Die Sanierung des Lübecker Haushalts ist im vollen Gange, erste Erfolge sind bereits deutlich sichtbar. Dies teilte Bürgermeister Michael Bouteiller am Montag, 27. April, bei der Vorlage von neuen Finanzdaten mit. "Wenn wir unsere Planzahlen einhalten, so werden wir die Wende bereits im Jahr 2000 geschafft und Lübeck aus den roten Zahlen herausgeführt haben", sagte Bouteiller. Er führe den Umschwung auf die Verwaltungsreform und das von ihm durchgesetzte strenge Kostenbewußtsein zurück.
Anlaß für den Gang an die Öffentlichkeit sind neue Planungsdaten der Verwaltung, die jetzt den Bürgerschaftsausschüssen und Fraktionen zugeleitet werden. Ziel: Der Verwaltungschef möchte frühzeitig - noch im Juni - die Zustimmung zu seinem Konzept vom Hauptausschuß bekommen.
Die Zahlen, die Bouteiller jetzt der Presse präsentierte, belegen, daß die Sanierung des Haushalts mit Hilfe einer umgreifenden Modernisierung der Verwaltung in wenigen Jahren gelingen kann. Fehlten zum Ausgleich des städtischen Verwaltungshaushaltes seit 1981 mit Ausnahme einiger weniger Jahre stets große Beträge zwischen 11 und 33 Millionen Mark (siehe Graphik), so soll schon im kommenden Haushaltsplan für 1999 eine deutliche Verbesserung eintreten. Bouteiller: "Dabei muß die Vorgabe der Bürgerschaft für 1999 von einer Einsparung von 15 Millionen Mark durchgesetzt werden." Die Finanzexperten der Hansestadt rechnen dann noch mit einem Minus von 11,3 Millionen Mark. Doch sind in dieser Summe bereits jene 26,7 Millionen Mark enthalten, die 1997 fehlten und der Gemeindeordnung entsprechend zwei Jahre später ausgeglichen werden müssen. Spätestens 2001 soll es den ersten kräftigen Überschuß geben: Bouteiller hält für das erste Jahr des neuen Jahrtausends sogar einen Überschuß von mehr als zehn Millionen Mark für machbar.
"Diese Wende ist nur möglich dank des hohen Kostenbewußtseins unserer Beschäftigten", sagte Bouteiller. So werde man im Verwaltungshaushalt, vorausgesetzt, die Bürgerschaft stimme dem Konzept zu, in den drei Jahren bis zur Jahrtausendwende zwischen 40 und 50 Millionen Mark an Einsparungen realisieren, eine Summe, die der Senat noch vor zwei Jahren für nicht denkbar gehalten habe. Dies ermögliche eine Rückkehr der Hansestadt aus tiefroten Zahlen hin zu ausgeglichenen Haushalten, ohne einen Kahlschlag an den wichtigen kommunalen Aufgaben vorzunehmen.
Wie der Bürgermeister sagte, bedeute die Reparatur des Stadthaushaltes wesentlich mehr als eine finanztechnische Sanierung. "Wir kommen damit endlich aus den leidigen Verteilungskämpfen heraus zu einer gestaltenden Stadtpolitik." Nur so könnten die Steuerungsfähigkeit und letztlich die für die Demokratie erforderlichen Handlungsspielräume für Lübeck zurückgewonnen werden.
Hintergrund:
Daß Lübeck pleite sei, einen riesigen Schuldenberg mit sich herumschleppe und stets über seine Verhältnisse lebe, ist in der Hansestadt zwar oft zu hören, entspricht aber nicht den Tatsachen. Den Schulden der Stadt in Höhe von rund einer Milliarde Mark stehen beträchtliche Vermögenswerte gegenüber. Ein Großteil der Schulden sind zudem "rentierliche Geldaufnahmen", analog zu den Bankverbindlichkeiten von Unternehmen, die ebenfalls hohe Schulden machen, um beispielsweise neue Anlagen oder Immobilien zu finanzieren.
Sorgen bereiten der Hansestadt so auch weniger die Gesamtschulden als die laufenden Ausgaben, welche die Einnahmen nicht übersteigen dürfen. Tun sie es doch, spricht man von einer ,,Unterdeckung'', griffiger auch ,,Haushaltsloch'' genannt. Derartige Löcher, die zum Sparen zwingen, hatte Lübeck in der Vergangenheit viele (siehe Balken in der Graphik). Die Jahre, in denen es einen Überschuß (,,Freier Finanzspielraum'' - siehe Linie in der Graphik) gab, waren eher selten. Diese aber sind wichtig, um Investitionen finanzieren zu können.
Die Graphik ist in einem Artikel der Stadtzeitung (Ausgabe 22) enthalten. Nach Anklicken des Verweises können Sie den Artikel lesen.
Lübecks Finanzprobleme sind keine lokalen Erscheinungen, sondern bundesweit nicht ungewöhnlich für Haushalte von Großstädten. Deshalb klagen die Städte seit langem gegenüber den Ländern und dem Bund über eine mangelhafte Finanzausstattung und argwöhnen, daß diese zu viel von den Steuern selbst verbrauchen, anstatt sie an die Kommunen weiterzureichen.
Eine Übersicht über die Fehlbedarfe ("Haushaltslöcher") vergleichbarer Kommunen im Haushaltsjahr 1998 (Plandaten):
Fehlbedarfe im `98er Verwaltungshaushalt
Kassel 609,3 Millionen Mark Saarbrücken 337,1 Millionen Mark Braunschweig 141,3 Millionen Mark Aachen 93,2 Millionen Mark Bochum 71,3 Millionen Mark Kiel 39,8 Millionen Mark LÜBECK 28,7 Millionen Mark Münster 0 Millionen Mark+++