Die drei Kunsthandwerker mit Familiennamen ‘Hering‘ und wohl aus Lübeck stammend, schufen zwischen 1695 und 1736 Kästchen und Dosen als Liebesgaben, Andachtstafeln, Spielbretter und Kabinettschränkchen, die alle mit figürlichen Dekorationen aus gefärbten und polierten Strohhalmen belegt sind. Ihre Preziosen sind in Museen bis hin zum Victoria & Albert-Museum in London zu finden ebenso wie in den musealen Präsentationen der fürstlichen Kunstkammern von Hessen-Kassel, Braunschweig und Hannover. Das Aufkommen von Heringschen Kunstkammerstücken mit Strohmarketerie im jeweiligen höfischen Umfeld ist so auffallend, dass die drei Meister nach ihren Lübecker Anfängen geradezu als europäische Hoflieferanten gelten könnten.
Aus gefärbten, zugeschnittenen Strohhalmen zusammengesetzte Szenen und Ornamente zieren alle Flächen dieser Spielschatulle. Sie birgt in ihrem Innern vier Schachteln zur Aufbewahrung von Spielmarken in Form von verschieden großen Fischen aus Perlmutt zum Einsatz beim Kartenspiel ‚Jeu à la Quadrille‘, also Whist mit vier Spielern.
Auf der Schauseite der Schatulle musizieren vor einem prächtigen Bau vier höfisch gekleidete Figuren, die Deckelinnenseite zeigt ein Jägerpaar in einer Flusslandschaft. Auf den Schachteldeckeln sind ein tanzender Lautenspieler, zwei netzeinholende Fischer, eine Sitzende mit flammendem Herzen und die Glücksgöttin Fortuna gestaltet.
Alle sechs Bilder lassen sich dem Thema des Spiels zuordnen und unterstützen somit visuell und inhaltlich die Funktion der luxuriösen Spielschatulle. Sie sind entweder als Warnungen vor den Tücken des Spiels zu deuten oder als Hinweise auf Tugenden, die ein Spieler mitbringen sollte, wenn er sich auf das wankelmütige Spielglück einlässt.
Zusammen mit dem Kabinettschrank von Carl Hinrich Hering, 1712, der als Leihgabe des Vereins der Freunde der Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck im Ledertapetenzimmer des Museums der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich ist, ergänzt diese Schenkung der Elfriede Dräger-Gedächtnis-Stiftung die Lübecker Sammlung von StrohmarketerieObjekten auf das Glücklichste. Museumsleiterin Dagmar Täube und Kuratorin Bettina Zöller-Stock freuen sich: Nun kann vom St. Annen-Museum mit Recht behauptet werden, dass dort die höchste Anzahl von Strohmarketerie-Objekten aus der Familie der Herings versammelt ist. Von inzwischen rund 40 bekannten Stücken weltweit besitzt das St. Annen-Museum neun signierte, zwei den Herings stilistisch eindeutig zuzuschreibende und vier aus dem unmittelbaren Lübecker Umkreis der Hering-Werkstatt.
Die neuesten Forschungsergebnisse finden sich in der Publikation „Stroh, kostbar wie Gold“, hrsg. Bettina Zöller-Stock, Lübeck 2017, 144 Seiten mit 193 farbigen Abbildungen, 8 EURO, erhältlich an der Museumskasse oder auf Bestellung bei kerstin.lindner@luebeck.de .
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