Die Dendrochronologie erforscht anhand von Jahrringanalysen das Alter von historischem Holz und kann Hinweise auf dessen Herkunft und sogar vergangene Klimaverhältnisse geben. In den alten Dachstühlen und den Balken der historischen Häuser der Hansestadt Lübeck aber auch in denen, die im Landgebiet zwischen Brodten und Beidendorf stehen, warten unzählige Gebinde, Wände, Decken und Dächer auf Sanierungen und konkrete denkmalpflegerische Bewertung. Um diese fortan dauerhaft zu gewährleisten und die erhobenen Daten sowohl für die Forschung, als auch für die Öffentlichkeit bereit zu stellen, wurde unter Federführung des Bereichs Archäologie und Denkmalpflege ein Projekt zur Dendrochronologie für Norddeutschland ins Leben gerufen.
"Das Projekt ist ein bedeutender Schritt für den Erhalt unseres kulturellen Erbes. Die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen und die Einbindung junger Menschen zeigen unser Engagement für den Schutz historischer Bauten und die Förderung der Forschung. Wir sind stolz darauf, einen Beitrag zur Datenvergleichbarkeit und zur Stärkung des Bewusstseins für unsere reiche Geschichte zu leisten", erklärt Kultursenatorin Monika Frank.
„Ein so wichtiges und bereits international viel beachtetes Projekt nach Lübeck zu holen, ist eine großartige Entwicklung, eine einzigartige Kooperation aus Denkmalpflege und Archäologie und beinhaltet ein enormes Potential – nicht nur für den Wissensstandort Lübeck, sondern für ganz Norddeutschland“, sagt Dr. Dirk Rieger, Bereichsleiter Archäologie und Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck.
Der Clou dabei ist, dass sowohl die Landesämter Schleswig-Holstein sowie die Denkmalschutzbehörden der Hansestädte Hamburg und Lübeck in den Belangen der Archäologie und Denkmalpflege nachhaltig und synergetisch kooperieren und eine gemeinsame Forschungsstelle Dendrochronologie geschaffen haben. Die Stelle kooperiert mit dem Deutschen Archäologischen Institut (Berlin) und ist im Fachbereich Bauwesen der Technischen Hochschule Lübeck bei der Materialprüfanstalt Schleswig-Holstein (MPA SH) angegliedert. In Person führt hier Daniel Balanzategui - ein ausgewiesener Experte für die Bestimmung des Alters von Holz - die Untersuchung, Datierung und Archivierung der Proben, die Digitalisierung der Ergebnisse, die Vorhaltung und Nachbereitung der erhobenen Daten sowie die Bereitstellung der Analysen und Resultate für die Forschung wie die Öffentlichkeit durch.
„Der Standort der Technischen Hochschule Lübeck und die Anbindung des Projektes an die MPA ist eine ausgezeichnete Wahl – hier treffen jahrzehntelange Expertise und moderne Forschung zusammen und bilden den Boden für ein zukunftsorientiertes Miteinander aller beteiligter Institutionen“, sagt Prof.Dr.-Ing.Günther Schall, stellvertretender Leiter der MPA an der TH Lübeck.
Und noch ein Aspekt beflügelt das Projekt. Mit der Lübecker Jugendbauhütte wurde eine Partnerin gefunden, die die Probenentnahme in Zusammenarbeit mit den institutionellen Fachleuten durchführt und somit ein Bindeglied zwischen behördlichen und privaten Belangen schließt. Der große Benefit für die Hansestadt Lübeck, die Bevölkerung und die Forschung liegt in der transparenten Datenvergleichbarkeit im überregionalen Kontext sowie in der Bedeutungssteigerung historischer Gefüge und Bautechniken. Bürgernähe, die Einbeziehung junger Menschen, Forschung und behördliches Hand-in-Hand-Arbeiten wurden in dieser Konstellation bisher noch nicht durchgeführt und stehen daher für ein einmaliges Projekt, das begeistert.
„Junge Menschen direkt mit alten Bautechniken und der Notwendigkeit des Erhalts und der Erforschung in Verbindung zu bringen, ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung zukünftiger Denkmalsensibilisierung“, sagt Dr. Ivalu Vesely, Leiterin der Jugendbauhütte Lübeck.
Die Ausbaumöglichkeiten des Projektes für die Zukunft sind enorm. So ergeben sich ganz neue Chancen für die historische Gefügeforschung: Neue Ergebnisse ergänzen die Hochschullehre von Architektur, Stadtbildpflege, Stadtplanung und Energieberatung, die besonders an historischen Standorten wie Altstädten, Dorfkernen oder auch Herrenhäusern aktueller denn je ist. Alle Zweige der Wissenschaft um historische Gebäude profitieren von diesem Projekt und können in Zukunft integriert und ausgebaut werden. Damit kommt das Projekt auch den Hausbesitzer:innen und der in Lübeck arbeitenden Architekt:innen zugute, die sich ebenfalls hingabevoll um die Erhaltung und die Arbeiten mit und in historischen Denkmalen bemühen. Diese besonderen Aspekte sind von hohem öffentlichem Interesse und können für Lübeck über das digitale Kulturwerk mit Daten und Bildern für alle bereitgestellt werden. +++