Holstentor verhüllt von 2300 Quadratmeter Fotoplane
Das Lübecker Holstentor, eines der auch international bekanntesten Wahrzeichen Deutschlands, wird am morgigen Sonnabend, 9. Juli 2005, komplett verhüllt und dennoch weiter zu sehen sein: In der Kulturstadt des Nordens wird jedoch keine Aktion der Verpackungskünstler Christo & Jeanne-Claude kopiert, sondern vielmehr eine Schutzplane für die Sanierung des fast 550 Jahre alten früheren Stadttores angebracht.
Bereits in den früheren Morgenstunden beginnt die Verhüllung des Holstentores mit einem 2300 Quadratmeter großen Spezialgewebe (PVC-Mesh) durch rund 20 Mitarbeiter der Lübecker Gerüstbaufirma Johann Oldenburg GmbH. Beginnend auf der Stadtseite werden nach und nach elf Hauptbahnen und später weitere Teilstücke Mesh-Gewebe an dem Layher-Allround-Gerüst angebracht, das speziell geeignet ist für solche aufwendigen Einrüstungen. Zum einen wird damit das Holstentor verhüllt, zum anderen wird dieses dennoch weiterhin sichtbar sein: Denn auf das Mesh-Gewebe ist durch die Lübecker Firma N3 Neelsen Print & Display GmbH ein Foto des Holstentores aufgedruckt worden, das der bekannte Fotograf Thomas Radbruch aufgenommen hat. Wobei „ein Foto“ eine starke Untertreibung ist: Die Datei mit sämtlichen Daten ist immerhin 30 Gigabyte groß – das entspricht der Größe der Festplatte eines modernen PC! Die Spezialmaschine, eine Vutek Druckanlage, druckte knapp 40 Stunden lang, um die äußerst detaillierten Fotos auf die jeweils knapp 20 Meter langen und neun Meter breiten Mesh-Bahnen zu übertragen. Die Qualität des Drucks ist derart gut, daß sogar kleinste Konturen zu erkennen sind.
Da das äußerst stabile Gerüst komplett hinter den Fotobahnen verschwindet, wird das Holstentor durch die Verhüllung etwas größer, als es in Wirklichkeit ist. Der Umfang des Tores beträgt übrigens rund 100 Meter. Der Größenzuwachs wird dabei durch optische Tricks kaschiert – aus der Entfernung betrachtet sieht das verhüllte Holstentor daher aus wie immer. Auch die unterschiedlichen natürlichen Lichtverhältnisse wurden bei dem Druck der Fotoplane berücksichtigt: so ist die Stadtseite etwas dunkler als die Seite zum Holstentorplatz, die in den Nachmittagsstunden von der Sonne angestrahlt wird.
Die Fotobahnen werden bis zu den Traufen der beiden Türme sowie den beiden Giebeln zwischen den beiden Türmen angebracht. Möglich wurde das nur, weil es den beteiligten Firmen in Gesprächen und in Abstimmung mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz – namentlich Dr. Robert Knüppel – gelungen ist, einen in Lübeck verwurzelten Sponsor zu finden. Die Deutsche Bank als Sponsor übernimmt die Kosten für die Fotoplane und den Druck. Somit wird auf der stadteinwärts liegenden Seite des Tores das Logo der Deutschen Bank dezent angebracht. Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Logos in der Größe von vier mal vier Meter auf beiden Türmen zu sehen.
Oliver Bortz, zuständig für die Privat- und Geschäftskunden der Deutschen Bank in Lübeck und in weiteren Teilen von Schleswig-Holstein sowie Mecklenburg-Vorpommern: „Wir wollen, daß die Lübecker und die Besucher der Stadt auch während der Sanierungsarbeiten nicht auf den gewohnten Anblick des Holstentores verzichten müssen. Deshalb engagieren wir uns für das weltweit bekannte Wahrzeichen von Lübeck. Wir fühlen uns mit der Stadt sowie mit ihren Bürgern und Bürgerinnen als Deutsche Bank, vormals Handelsbank Lübeck, durch eine fast 150jährige Tradition verbunden.“
Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe, der morgen an der Verhüllung des Holstentores teilnimmt, freut sich, daß es erneut gelungen ist, private Geldgeber mit ins Boot zu holen: „Ich danke der Deutschen Bank für ihr Engagement. Ohne Sponsoren wäre es uns nicht möglich gewesen, diese aufwendige Foto-Schutzplane anzubringen. Denn aus Sicherheitsgründen muß das Holstentor komplett verhüllt werden. Mit der Fotoplane bleibt das Tor auch in der Umbauzeit für die zahlreichen Touristen wie Einheimische weiterhin sichtbar!"
Auch Lübecks Kultursenatorin Annette Borns, die ebenso wie der „Hausherr“ des Holstentores, Museumsdirektor Dr. Thorsten Rodiek, das Anbringen der Planen am Sonnabendmorgen verfolgen wird, sagte: „Die ,Verkleidung’ eines historischen Bauwerks mit Fotoplanen wäre vor wenigen Jahren in Lübeck noch nicht denkbar gewesen. Heute begrüßen wir derartige Aktionen und machen damit deutlich, daß wir unseren Kulturbegriff weit geöffnet haben - wie es sich für unsere Hansestadt, dem Tor zum mare balticum, gehört.“ Das Museum Holstentor, so betonte Senatorin Borns, bleibt übrigens auch während der Sanierung geöffnet.
Die Sanierung des Holstentores, die im April diesen Jahres begonnen wurde, wird noch einige Monate dauern. Im Wesentlichen werden sämtliche Terrakotten gereinigt, gesichert oder aber durch neue ersetzt, die Gotlandgesimse erneuert, das Mauerwerk ausgebessert und Teile der Dächer und Turmeindeckungen repariert. Nach bisherigen Berechnungen kostet die Sanierung rund 500 000 Euro, wobei Sponsoren wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Possehl-Stiftung Lübeck und die Firma Oldenburg als Spender einen Großteil der Kosten übernehmen.
Für die demnächst 120 Jahre alte Lübecker Firma Johann Oldenburg GmbH Baugeschäft und Gerüstbau, die derzeit das riesige Gerüst für die Marienkirche (Gesamtvolumen rund 30 000 Quadratmeter) aufgestellt hat und auch an der Sanierung der Kirchen St. Gertrud und der Lutherkirche sowie einer Kirche in Sarau bei Ahrensbök beteiligt ist, stellt das Holstentor eine ganz besondere Herausforderung dar: Das Gesamtgewicht des Layher-Allround-Gerüstes liegt bei rund 150 Tonnen und erstreckt sich über gut 3500 Quadratmeter. Eine vollständige, rings um ein historisches Gebäudes reichende Verhüllung, bei der die Optik des Bauwerks anschließend wieder zu sehen ist, gab es nach Kenntnis von Johannes Oldenburg noch nicht: „Das dürfte deutschlandweit einmalig sein!“ +++