Hansestadt Lübeck unterlag 1998 und 1999 vor Arbeitsgericht
Angesichts zahlreicher Medienanfragen teilt die Hansestadt Lübeck mit, daß ein Mitarbeiter im Bereich Umwelt als Angestellter in einem Teilzeitarbeitsverhältnis beschäftigt ist, der in der Vergangenheit als Kandidat rechter Parteien und Organisationen des öfteren bei Wahlen in Erscheinung getreten ist und jüngst Gegenstand der Berichterstattung war. Er wurde am 1. September 1989 beim damaligen Umweltamt eingestellt.
Die Hansestadt Lübeck hatte gegen diesen Mitarbeiter aus Gründen seiner rechtsextremen Gesinnung am 29. August 1997 eine fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung ausgesprochen und am 28. November 1997 eine ordentliche, fristgemäße Kündigung.
Gegen diese Kündigungen hat sich der Mitarbeiter gerichtlich gewehrt.
Die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung wurden vom Arbeitsgericht Lübeck im Jahr 1998 als unwirksam abgewiesen. In der Begründung des Lübecker Arbeitsgerichts heißt es wörtlich: “Die unstreitige Mitgliedschaft des Klägers (besagter städtischer Mitarbeiter) in der DLVH (Deutschen Liga für Volk und Heimat) ist ohne eine konkrete, dem Kläger vorwerfbare Handlung im Rahmen dieser Mitgliedschaft ebenfalls kein Grund zur Kündigung, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß es sich bei dem Kläger um einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes handelt, solange die Verfassungsfeindlichkeit der Gruppierung nicht förmlich festgestellt worden ist.”
Die Berufung der Hansestadt Lübeck wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) Kiel mit Urteil vom 19. Februar 1999 zurückgewiesen.
Das LAG hatte zu beurteilen, ob der fristgemäßen Kündigung ausreichend personen- und/oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe vorlagen. Verhaltensbedingt bedeutet beispielsweise, daß ein Mitarbeiter stets unpünktlich ist. Personenbedingt bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, ob eine fehlende fachliche oder charakterliche Eignung des städtischen Mitarbeiters für dessen Tätigkeit bei der Stadt vorlag. Die charakterliche Eignung bezog sich auf die Frage der Verfassungstreue.
Dazu stellte das LAG fest: “Die unstreitige Mitgliedschaft des Klägers und sein Vorsitz in der Wählergemeinschaft Bündnis Rechts stellen für sich keinen ausreichenden Kündigungsgrund dar, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß es sich bei dem Kläger um einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes handelt. [...] Im öffentlichen Dienst kann sich diese fehlende Eignung auch aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. Mitgliedschaft und aktives Eintreten des Arbeitnehmers für eine verfassungsfeindliche Organisation können derartige Zweifel setzen, führen aber nicht ohne weiteres zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.”
In seiner Urteilsbegründung prüfte das LAG insbesondere die Art der Beschäftigung des städtischen Mitarbeiters und ob bei seiner Tätigkeit eine “gesteigerte politische Treuepflicht” abverlangt werden könne. Dies verneinte das LAG, da der Mitarbeiter als Umwelttechniker Kleinkläranlagen genehmigt und kontrolliert: “Daß und warum hier eine gesteigerte politische Treuepflicht erforderlich wäre, die ständig nach außen dokumentiert werden müßte, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat seine Arbeit nach Maßgabe der technischen Vorschriften sachkundig und gewissenhaft zu verrichten, wie andere Angestellte auch. [...] seine Stellung als Umwelttechniker (ist) weder besonders exponiert noch in einem politisch sensiblen Bereich angesiedelt”, so das LAG.
Im Kontext zum Urteil merkt das LAG sinngemäß an, daß es etwas anderes wäre, wenn der städtische Mitarbeiter eine andere Tätigkeit, beispielsweise die eines Lehrers, Sozialpädagogen oder Sozialarbeiters ausüben würde. Berufe also, bei denen ein positives Verständnis von den Grundwerten der Verfassung vermittelt wird.
Die außerdienstlichen politischen Betätigungen des städtischen Mitarbeiters, so das LAG, berührten jedoch nicht das Arbeitsverhältnis. Auch die Befürchtung der Hansestadt Lübeck, die außerdienstlichen politischen Aktivitäten ihres Mitarbeiters könnten die Stadt in Mißkredit bringen, teilte das Gericht nicht. Zudem könne “solche Befürchtung [...] ernsthaft keine Kündigung stützen.”
Dieses Beispiel zeigt nach Ansicht des Pressesprechers der Hansestadt Lübeck, Marc Langentepe, die Schwierigkeit, mit den Mitteln des Arbeitsrechtes gegen Vertreter nicht verbotener Parteien vorzugehen. +++