Die Welt ist in Aufruhr: Ein polarisierender Wahlkampf in den USA, aus dem ein verurteilter Straftäter als Sieger hervorgeht; eine gescheiterte Ampel-Koalition in Deutschland, nach dessen Ende sich die demokratischen Parteien um den richtigen Termin für Neuwahlen streiten; eine zerstrittene EU, in der die rechtskonservativen Bestrebungen immer weiter die Oberhand gewinnen. Und nicht zu vergessen: eine Ukraine, die vor dem dritten Kriegswinter steht und ein Nahostkonflikt, der sich zu einem Flächenbrand in der Region ausgebreitet hat, für den keine Lösung in Aussicht steht.
Es scheint beinah so, als habe sich das berühmte Kapitel “Die große Gereiztheit” aus Thomas Manns Roman Der Zauberberg, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Erscheinen feiert, in den gegenwärtigen Konflikten weltweit in Realität verwandelt. Am 21. November 2024 diskutieren genau diese Themen bei der großen Auftaktveranstaltung des neuen Veranstaltungsformats Zeitsprünge – Standpunkte die ZDF Journalistin Nicole Diekmann, der Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen und der renommierte Literaturwissenschaftler Prof. Heinrich Detering.
Wie die beiden Romanfiguren Ludovico Settembrini und Leo Naphta sich immer verbissener und unversöhnlicher bis zum Duell in ihren Positionen gegenüberstehen, so ist auch heute die sprachliche Verrohung der öffentlichen Auseinandersetzung zu beklagen – beinahe gleichgültig, um welches Thema es geht. Dass die Schärfe der Debatte immer häufiger zu physischer Bedrohung oder Gewalt führt, dass Angriffe auf Repräsentant:innen des Staates zunehmen, während zugleich das Gespräch mit politischen Vertreter:innen verweigert wird, sind Zeichen einer “kriselnden Gereiztheit”, wie es im Zauberberg heißt. “Eine allgemeine Neigung zu giftigem Wortwechsel, zu Wutausbruch, ja zum Handgemenge” – das kennzeichnet den literarischen Vorabend des Ersten Weltkriegs ebenso wie unsere Gegenwart.
Der Zauberberg wird zum Anlass des Gesprächs, welches die Expert:innen auf dem Podium führen. Nicole Diekmann, die bereits als Korrespondentin aus vielen Kriegs- und Kriesengebieten berichtet hat, hat sich mit dem Beststeller “Die Shitstorm-Republik” als profunde Expertin für die Gefahr von Hassrede in den Sozialen Medien, die im Realen zu Gewalt und Mord führt, bewiesen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat Bernhard Pörksen immer wieder Wege aus der kollektiven Ereiferung aufgezeigt – unter anderem mit dem Buch “Die Kunst des Miteinander-Redens”. In seiner Moderation wird Heinrich Detering Literatur und Diskurs zusammenführen: Der Leibniz-Preisträger ist nicht nur einer der versiertesten Thomas Mann-Forscher seiner Generation, sondern hat sich wissenschaftlich intensiv mit den Sprechweisen der parlamentarischen Rechten beschäftigt.
Wie aktuell Der Zauberberg noch immer ist, welche Kontinuitäten festzustellen sind oder ob der Vergleich mit der Zeitenwende des Ersten Weltkriegs und den Krisen der Gegenwart hinkt, wird das Gespräch ausloten.
Mit dem neuen Format Zeitsprünge-Standpunkte wollen die drei Vereine, der Förderverein Buddenbrookhaus, die Heinrich-Mann-Gesellschaft und die Deutsche Thomas Mann-Gesellschaft gemeinsam mit dem Buddenbrookhaus literarische Texte der Familie Mann mit aktuellen Debatten der Gegenwart verknüpfen.
Der Einlass ist ab 18 Uhr, um 19 Uhr beginnt die Veranstaltung. Vor und nach der Podiumsdiskussion besteht die Möglichkeit sich bei einem Glas Wein oder Wasser und Fingerfood über die Arbeit der drei Vereine zu informieren und ins Gespräch zu kommen. Eröffnet wird die Veranstaltung mit einem Grußwort von Stadtpräsident Henning Schumann, Auszüge aus dem Roman liest der Schauspieler Michael Fuchs (Theater Lübeck).
Veranstaltungsort:
Aula, Katharineum zu Lübeck Königstraße 27-31, 23552 Lübeck
Eintritt frei, um Anmeldung wird gebeten: https://buddenbrookhaus.de/veranstaltung
Weitere Informationen unter:
https://foerderverein-buddenbrookhaus.de/
https://heinrich-mann-gesellschaft.de/
https://www.thomas-mann-gesellschaft.de/
+++
Quelle: Die Lübecker Museen