Anlass
Bauvorhaben wirken sich u. a. auch auf den ruhenden Verkehr aus. Aus diesem Grund ist in einigen Landesbauordnungen der Länder geregelt, dass bei Bauvorhaben auch ein bestimmtes Kontingent an Stellplätzen und Fahrradabstellanlagen auf den Baugrundstücken (oder in zumutbarer Entfernung davon auf einem geeigneten Grundstück) hergerichtet werden muss. Damit folgt die Gesetzgebung dem Gedanken des „Verursacherprinzips“: wer baut und dadurch Verkehr erzeugt, muss auch Parkplätze vorhalten.
Für den Fall, dass die Herstellung von Stellplätzen und Garagen oder Abstellanlagen für Fahrräder nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich war, sah die LBO SH in der bis zum 31.08.2022 geltenden Fassung vor, dass der/die zur Herstellung Verpflichtete mit Einverständnis der Gemeinde zur Erfüllung der Herstellungspflicht an die Gemeinde alternativ auch einen Geldbetrag zahlen kann.
Im Rahmen der Novellierung der Landesbauordnung Schleswig-Holstein (LBO SH) zum 01.09.2022 wurden die Rahmenbedingungen für die Möglichkeit einer Ablösung der Herstellungspflicht von Stellplätzen und Fahrradabstellanlagen verändert. Seit der Novellierung sieht die LBO SH vor, dass die Kommunen nur dann das Ablösen von Stellplätzen und Fahrradabstellanlagen verlangen dürfen, wenn eine örtliche Bauvorschrift dies vorsieht. Um die Erfüllung der Herstellungsverpflichtung von Stellplätzen und Abstellanlagen durch Ablösung zu ermöglichen, muss also zwingend eine dies regelnde Satzung vorliegen. Für den Vollzug der LBO und der aufgrund der LBO erlassenen Vorschriften, also auch der einer örtlichen Bauvorschrift, ist nach Maßgabe des § 57 LBO (ausschließlich) die untere Bauaufsichtsbehörde und damit der Bürgermeister zuständig.
Häufig sind die Regelungsinhalte zur Ablösung in eine Satzung integriert, die darüber hinaus auch Anzahl, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze oder Garagen sowie Abstellanlagen für Fahrräder differenzierend regelt.
Die Verwaltung hat bereits einen Entwurf für eine solche „Stellplatzsatzung" erstellt (VO/2024/12987), die auch konkrete Regelungen zu Anzahl, Größe und Beschaffenheit von Stellplätzen und Abstellanlagen regelt und insoweit über die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Allerdings ist die Auseinandersetzung mit dem Stellplatzsatzungsentwurf mit der Diskussion des übergeordneten Themas Parken verbunden. Aufgrund der Komplexität dieses Themas soll ausreichend Zeit und Raum für Diskussionen des Stellplatzsatzungsentwurfs geschaffen werden. Um diesen Zeitraum zu überbrücken und den Bauherr:innen dennoch schon zeitnah die Erfüllung der Herstellungsverpflichtung durch Ablösung zu ermöglichen, sollten Maßnahmen zur Sicherstellung der Stellplatzablösung getroffen werden. Die Verwaltung empfiehlt, eine Stellplatzsatzung mit reduziertem Regelungsumfang, eine sog. „Ablösesatzung“, zu beschließen.
Möglichkeiten und Grenzen einer „Ablösesatzung“
Die Möglichkeit zur Ablösung von Stellplätzen ist insbesondere dort von besonderer Bedeutung, wo andere Regelungen aus bestehenden Satzungen der Hansestadt Lübeck greifen. Beispielsweise kann durch Bebauungspläne, aber auch durch Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen das Herstellen von Stellplätzen quasi unmöglich werden.
- Beispiel: Aufstockung von Wohnraum in verdichteten Quartieren
Die Aufstockung eines Wohngebäudes löst den Bedarf einer gewissen Anzahl an zusätzlichen Stellplätzen aus. Die Erhaltungssatzung des Gebiets sieht jedoch vor, dass die Vorgärten nicht bebaut werden dürfen. Es stehen darüber hinaus auch rechtlich und tatsächlich keine anderen Flächen auf dem Baugrundstück für die Errichtung von Stellplätzen zur Verfügung. Die notwendigen Stellplätze können damit nicht auf dem Grundstück errichtet werden. Eine andere Lösungsmöglichkeit, die Stellplätze in zumutbarer Entfernung nachzuweisen, scheitert an der dichten Bebauung und dem Fehlen von Stellplatzflächen. Ohne „Ablösesatzung“ ist es dann i. d. R. nicht möglich, das Bauvorhaben umzusetzen, ohne Stellplätze nachzuweisen.
Die Entscheidung über eine Ablösung von Stellplätzen sollte immer vor dem Hintergrund erfolgen, ob der zusätzliche Bedarf an Stellplätzen vor Ort befriedigt werden kann. Es ist immer eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Nutzen des Bauvorhabens (bspw. zusätzlichen Wohnraum bereitstellen) und den Folgen der Nichtbereitstellung von einem oder mehreren Stellplätzen auf dem Baugrundstück.
Die eingenommenen Ablösebeträge sind zweckgebundene Einnahmen und dürfen laut § 49 Abs. 3 LBO SH nur für folgende Maßnahmen verwendet werden:
- die Herstellung zusätzlicher oder die Instandhaltung, die Instandsetzung oder die Modernisierung bestehender Parkeinrichtungen und Abstellanlagen für Fahrräder,
- sonstige Maßnahmen zur Entlastung der Straßen vom ruhenden Verkehr einschließlich investiver Maßnahmen des öffentlichen Personennahverkehrs.
Weiteres Vorgehen
Um den Bauherr:innen die Möglichkeit zu eröffnen, unter bestimmten Rahmenbedingungen bereits jetzt Stellplätze und Abstellanlagen ablösen und so u. U. auch die Realisierbarkeit einiger Bauvorhaben gewährleisten zu können, empfiehlt die Verwaltung den Erlass der als Anlage 1 beigefügten „Ablösesatzung“. Des Weiteren ermöglicht die (temporäre) Ablösesatzung, dass sich mit den Inhalten des Stellplatzsatzungsentwurfs grundlegend und ohne zeitliche Bedrängnis auseinandergesetzt werden kann.