Das Ausgleichsamt der Hansestadt Lübeck hat seine Tätigkeit zum Ende des Jahres 2021 eingestellt. Die wenigen noch verbliebenen Aufgaben nimmt seit Jahresanfang das Landesausgleichsamt beim Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein wahr. Damit geht auch ein Stück Geschichte der Hansestadt Lübeck zu Ende. „Hinter den Akten verbergen sich die Schicksale vieler Menschen und Familien, deren Lebenswege vom Krieg und der deutschen Teilung geprägt wurden“, betont Senator Sven Schindler. „Umso erfreulicher ist es heute, dass nach vielen Jahrzehnten der überwiegende Teil dieser Fälle geklärt werden konnte.“
Viele Jahre und Jahrzehnte war das Ausgleichsamt der Hansestadt Lübeck unter anderem neben vielen anderen Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen dafür zuständig, Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor Berlins festzustellen oder solche Schäden durch ein besonderes Beweisverfahren zu sichern, die Schadensbeträge zuzuerkennen und zur Auszahlung zu bringen. Grundlage hierfür war das Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) von 1965 und das Lastenausgleichsgesetz (LAG) von 1952. Gemeint waren Schäden in der damaligen DDR. Dabei handelte es sich überwiegend um Schäden an Grundvermögen, Landwirtschaft, Betriebsvermögen oder auch Kapitalvermögen (keine abschließende Aufzählung).
In Hochzeiten mit rund 150 Mitarbeiter:innen besetzt, gab es Ende der 80er Jahre kaum noch etwas zu tun im Ausgleichsamt. Es gab noch einige wenige und sehr komplizierte Fälle, über die es noch abschließend zu entscheiden galt, das Personal war größtenteils abgebaut worden. Ganz schließen konnte man das Ausgleichsamt trotzdem nicht, denn es galt Kriegsschadenrente und andere Entschädigungszahlungen zu leisten. Mit der Wende 1990 änderte sich das Arbeitsaufkommen dann allerdings schlagartig, denn jetzt galt es die Rückübertragung des Vermögens aus DDR-Zeiten an die ehemaligen Eigentümer oder deren Erben zu regeln. Ein aufwendiges und kompliziertes Verfahren. Allein in Schleswig-Holstein wurden im Laufe der Jahre rund 16.000 Akten und rund 10.000 Rückforderungsfälle von drei Ausgleichämtern bearbeitet.
Aus 15 wurden drei Ausgleichsämter in Schleswig-Holstein
Zunächst der Lastenausgleich für Menschen, die infolge des Zweiten Weltkrieges ihr Hab und Gut durch Flucht, Vertreibung und Ausbombung verloren hatten. Dann die Wiedervereinigung und der Zerfall des ehemaligen Ostblocks, mit der Folge, dass viele Immobilien wieder an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden konnten. Entschädigungen, die zuvor im Rahmen des Lastenausgleichs gezahlt worden waren, wurden nun vom Ausgleichsamt wieder zurückgefordert.
Aufgrund der aufwendigen Ermittlungen und umfangreichen Berechnungen entwickelte sich das Verfahren der Rückerstattung zu einem speziellen Rechtsgebiet. Im März 1994 schlossen sich deshalb die Kreise Ostholstein, Stormarn und Herzogtum Laubenburg mit Lübeck zusammen, und übertrugen diese Aufgaben gegen Kostenbeteiligung mit Wirkung auf das Ausgleichsamt der Hansestadt Lübeck für die Region Süd Schleswig-Holstein. Andere Kommunen folgten diesem Beispiel, so dass von ehemals 15 Ausgleichsverwaltungen im Land Schleswig-Holstein nur noch drei Ausgleichsämter agierten. Die Personalressourcen in Lübeck wurden entsprechend aufgestockt, um eine fristgerechte Abarbeitung der Anträge zu gewährleisten.
Im Laufe der Jahre wurde die Anzahl der durchzuführenden Rückforderungen weniger, der Abschluss absehbar, so dass die Personalstärke sukzessive abgebaut wurde. 2012 wurde das bis dato eigenständige Ausgleichsamt aufgelöst und die Restaufgaben in die Zuständigkeit des Bereichs Soziale Sicherung übergeben. In den letzten Jahren gab es immer weniger noch offene Fälle, ein Teil der Aufgaben wurde an das Land beziehungsweise den Bund übertragen, so dass die nur noch zwei MitarbeiterInnen des Ausgleichsamtes die Restaufgaben wahrnahmen.
Die letzte Abrechnung mit den beteiligten Kreisen erfolgte für das Jahr 2017, aufgrund der Geringfügigkeit der noch wahrzunehmenden Aufgaben wurde aus Wirtschaftlichkeit auf weitere Abrechnungen verzichtet. Neben noch einigen rein aufzubewahrenden Altfällen gab es diesen Herbst, nach rund 27 Jahren, noch eine letzte Ratenzahlung als Folge einer Rückforderung zu verbuchen. +++