bemerkt hierzu, dass die Hansestadt Lübeck die Verantwortung trägt, mitzuhelfen die Defizite auszugleichen.

 

Herr Gottschlich leitet das Theater am Tremser Teich, ein kleines Privattheater im Familienbetrieb mit zwei Vollzeitkräften und zwei Bühnen. Das Theater erhält keine institutionelle Förderung durch das Land, aber 6.000 EUR von der Stadt Lübeck. Ihr Bühnenprogramm richtet sich v. a. an Kinder und Familien. Bei regulärem Spielbetrieb verzeichnen sie jährlich 300 Veranstaltungen bei einer 100-prozentigen Auslastung. Durch die Spielpause seit 14. März 2020 müssten sie Einnahmeverluste von rund 25.000 Euro hinnehmen. Sie rechnen mit 70.000 Euro weiteren Einnahmeeinbußen. „Soforthilfe“ in Höhe von 9.000 Euro und Kurzarbeitergeld für beide Beschäftigten wurden bewilligt. Herr Gottschlich appelliert an den Erhalt der bunten Lübecker Kulturszene. Mit einer Grundsicherung sei zudem keiner Spielstätte geholfen, da sie nicht die laufenden Betriebskosten berücksichtigt.

 

Herr Haenen, seit 2014 freischaffender Künstler in Lübeck, hat seine Hauptspielzeit im Sommer als mobiles Theater im öffentlichen Raum (Ostsee- und Nordsee-Bäder, Stadt-, Dorf- und Betriebsfeste, etc.). Derzeit verzeichnet er 65.500 Euro Einnahmeverluste ohne Alternativen. Er und seine Familie erhalten monatlich ALG II in Höhe von 887 Euro. In seinem Cabaret-Theater NostalChique (Zirkuswagen) dürften sich unter Berücksichtigung von Hygieneregelungen und Infektionsschutzmaßnahmen aktuell 10 statt sonst 36 Personen aufhalten. Herr Haenen äußert am Ende, dass er sich Unterstützung mit Herz und nicht mit Almosen wünsche.

 

Frau Dettlof, künstlerische „Mit-Leiterin“ des Theaters Combinale und Vorsitzende des Landesverbandes freie Theater SH, weist darauf hin, dass jedes Theater die Möglichkeit habe, eine institutionelle Förderung vom Land zu beantragen. Von September bis Dezember 2020 würden sie voraussichtlich ein Minus von 100.000 Euro registrieren. Es gäbe jedoch aktuell Pläne zur Unterstützung der Kulturakteur:innen von Land und Bund. Zudem gibt es die Möglichkeit über die Aktion „Kulturfunke“, ein neues Projekt bezuschussen zu lassen. Sie appelliert an die Stadt Lübeck, feste Häuser und Spielstätten zu erhalten.

 

An der folgenden Diskussion beteiligen sich: Frau Senatorin Weiher, Herr Steffen, Herr Stolzenberg, Herr Petereit und Herr Dr. Junghans:

 

Herr Steffen zitiert Kulturstaatsministerin Monika Grütters, wonach die Kulturinfrastruktur durch das NEUSTART KULTUR-Programm erhalten und gestärkt werden soll. Durch dieses Hilfspaket sollen die Sparten Musik, Theater und Tanz jeweils 150 Millionen Euro erhalten.

 

Herr Stolzenberg weist darauf hin, dass die Bürgerschaft den Antrag VO/2020/08963 an den Fachausschuss überwiesen hat. Darin wird der Bürgermeister aufgefordert, ein Konzept zu entwickeln, bestenfalls in Zusammenarbeit mit Kulturakteur:innen, um „Schutzlücken“ zu schließen.

 

Herr Petereit erwidert, dass es sinnvoller sei, zunächst abzuwarten, ob und wie das geplante Konjunkturpaket des Bundes auch Lübecker Kulturakteur:innen und Einrichtungen erreicht. Außerdem stehe die Stadt nur ein, wenn Bund und Land nicht einwirken (Kultur ist Landesangelegenheit). Er schlägt vor, dass man sich interfraktionell über die Umsetzung verständigen und einigen solle.

 

Herr Dr. Junghans unterstreicht, dass bestehende Strukturen sichergestellt werden müssten. Die Hilfe könne nicht aus dem bestehenden Budget geleistet werden, sondern es müssten zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Kriterien für die Verteilung des Geldes festzulegen, stellt eine besondere Herausforderung dar.

 

Herr Steffen spricht sich dafür aus, dass Theater als Institutionen zu erhalten und zu fördern seien. Zur Vorbereitung auf die nächste Sitzung des Ausschusses sollte eine Übersicht darüber vorgelegt werden, was aktuell durch Förderprogramme nicht gedeckt wird. Frau Schedel macht darauf aufmerksam, dass die aktuelle Situation insbesondere kleine Bühnen in erhebliche Bedrängnis bringe.

 

Frau Senatorin Weiher konstatiert, dass Kultur ein „Lebenselixier der Stadt“ sei und den Städte-Tourismus fördere. Damit Privatpersonen überleben können, gäbe es Hilfe für Künstler:innen durch das Sozialschutz-Programm (Wohngeld, Grundsicherung, Kurzarbeitergeld). Die derzeitigen Hilfen für Solo-Selbstständige würden nicht ausreichen. Ganz schwierig sei die Situation für die freien Theater mit eigenen Spielstätten. Kredite seien für kleine Theater auch keine Lösung. Das Budget des Kulturbüros verfüge aktuell nur über einen Fördertopf von 60.000 EUR, der ausgeschöpft sei. Es müssten Lösungen zur Unterstützung gefunden werden.

Der Vorsitzende ruft Herrn Petereit zur Ordnung, da er die von Herrn Petereit geführten Einzelgespräche während der Ausschusssitzung als störend wahrnimmt. Daraufhin bittet Herr Petereit um Unterbrechung der Sitzung. Die Sitzung wird 17:50 Uhr für 15 Minuten unterbrochen und 18:09 Uhr weitergeführt.

 


Beschluss:

Auf Anregung von Herrn Petereit empfiehlt der Vorsitzende Herr Stolzenberg einen interfraktionellen Arbeitskreis einzurichten, bestehend aus den kulturpolitischen Sprecher:innen der Fraktionen, Vertreter:innen der Lübecker freien Szene und der Kulturverwaltung (Federführung des Arbeitskreises). Die Einladung zu der Arbeitskreissitzung im Juli 2020 erfolgt durch den Vorsitzenden des Kulturausschusses.

 


 

 

 

 

Abstimmungsergebnis

 

einstimmige Annahme

 

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

13

Nein-Stimmen

 

Enthaltungen

1

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum