Eine Fülle von mittelalterlichen Funden sind bei Ausgrabungen in Lübecks Altstadt in den letzten Wochen ans Tageslicht gekommen. Sie stammen aus Untersuchungen des Baugrundes in der Beckergrube, wo ein Wohn- und Geschäftshauskomplex auf einer kriegsbedingten Freifläche entstehen soll.
Zurzeit finden Ausgrabungen auf der Hälfte der Fläche statt, die später eine Tiefgarage aufnehmen soll. Dabei traten bereits in 30 Zentimeter Tiefe Reste von spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Hofseitenflügel und anderer Nebengebäude zutage. Weiterhin fanden sich hölzerne Wasserleitungen, Zisternen, Kloaken, sowie eine Vielzahl eingegrabener Drainage-Fässer und anderer Entwässerungsanlagen.
Das Fundmaterial deckt sowohl zeitlich als auch materiell ein großes Spektrum ab: Neben qualitätsvollen Trinkgläsern, Alltags- und Schmuckgegenständen aus unterschiedlichen Materialien gibt es auch sogenannte Daubengefäße, das Alltagsgeschirr des Mittelalters, sowie eine Vielzahl weiterer Gebrauchsgegenstände. Textilreste, Teile von Schuhwerk und auch ganze Kinderschuhe sind ebenfalls im Fundgut vertreten.
Hintergrund: Seit Dezember 2008 sind Lübecks Archäologen dabei, die letzte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder bebaute Fläche im Herzen der Innenstadt archäologisch zu untersuchen: Die Freifläche in der Beckergrube liegt unweit des Mutterhauses der Firma Possehl.
Sie setzten damit zugleich den Startschuss für die geplante Neubebauung mehrerer seit der Bombardierung an Palmarum 1942 brach liegender Altstadtgrundstücke zwischen Fischergrube, Ellerbrook und Beckergrube. Die gesamte Fläche wurde aufgrund des im Boden konservierten historischen Erbes 1992 unter Denkmalschutz gestellt.
Die jetzt stattfindenden Ausgrabungen wurden mit den Investoren abgestimmt und werden von diesen finanziell unterstützt. Anfang Juli 2009 werden sie vereinbarungsgemäß zum Abschluss kommen. Geplant ist, auf der insgesamt 4000 Quadratmeter großen Fläche ein Wohn- und Geschäftshauskomplex mit einer in der Mitte positionierten Tiefgarage mit einer Parkfläche von 2000 Quadratmeter zu errichten.
Um die im Boden verbliebenen Zeugnisse der Lübischen Vergangenheit für die Nachwelt zu sichern, müssen diese vor ihrer endgültigen Zerstörung durch den Bagger systematisch freigelegt und fachgerecht dokumentiert werden. Gleiches gilt natürlich für das Fundmaterial, das im Zuge dieser Arbeiten ans Tageslicht gefördert wird.
Einige Randbereiche der Altstadt, wie auch der Nordwesten der Stadtinsel, gehörten bis ins 13. Jahrhundert hinein zum Niederungsgebiet der Trave und standen somit für eine Bebauung anfänglich nicht zur Verfügung. Um festen und weitgehend hochwassersicheren Baugrund zu erhalten, waren die alten Feuchtgebiete daher je nach Lage zwischen drei und neun Metern aufzufüllen. Um die zukünftigen Steinhäuser überhaupt tragen zu können, musste man gleichzeitig mit diesem Auffüllungsvorgang systematisch und flächendeckend hölzerne Substruktionen einbauen, die den zukünftigen Lasten standhalten würden.
Von diesen Holzeinbauten sind im Zuge der Ausgrabungsarbeiten jetzt Teile freigelegt worden. Auf dem Areal an der Beckergrube gibt es zudem die besondere Chance den Auffüllvorgang, der an anderer Stelle nur im Rahmen technisch aufwendiger Grabungen in Betonbrunnenringen „quasi schlüssellochartig“ dokumentiert werden konnte, in größerer Ausdehnung zu untersuchen. Deshalb kommt den Untersuchungen an dieser Stelle besondere siedlungsgeschichtliche Bedeutung zu. +++