Schon seit den Zeiten der Hanse war Lübeck ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt. Heute stellen ein geändertes Mobilitätsverhalten und die immer weiter steigenden Verkehrsmengen neue Anforderungen an die Verkehrssteuerung. Mit dem Förderprojekt VIAA – Lübecks Verkehrsmanagementsystem, intelligent, analytisch und agil – schafft die Hansestadt Lübeck Grundlagen für eine digitale Verkehrssteuerung, um den Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden.
Zusammenspiel von Analytik und Operative
Ein zukunftsweisender Aspekt des Projekts ist die Integration einer analytischen Plattform, die mit den operativen Elementen wie dem Verkehrsrechner verknüpft wird und alle verkehrsrelevanten Daten in der Hansestadt zentral zusammenführt und verarbeitet. Dieses innovative Datenmanagement schafft nicht nur fundierte Grundlagen für zukünftige Verkehrsplanungen, sondern ermöglicht auch die Berechnung und Vorhersage des Verkehrsaufkommens – sei es zum Beispiel bei Großveranstaltungen in der Hansestadt oder bei den regelmäßigen Öffnungen der Eric-Warburg-Brücke. Durch präzise Vorhersagen können Ampelschaltungen noch passgenauer an das tatsächliche Verkehrsaufkommen angepasst und den Bürgerinnen und Bürgern entsprechende Hinweise gegeben werden, zum Beispiel bestimmte Bereiche zu umfahren.
Ergänzt wird dieses System durch den Aufbau eines flächendeckenden Sensornetzes, welches Informationen zur Verkehrsmenge und –zusammensetzung sowie zur Routenwahl liefert. Diese Daten helfen dabei, die Verkehrsströme in der Stadt besser zu verstehen. Dadurch wird die Hansestadt Lübeck in die Lage versetzt, die Mobilität für die Zukunft zu planen und zielführende Maßnahmen umzusetzen. Außerdem wird es möglich sein, den Einfluss des Verkehrsmanagements auch im Hinblick auf beispielsweise Klima- und Lärmschutz zu bewerten und bei Bedarf zielgerichtete Maßnahmen abzuleiten.
Praxisnahe Erprobung in Reallaboren
Die im Projekt neu geschaffenen Möglichkeiten sollen auf drei Teststrecken – den sogenannten Reallaboren erprobt werden. Dafür wurden drei zusammenhängende Strecken mit verschiedenen Herausforderungen an den Verkehr ausgesucht.
In der Fackenburger Allee soll der Verkehr durch eine optimierte „Grüne Welle“ verstetigt werden. Ein Ampelphasenassistent soll als Unterstützung in 2026 zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich um eine App die Rad- und Autofahrenden, sowie den Bussen frühzeitige Informationen zur verbleibenden Zeit bis zur nächsten Grünphase liefert. Außerdem wird angegeben bei welcher Durchschnittsgeschwindigkeit die Straße ohne Stopps passiert werden kann wodurch eine umweltfreundlichere Fahrweise ermöglicht wird.
In der Straße Bei der Lohmühle gibt es eine hohe Schwerverkehrsbelastung. Hier soll durch die Erfassung des Anteils der unterschiedlichen Verkehrsarten eine verkehrsabhängige Optimierung der Programme der Lichtsignalanlagen erfolgen.
Im dritten Reallabor werden die Auswirkungen der Öffnungen der Eric-Warburg-Brücke auf den Verkehr untersucht, um Strategien zu entwickeln und zu testen wie die Wartezeiten und der Stau verkürzt werden können und Verkehrsteilnehmer früher über bevorstehende Öffnungen informiert werden.
Langfristig ist eine sukzessive Ausweitung der genannten Beispiele auf das gesamte Stadtgebiet vorgesehen. In einem Simulationsnetz, welches alle drei Reallabore umfasst, können die Optimierungen der Signalsteuerungen für den Verkehr umfangreich getestet und die Auswirkungen visualisiert werden.
Das Projekt VIAA hat ein Budget von rund 5 Mio. €, wovon 65 Prozent durch das Bundesministerium für Verkehr (ehemals Bundesministerium für Digitales und Verkehr) gefördert wird. Innerhalb der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit sollen bis Sommer 2026 die Grundlagen für ein modernes, digitales Verkehrsmanagementsystem und die ersten Maßnahmen erfolgreich in der Praxis umgesetzt werden.
Ein bedeutender Schritt in Richtung Smart City
Mit VIAA setzt die Hansestadt Lübeck neue Maßstäbe im digitalen Verkehrsmanagement und geht damit einen wichtigen Schritt in Richtung Smart City. Durch die Kombination aus moderner Technologie, datenbasierter Analyse und praxisnahen Testfeldern wird eine flexible, nachhaltige und zukunftssichere Verkehrssteuerung ermöglicht. Lübeck demonstriert damit, wie traditionelle Städte durch innovative Ansätze und digitale Vernetzung den Weg in eine smartere, lebenswertere Zukunft ebnen können.
Dies ist ein entscheidender Baustein für die Smart City (Region) Lübeck, mit der mehr Lebensqualität durch intelligente Vernetzung geschaffen werden soll. Ziel ist es, die Hansestadt und die Region durch smarte Lösungen lebenswerter, inklusiver, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger zu machen. Dabei stellt die Hansestadt den Menschen in den Mittelpunkt.
Was passiert zurzeit im Projekt?
Seit Mitte November werden die ersten Kreuzungen mit innovativen Sensoren zur datenschutzkonformen Messung der Reisezeit ausgestattet. Zukünftig werden die Reisezeiten der Fahrzeuge auf den Strecken zwischen insgesamt 30 Sensorstandorten ermittelt, um ein aktuelles Bild der Verkehrslage zu erhalten. Dadurch wird es möglich, auch auf unerwartete Ereignisse zu reagieren, aber auch zukünftige Planungen zu verbessern.
Hierfür werden keine individuellen Reisezeiten einzelner Verkehrsteilnehmenden, sondern zusammengefasste Durchschnittswerte entlang definierter Strecken bestimmt. Diese Methode ermöglicht zusätzlich zu den Reisezeiten des motorisierten Verkehrs auch die der Fahrradfahrenden zu ermitteln.
Mit VIAA setzt Lübeck auf einen hochmodernen, echtzeitfähigen Verkehrsrechner an den bereits die ersten 30 Lichtsignalanlagen angeschlossen wurden. Der neue Verkehrsrechner bildet das Herzstück der operativen Steuerung: Er verknüpft die Daten aus Sensoren und Detektoren, koordiniert Signalanlagen und ermöglicht eine zentrale Steuerung. So können Signalprogramme künftig flexibel an die aktuelle Verkehrslage angepasst und Störungen schneller behoben werden.
Die Software für diesen Verkehrsrechner wird derzeit konfiguriert. Bis zum Ende des Förderzeitraums sollen die 80 wichtigsten Anlagen im Stadtgebiet integriert sein. Dafür werden ältere Signalanlagen technisch ertüchtigt, sodass eine Echtzeit-Kommunikation zwischen Ampeln und Verkehrsrechner möglich ist.
Im Zuge dieser Arbeiten erfolgt auch eine Umrüstung auf moderne LED-Technik, die weniger Energie verbraucht, langlebiger ist und die Sichtbarkeit für Verkehrsteilnehmende verbessert – ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit.
Parallel dazu entsteht eine analytische Datenplattform, die künftig alle verkehrsrelevanten Daten zentral zusammenführt. Diese Daten bilden die Grundlage, um langfristig gezielte Strategien zur Verkehrslenkung und besseren Verkehrsplanung zu entwickeln – ein weiterer Schritt hin zu einer intelligent gesteuerten Stadt.
Außerdem werden optische Sensoren zur Erfassung des Modal Splits (Verkehrsmittelwahl der Verkehrsteilnehmer) und der Verkehrsbeziehungen an ausgewählten Kreuzungen im Stadtgebiet angebracht. Dadurch wird die Stadtverwaltung erstmalig in die Lage versetzt Verkehrszusammenhänge besser nachvollziehen und verstehen zu können, was Planungen, sowohl z.B. für stadtplanerische Projekte als auch Baustellen, deutlich verbessert.