Auszug - Vortrag zum Brodtener Ufer (LLUR)  

36. Sitzung des Umwelt- und Kleingartenausschusses in der Wahlperiode 2008 - 2013
TOP: Ö 4.2.1
Gremium: Umwelt und Kleingartenausschuss Beschlussart: (offen)
Datum: Di, 19.02.2013 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:00 - 17:45 Anlass: Sitzung
Raum: Kleine Börse
Ort: Rathaus, 23539 Lübeck
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Herr Dr

Herr Dr. Liebsch-Dörschner stellt sich vor und berichtet über das Brodtener Ufer[1].

 

Einleitend führt Herr Dr. Liebsch-Dörschner aus, dass die vorherrschende Bodenart am Brodtener Ufer eiszeitlicher Geschiebemergel, heterogen durchsetzt von Tonen und Sand-/Kieslagen, sei. Die wesentlichen Faktoren für die Abbrüche seien  Niederschläge, Durchfeuchtung (Grundwasser), Witterung und das Meer. Das oberflächlich abfließende Regenwasser bilde Einkerbungen und Auswaschungen in den vorhandenen Wegsamkeiten. Die Folgen der mit den Niederschlägen verstärkten Grundwasseraustritte seien jedoch erheblicher. Das Grundwasser fließe durch die durchlässigsten Schichten, wie Sand- und Kieslagen und durchfeuchte den Geschiebemergel. Dort, wo das Grundwasser am Steilufer austreten könne, werde Kies und Sand aus dem Schichtverband herausgespült. Dadurch entstünden auch Abrisse, die schließlich zu Rutschungen führen würden. Ein weiterer Erosionsfaktor sei der Frost/Tauwechsel. Durch die Struktur des Geschiebemergels könne das Wasser tief in den Steilhang eindringen, das Wasser gefriere und übe durch die Volumenvergrößerung erheblichen Druck auf die Trennflächen aus. Die Folge sei eine weitgehende Lockerung des Bodengefüges. Im Frühjahr sei der Boden als Folge des Tauwetters stark wasserübersättigt und es komme zum Abrutschen der gesamten vormals gefrorenen Zone des Steilufers. Dieser Effekt steigere sich durch die Schneeschmelze und verstärkten Grundwasseraustritt. Im Ergebnis seien die folgenden Punkte die Hauptursache des Küstenabbruchs:

 

• Geologischer Aufbau und Internstruktur, bedingt durch eiszeitliche Ablagerungsverhältnisse

• Grundwasseraussickerung

• Witterungsbezug (Durchfeuchtung / Frost- Tauwechsel)

• Steilheit

• marine Erosion

 

Als nachrangig könnten die Drainagerohre mit einhergehender Kerbtalbildung betrachtet werden. So seien u.a. in den Gebieten mit verstärkten Abbrüchen gar keine Drainagerohre vorhanden. Abschließend führt er aus, dass es in der Nacheiszeit ohne die Abbrüche am Brodtener Ufer und den Materialtransport durch die Ostsee keinen Priwall gebe. Hier sei das erodierte Sediment wieder abgelagert worden.

 

Ob die marine Erosion eher gering sei, möchte Herr Hamdorf wissen. Herr Dr. Liebsch-Dörschner antwortet, dass sich die Effekte überlagern. Als Folge der permanenten Durchfeuchtung und Materialabtragung durch die Ostsee werde ständig Material abgebaut und im Wesentlichen nach Süden transportiert.

 

Frau Dr. Kühn fragt nach, inwieweit der Klimawandel (höhere Niederschlagsmenge) zu einem evtl. schnelleren Abbruch beitrage. Für die Abbrüche sei eher der Wetterwechsel (Regen, Frost, Tauen) Ursache. Momentan könne man noch keine Rückschlüsse über vermehrte Steiluferabbrüche aufgrund des Klimawandels ziehen, antwortet Herr Dr. Liebsch-Dörschner.

 


Dass die Drainagerohre gar nichts bewirken, könne so nicht stehengelassen werden, entgegnet Herr Schubert. Woraufhin Herr Dr. Liebsch-Dörschner relativiert, dass Auskerbungen nur linear zu den Drainagerohren erkennbar seien. Die Hauptursache der Abbrüche seien aber die schon erwähnten Punkte.

 

Für Herrn Wegner stelle sich die Frage, ob mit einem Wegfall des Entwässerungssystems die Abbrüche zunehmen würden. Dies sei eine hypothetische Frage und könne so nicht beantwortet werden, entgegnet Herr Dr. Liebsch-Dörschner.

 

Das Haus Seeblickim Bereich Hermannshöhe befinde sich direkt an der Abbruchkante, merkt Herr Müller an und fragt nach, ob das Haus irgendwann verschwunden sein werde. Bei dieser Fragestellung befinde man sich schon im bau- und ordnungsrechtlichen Bereich. Zu prüfen sei, ob die Stadt Zugriffsrechte für weitere Maßnahmen habe. Mit Sicherheit werde es das Haus früher oder später nicht mehr geben, führt Herr Dr. Liebsch-Dörschner aus. Herr Möller ergänzt, dass der Besitzer mit dem Bereich Wirtschaft und Liegenschaften Gespräche führe und wohl Ortstermine beabsichtigt seien.

 

Herr Dr. Eymer möchte wissen, mit welcher Geschwindigkeit die Ostsee das Steilufer abtrage. Dies sei eine reine Hochrechnung und es könne keine Prognose gegeben werden, antwortet Herr Dr. Liebsch-Dörschner. Er verweist hierzu auf die Aufnahmen seitens des zuständigen Landesbetriebs für Küstenschutz, Meeresschutz und Nationalpark (LKN) in Husum. Pro Jahr ein bis zwei Meter seien dort realistisch, wo verstärkte Abbrüche erfolgten, fügt er hinzu.

 

Die Frage von Herrn Schubert, ob noch andere Rohre außer den kartierten Rohren vorhanden seien, verneint Herr Dr. Liebsch-Dörschner.

 

Frau Scheel möchte eine abschließende Bewertung, inwieweit die Drainagerohre die Abbrüche beschleunigen würden. Im Ergebnis seien die Abbrüche natürlichen Ursprungs und die Drainagerohre, mit Ausnahme der linearen Kerbtalbildung, nicht dafür verantwortlich, stellt Herr Dr. Liebsch-Dörschner fest.

 

Herr Schubert beantragt das Anhörungsrecht für Herrn Schindler als sachkundigen Bürger, welches der Ausschuss einstimmig beschließt.

 

Herr Schindler führt aus, dass es in den 50er Jahren ebenfalls Untersuchungen durchgeführt worden seien. Primär seien die Niederschlagsaustritte für die Abbrüche verantwortlich. Des Weiteren sei anhand der Ausführungen von Herrn Dr. Liebsch-Dörschner zweifelsfrei nachgewiesen, dass die vorhandenen Drainagerohre nachrangig zur Erosion betrügen. Durch ein nicht vorhandenes Entwässerungssystem könnte der Boden verstärkt aufweichen und infolgedessen sich die Abbrüche verstärken. Ebenso seien die Abbrüche enormen Schwankungen unterzogen. Im 19. Jahrhundert durchschnittlich 1 m, in den 50er Jahren durchschnittlich 48 cm und in den 60er Jahren eine weitere Reduzierung der Abbrüche nachweisbar.

 

Zu guter Letzt führt Herr Möller unterstützend aus, dass im Abschnitt Haus Seeblickdie Abbrüche der letzten 50 Jahre zurückgerechnet worden seien und man im Verlauf des letzten Jahrzehnts etwa 60% weniger Abbrüche als zu erwarten verzeichnen könne.

 

 


[1] Anlage 1 zur Niederschrift Nr. 36 über die Sitzung des Umwelt- und Kleingartenausschusses am 

  19.02.2013. Die Präsentation ist im Ratsinformationssystem
  http://www.luebeck.de/stadt_politik/buergerinfo/bi/si018_a.asp?GRA=322 abrufbar.


 

Der Ausschuss nimmt Kenntnis

Der Ausschuss nimmt Kenntnis.

             

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1_TOP 4.2.1_Vortrag Brodtener Ufer (11977 KB)