Es wurde 2013 während der archäologischen Ausgrabungen in der Alfstraße unter einer hochmittelalterlichen Brunnenanlage entdeckt: Das Kammrad aus dem 12. Jahrhundert, ein erstaunliches Zeugnis der mittelalterlichen Technikgeschichte. Das Zahnrad war Teil der tiefliegenden Fundamentierung und erst nicht zu erkennen. Inzwischen konnte das Eichenrad Dank der Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung vollständig konserviert werden.
Das aufwendig aus mehreren Teilen und sehr akkurat gezimmerte Kammrad war ursprünglich vermutlich Teil einer Getriebeübersetzung eines Krans oder einer Mühle. Es wurde im Gründungsviertel zweitverwendet als Fundamentierung und gleichzeitig als Schablone für einen Brunnenschacht eingesetzt. Das schwere Eichenrad hat einen äußeren Durchmesser von 2,4 Metern und wiegt rund eine Viertel Tonne. Es wurde daher gezielt in die tiefe Baugrube abgelassen, um anschließend auf seiner Kreisform den Schacht aus Findlingen besser und sauber setzen zu können.
Kammräder sind generell hervorragende Beispiele für die Handwerksfertigkeit und Ingenieurskunst der damaligen Zeit. Sie sind technikgeschichtlich bedeutsam, zählen sie doch zu den ältesten großen, archäologischen Funden, die Technik erlebbar machen. Es wird folglich bereits daran gearbeitet, das Objekt auszustellen und in einen didaktischen Rahmen zu setzen. Archäologische Großobjekte eignen sich für eine Präsentation besonders gut, vor allem, wenn wie in Lübeck, demnächst noch ein zweites Kammrad zur Verfügung steht. Dies wurde im letzten Sommer entdeckt und befindet sich zurzeit ebenfalls in der Restaurierung. Nach dessen Fertigstellung wird die über 800 Jahre alte Getriebetechnik noch anschaulicher zu bestaunen sein – greifen doch dann die Zahnräder im wahrsten Sinne des Wortes ineinander.
Die Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglichte die umfangreiche Konservierung: „Am 18. März 2020, noch vor der offiziellen Ausrufung des Pandemiefalls, wurde die neue Corona-Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung gestartet. Sie zielte schnell und unbürokratisch auf freiberufliche Restauratoren und Wissenschaftler in den Museen, die dort wichtige Aufgaben erledigen und hohe Fachkompetenzen einbringen. Inzwischen haben wir als Stiftung über zwei Millionen Euro ausgeschüttet, über 200 Projekte und damit noch mehr Freiberufler unterstützt. Die Konservierung des außergewöhnlichen Kammrades ist ein absolut sinnvolles und charakteristisches Projekt des Programms, das einem Museumsexponat, dem freiberuflichen Restaurator Ralf Riens und den Besuchern gleichermaßen nützt", freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung. +++