Veröffentlicht am 20.03.2008

Experten fordern neuen Umgang mit der Musikausbildung

„Eine breite Spitze allein reicht nicht“ - Tolle Leistungen bei „Jugend Musiziert"

Musikalische Darbietungen und Fertigkeiten auf einem sehr hohen Level erlebten die Besucher des Landesmusikwettbewerbs „Jugend Musiziert", der am vergangenen Wochenende nach einer Unterbrechung von fünf Jahren wieder einmal in Lübeck stattfand. Was die 276 Jungmusiker in den verschiedenen Sälen der Musikhochschule an der Obertrave boten, war klassischer Musikgenuss vom Feinsten - und das bei freiem Eintritt!

Vielen der Teilnehmern, die sich bereits Ende Januar durch einen anstrengenden Regionalwettbewerb mit insgesamt 670 Teilnehmern kämpfen mussten, um sich für die Landes-Besten-Auslese in Lübeck zu qualifizieren, sind auf dem Weg zum Berufsmusiker und haben vielfach schon ein Niveau erreicht, das dem von Profis in nichts mehr nachsteht - außer im Lebensalter und der Lebenserfahrung. Insgesamt zehn hochkarätig besetzte Fachjurys gingen ausgesprochen kritisch und fordernd mit dem Nachwuchs um. Wer hier die Nerven behielt und eine Empfehlung zum Bundeswettbewerb in Saarbrücken (10. bis 17. Mai) erringen konnte, wird die Schleswig-Holsteinische Musikszene dort gut vertreten können, darin waren sich die Experten und zuhörenden Laien einig.

Diese High-End-Anforderungen erfüllten am 15. und 16. März 2008 in Lübeck immerhin noch 71 der Jungmusiker - eine davon sogar gleich an zwei Instrumenten: Nuala McKenna aus Schaalby in Südangeln schaffte mit ihrem Violoncello-Quartett zusammen mit der Lübeckerin Da-Sol Choi die Höchstzahl von 25 Punkten und kann im Mai von der dänischen an die französische Grenze reisen, um dort wiederum vor einer Jury in höchster Anspannung und Präzision spielen zu dürfen. In der Solo-Klavierwertung schaffte sie mit 24 Punkte eine zweite Entsendung in den Bestenclub nach Saarbrücken. „Wie schaffst Du das nur, in zwei dieser schwierigen Instrumenten so weit zu kommen?", entfuhrt es Moderatorin Christine Braun bei der Preisübergabe bewundernd. Insgesamt 90 der 276 Nachwuchsmusiker, die allesamt als Teilnehmer an der Landesausscheidung in Lübeck ohnehin zur Spitze Schleswig-Holstein gehören, schafften einen ersten Preis mit 23 Punkten oder mehr.

Aus dem liebevoll organisierten Rahmen des Wettbewerbs, der die lokalen Lübecker Mängel und Probleme beim Regionalwettbewerb in der Musikschule am Rosengarten aus dem Januar vergessen ließ, ragte eine viel beachtete Rede heraus. Jörg Linowitzki, Professor der gastgebenden Lübecker Musikhochschule hielt sie bei der Abschlussveranstaltung. „Die Voraussetzungen zum Umgang mit Musik werden im schulischen Unterricht geschaffen", sagte er unter heftigem Beifall. „Und hier müssen wir feststellen, dass Deutschland den Stand eines Entwicklungslandes erreicht hat!" Linowitzki, der in den 70ern selbst zweimaliger Bundessieger als Kontrabass-Solist war und heute den Musikernachwuchs ausbildet, beobachtet mit Sorge die Lehrpläne der allgemeinbildenden Schulen. Die Folgen seien dramatisch und müssten mit Macht bekämpft werden, um dem schleichenden und bereits massiven Verlust von Kulturgut in breiten Bevölkerungsschichten entgegen zu wirken. Er appellierte an die Politik und an alle engagierten Menschen, sich hierfür einzusetzen, um letztlich den sozialen und kulturellen Frieden im Land zu erhalten. Eine Aufgabe, die den Anforderungen an den Musiknachwuchs in nichts nachsteht.

Die Ergebnisse des Landeswettbewerbs „JuMI“ in Lübeck im Überblick: http://www.landesmusikrat-sh.de/html/meldungen.html +++