Um die weitere Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein in Abstimmung mit den Kommunalen Landesverbänden und Gesundheitsbehörden die Kreise und kreisfreien Städte gestern angewiesen, landesweit entsprechende gleichlautende Allgemeinverfügungen zu kontaktreduzierenden Maßnahmen in besonders relevanten Einrichtungen zu erlassen.
Die Hansestadt Lübeck hat daraufhin eine Allgemeinverfügung Reiserückkehrer erlassen, die am 11. März 2020 in Kraft tritt.
Darin wird für das Gebiet der Hansestadt Lübeck geregelt, dass Personen, die sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet oder einem besonders betroffenen Gebiet aufgehalten haben, für einen Zeitraum von 14 Tagen seit ihrer Rückkehr bestimmte Einrichtungen wie Kindertageseinrichtungen, Schulen, Krankenhäuser und Altenpflegeheime nicht betreten dürfen.
Die Allgemeinverfügung der Hansestadt Lübeck für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und besonders von der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 betroffenen Gebieten zur Beschränkung des Besuchs von Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen und stationären Einrichtungen der Pflege- und Eingliederungshilfe im Wortlaut:
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile eine Reihe von Fällen, meist in Verbindung mit Reisen in Risikogebiete und aus besonders betroffenen Regionen. Die Erkrankung COVID-19 verläuft in den meisten Fällen als grippaler Infekt und ist von einem Schnupfen oder einer echten Grippe (Influenza) klinisch nicht zu unterscheiden.
Gemäß § 28 Absatz 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 106 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG –) wird folgende Allgemeinverfügung erlassen:
1. Personen, die sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet oder einem besonders betroffenen Gebiet entsprechend der jeweils aktuellen Festlegung durch das Robert Koch-Institut (RKI) aufgehalten haben, dürfen für einen Zeitraum von 14 Tagen seit Rückkehr aus dem Risikogebiet oder des besonders betroffenen Gebiets folgende Einrichtungen nicht betreten:
a) Einrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 4 IfSG (Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte, erlaubnispflichtige Kindertagespflegestellen, Schulen und Heime, in denen überwiegende minderjährige Personen betreut werden) sowie betriebserlaubte Einrichtungen nach § 45 SGB VIII (stationäre Erziehungshilfe),
b) Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Nr. 1 und Nr. 3 bis 5 IfSG (Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, ausgenommen von dem Betretungsverbot sind behandlungsbedürftige Personen;
c) stationäre Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe nach dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG), ausgenommen von dem Betretungsverbot sind behandlungsbedürftige Personen, und
d) Berufsschulen und Hochschulen.
Ausreichend ist, dass die entsprechende Festlegung der Gebiete durch das RKI innerhalb der 14-Tages-Frist erfolgt.
Die Risikogebiete und besonders betroffene Gebiete sind unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.htmltagesaktuell abrufbar.
Als Aufenthalt nach Satz 1 gilt nicht ein nur kurzzeitiger Kontakt zum Beispiel im Rahmen eines Tankvorgangs, einer üblichen Kaffeepause oder eines Toilettengangs.
2. Wenn eine nach Ziffer 1 verpflichtete Person minderjährig ist, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person treffende Verpflichtung zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft Betreuerinnen oder Betreuer einer von der Verpflichtung nach Ziffer 1 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu deren Aufgabenkreis gehört. Sie sind unter Berücksichtigung der Voraussetzungen in Ziffer 1 verpflichtet, keine Betreuungsangebote von Kindertageseinrichtung, Kindertagespflegestelle oder Heimen in Anspruch zu nehmen.
3. Erhalten die Träger oder die mit den Leitungsaufgaben in den jeweiligen Einrichtungen beauftragten Personen der in Ziffer 1 benannten Einrichtungen Kenntnis davon, dass die Voraussetzung nach Ziffer 1 vorliegt, dürfen die betreffenden Personen für einen Zeitraum von 14 Tagen seit Rückkehr aus dem Risikogebiet oder des besonders betroffenen Gebiets nicht betreut oder beschäftigt werden.
4. Die Anordnung tritt am auf die Bekanntmachung folgenden Tag in Kraft. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung.
5. Auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG wird hingewiesen.
Begründung
Zu Ziffer 1: Für Reiserückkehrer aus Risikogebieten oder von der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 besonders betroffenen Gebieten wird für den durch die Inkubationszeit definierten Zeitraum von 14 Tagen nach Ankunft aus einem der fraglichen Gebiete ein Verbot zum Betreten der in den Buchstabgen a) bis d) definierten Einrichtungen verboten. Die Maßnahme dient dazu, die Ausbreitung des neuen Erregers einzudämmen sowie den Schutz vulnerabler Personengruppen sicherzustellen. Darüber hinaus tragen die Maßnahmen für die erfassten medizinischen Einrichtungen auch zur Aufrechterhaltung der Versorgungskapazitäten bei.
Zu Buchstabe a) Nach den bisherigen Erkenntnissen erkranken Kinder nicht schwer an COVID-19. Sie können aber ebenso wie Erwachsene, ohne Symptome zu zeigen, Überträger des Coronavirus SARS-CoV-2 sein. Kinder und Jugendliche sind zugleich besonders schutzbedürftig. Dabei ist die Übertragungsgefahr bei Kindern besonders hoch, weil kindliches Spiel in den frühkindlichen Einrichtungen regelmäßig einen spontanen engen körperlichen Kontakt der Kinder untereinander mit sich bringt. Das Einhalten disziplinierter Hygieneetiketten ist zudem abhängig vom Alter und der Möglichkeit zur Übernahme von (Eigen-)Verantwortung und bedarf daher bei Kindern noch einer entwicklungsangemessenen Unterstützung durch Erwachsene. Diese Unterstützung kann in den Einrichtungen mit einer Vielzahl an betreuten Kindern seitens der Aufsichtspersonen nicht immer ununterbrochen sichergestellt werden. Vielmehr sehen die Räume in den Einrichtungen in aller Regel Rückzugsmöglichkeiten vor. Daher kann schon räumlich eine lückenlose Überwachung nicht immer gewährleistet werden. Damit steigt die Gefahr, dass sich Infektionen innerhalb der Einrichtung verbreiten und diese nach Hause in die Familien getragen werden. Aus diesen Gründen ist nach Abwägung aller Umstände eine allgemeingültige Anordnung erforderlich, um die Verbreitung der Infektion in Gemeinschaftseinrichtungen, in denen überwiegend minderjährige betreut werden, zu unterbinden. Diese Anordnung betrifft die Kindertagespflege auch dann, wenn nur ein Kind betreut wird. Denn auch dann ist eine Übertragung auf weitere Kinder nicht ausgeschlossen.
Zu Buchstabe b) In den stationären medizinischen Einrichtungen werden vielfach Personen betreut, die durch eine Infektion mit dem neuen Erreger in besonders schwerer Weise gesundheitlich gefährdet wären. Zum Schutz dieser besonders vulnerablen Personengruppen stellt die Beschränkung des Zugangs für Reiserückkehrern aus Risikogebieten oder besonders betroffenen Gebieten eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme dar. Neben der Vermeidung von Einträgen des Erregers wird auch die medizinische Versorgung unterstützt. Die Erkrankung des betreuenden und medizinischen Personals wird verringert.
Zu Buchstabe c) Hier gelten entsprechend die Überlegungen wie zu Buchstabe b).
Zu Buchstabe d) Viele Studierende sowie Beschäftigte in Hochschulen weisen eine überdurchschnittliche Reisetätigkeit auf. Dies umfasst insbesondere auch Aufenthalte in Risiko- oder besonders betroffenen Gebieten.
Risikogebiete und besonders betroffene Gebiete sind Gebiete, in denen eine fortgesetzte Übertragung von Mensch zu Mensch vermutet werden kann. Um dies festzulegen, verwendet das RKI verschiedene Indikatoren (u.a. Erkrankungshäufigkeit, Dynamik der Fallzahlen). In den durch das RKI festgestellten Risikogebieten und besonders betroffenen Gebieten besteht eine allgemein wesentlich erhöhte Infektionsgefahr, sodass Personen, die sich dort aufhielten, als ansteckungsverdächtig anzusehen sind. Es ist auf die aktuelle Einstufung abzustellen. Es kommt nicht darauf an, dass diese Einschätzung bereits zum Zeitpunkt des Aufenthalts im Sinne der Ziffer 1 in dem Gebiet vom RKI festgestellt wurde.
Der Ansteckungsverdacht besteht, wenn die Person dort mindestens einen 15-minütigen Kontakt zu einer anderen Person im Abstand von weniger als 75 cm hatte. Dieses Kriterium grenzt deshalb den Aufenthalt von der bloßen Durchreise ab.
Kein Aufenthalt im Sinne der Ziffer 1 dieser Verfügung wird in der Regel bei einem bloßen Toilettengang, einem Tankvorgang oder einer üblichen Kaffeepause gegeben sein.
Zu Ziffer 2: Entsprechend Ziffer 1 dürfen die Personensorgeberechtigten die betreffenden Kinder nicht in die Einrichtungen bringen und das Recht auf Betreuung gegenüber dem Träger oder der Tagespflegeperson geltend machen. Der Rechtsanspruch auf Betreuung nach § 24 SGB VIII ist insoweit eingeschränkt.
Zu Ziffer 3: Es ist ausdrücklich keine Aufgabe der Träger bzw. des eingesetzten Personals bzw. der Tagespflegeperson, gezielt durch Nachfragen zu erforschen, ob Kinder sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben. Nur dann, wenn eine positive Kenntnis darüber besteht, dürfen diese Schülerinnen und Schüler sowie Kinder nicht mehr betreut werden.
Zu Ziffer 4: Die Anordnung tritt am auf die Bekanntgabe folgenden Tag in Kraft (§ 110 Abs. 4 S. 4 LVwG) . Sie ist öffentlich bekannt zu gegeben, da eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist ( § 110 Abs. 3 S. 2 LVwG) . Sie ist nicht befristet. Bei entsprechender erneuter Risikoeinschätzung wird die Allgemeinverfügung aufgehoben.
Die Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar.
Zu Ziffer 5: Die Bußgeldbewehrung der Maßnahme bis zu 25.000 Euro folgt aus § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG.
Die Anordnung stellt eine Maßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gemäß § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung.
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck, vertreten durch den Bürgermeister, Bereich Gesundheitsamt, Sophienstraße 2-8, 23560 Lübeck einzulegen oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz an info@luebeck.de-mail.de erhoben werden. +++