Bei dem Lübecker Konkordienbuch handelt es sich um ein einmaliges Zeugnis Schleswig-Holsteinischer Kirchengeschichte, das nur mit viel Glück den Brand in der Bombennacht Palmarum 1942 überstanden hat. Anlässlich des Reformationsjahres ist es nun frisch restauriert und ausnahmsweise für kurze Zeit in der Ausstellung zu sehen. Dies ist durch die Kooperation zwischen Pröpstin Petra Kallies und dem St. Annen-Museum möglich geworden. „Ich bin sehr glücklich über diese wunderbare Kooperation. Auf diese Weise wissen wir ein zentrales Stück der Lübecker Reformation mitten in unserer Ausstellung.“, so Dr. Dagmar Täube, Leiterin des St. Annen-Museums und Kuratorin der Ausstellung. Das Lübecker Konkordienbuch wurde am heutigen Vormittag der Öffentlichkeit im Rahmen eines Pressetermins vorgestellt.
Als eine sehr frühe Ausgabe des Konkordienbuches, der vollständigen Sammlung der lutherischen Bekenntnisschriften, dokumentiert es den Prozess der Konfessionalisierung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im Allgemeinen und in Schleswig-Holstein im Besonderen. Es belegt, dass die Freie Reichsstadt Lübeck das Konkordienbuch einschließlich der Konkordienformel sehr früh als verbindliche Bekenntnisschrift angenommen hat. In der Propstei Hansestadt Lübeck ist die Anerkenntnis des Konkordienbuches durch die Pastorinnen und Pastoren bis heute verpflichtend. Es setzt sich aus einem gedruckten und handschriftlichen Teil zusammen, die später unter einem Einbanddeckel zusammengefasst worden sind. Der gedruckte Teil enthält die Konkordienformel in einem Druck von 1579. Es handelt sich um eines jener frühen Exemplare, die 1579 in Dresden von der Druckerei von Matthes Stöckel und Gymel Bergen hergestellt worden sind. Das Konkordienbuch in seiner endgültigen Form erschien erst am 25. Juni 1580 in Dresden.
Der besondere archivalische Wert des Konkordienbuches besteht in dem handschriftlichen Unterschriftenteil. Er dokumentiert alle Geistlichen der Hansestadt Lübeck von 1580 bis 1967 und der Leiter und Lehrer an verschiedenen Lübecker Schulen bis 1854. Darunter sind wichtige Lübecker Persönlichkeiten zu finden wie etwa Elisabeth Haseloff, die erste Frau in Deutschland als ev.-luth. Gemeindepastorin an St. Matthäi, und der Luther-Pastor Karl-Friedrich Stellbrink, einer der vier Lübecker Märtyrer. Das Konkordienbuch liefert damit nicht nur einen wertvollen und unersetzbaren Beitrag zur Landesgeschichte, sondern erinnert auch an zahlreiche Begebenheiten um diese Menschen. „Zwar unterschreiben die Lübecker Geistlichen heute nicht mehr in dem originalen Konkordienbuch, sondern in einem ergänzenden Band. Aber es hat nach wie vor einen hohen symbolischen Wert, sich in eine so lange und bedeutende Tradition einzureihen“, so Pröpstin Petra Kallies.
Darüber hinaus ist das Lübecker Konkordienbuch auf Grund des Brandschadens von 1942 ein wichtiger Zeitzeuge der jüngeren Geschichte: Das Konkordienbuch wurde in einem Regal in der Kapelle „Maria am Stegel“ neben der Marienkirche aufbewahrt. Als die Kirche in der Palmarumnacht in Brand geriet, wurde das Buch durch einen brennenden Gegenstand getroffen, wobei sich ein trichterförmiges Loch hineinbrannte. Lange Jahre war das Buch nur provisorisch gesichert worden. Nun erstrahlt es frisch restauriert für kurze Zeit in der Ausstellung, bevor es wieder hinter den Archivmauern aufbewahrt wird. Mit Unterstützung des Landes Schleswig-Holstein und des Landeskirchlichen Archivs der Nordkirche ist jede einzelne Seite aufwendig mit Japanpapier restauriert und ergänzt worden.
Auf diese Weise wird es zu einem Zeugnis, das sich besonders gut in die Ausstellung Zwischen den Zeilen einfügt. Die Werke der kanadisch-europäischen Künstlerin Alice Teichert sind vielfach von ihrer Beschäftigung mit alten Handschriften geprägt. Ihre graphischen Arbeiten und Malereien, die in der Ausstellung zu sehen sind, bezeugen diese Inspirationsquelle auf verschiedenartige Weise. Im Fokus steht dabei das intuitive Verstehen, das Erfassen von Botschaften jenseits des Entzifferbaren und Sichtbaren. „Es geht um die Verbindung von Altem und Neuem, in der Kunst wie im Reformationsjubiläum. Damit ist das Konkordienbuch, das von 1580 bis ins 20. Jahrhundert genutzt wurde und erst jüngst seine Restaurierung erfahren hat, genau an der richtigen Stelle“, so Dr. Dagmar Täube. +++