Um den stetig wachsenden fachlichen und gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, hat der Bereich Familienhilfen/Jugendamt der Hansestadt Lübeck im Rahmen eines einjährigen Projekts eine umfassende Organisationsuntersuchung inklusive Personalbemessung durchgeführt – unter aktiver Beteiligung der Mitarbeitenden. Die fachliche Begleitung erfolgte durch das Institut für Sozialplanung und Organisationsentwicklung (IN/SO), das über umfangreiche Erfahrung aus Untersuchungen in mehr als 180 Jugendämtern bundesweit verfügt.
Hintergrund der Untersuchung sind unter anderem die Ausweitung gesetzlicher Aufgaben infolge des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG), kontinuierlich steigende Fallzahlen sowie die bereits in Lübeck vorgezogene Verlagerung der Zuständigkeit für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung vom Sozialamt in das Jugendamt – in Vorbereitung auf die zum Jahr 2028 erwartete bundesrechtliche Änderung. Darüber hinaus verpflichtet § 79 Abs. 3 SGB VIII seit 2021 alle Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Anwendung eines Verfahrens zur Personalbemessung.
„In den vergangenen 15 Jahren haben nahezu alle Jugendämter ihre Personalausstattung überprüft – im kommunalen Vergleich oder mit externer Begleitung. Inzwischen ist dies bundesrechtlich vorgeschrieben – und auch in Lübeck nun systematisch umgesetzt worden“, erklärt Senatorin Monika Frank. „Beim Schutzauftrag für junge Menschen ist der Bereich Familienhilfen in Lübeck gut aufgestellt, wie auch das beauftragte Institut bestätigt. Fachlich ist jedoch belegt, dass eine einseitige Fokussierung auf akute Krisen – bei gleichzeitig knappen Personalressourcen – dazu führen kann, dass notwendige Planungs- und Steuerungsprozesse bei der Gewährung von Hilfen nicht angemessen bearbeitet werden können. Dies kann zur Einleitung oder Fortsetzung kostenintensiver Hilfen führen, obwohl bei verbesserter Personalausstattung wirkungsvollere und zielorientiertere Alternativen möglich wären. Gerade vor dem Hintergrund angespannter Haushaltslagen müssen diese Zusammenhänge im Rahmen eines realistischen Stufenplans kontinuierlich beobachtet und gesteuert werden.“
Kinderschutz jederzeit gewährleistet, aber Verzögerung bei Hilfeverfahren im Anschluss
Das Verfahren sowie die Ergebnisse der Personalbemessung wurden dem Jugendhilfeausschuss der Hansestadt Lübeck am 3. Juli 2025 im ersten Schritt mündlich vorgestellt. Demnach besteht derzeit ein zusätzlicher Personalbedarf von 33,25 Vollzeitstellen, insbesondere im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) sowie in der Eingliederungshilfe für junger Menschen mit Behinderung.
Das begleitende Institut würdigte ausdrücklich das hohe Engagement der Fach- und Führungskräfte bei der Überprüfung bestehender Strukturen. Es stellte im Abgleich mit rechtlich gebotenen Standards und unter Berücksichtigung kommunaler Vergleichswerte einen erheblichen Personalmehrbedarf in Lübeck fest. Dieser Befund bedeutet jedoch keineswegs, dass der staatliche Schutzauftrag oder der Kinderschutz aktuell nicht gewährleistet sind – vielmehr wird dieser in Lübeck weiterhin uneingeschränkt und auf Grundlage bundesweiter Fachstandards sichergestellt. Meldungen über vermutete Kindeswohlgefährdungen sowie akute Krisenlagen werden im Bereich Familienhilfen jederzeit mit höchster Priorität bearbeitet.
Allerdings hat diese konsequente Priorisierung Auswirkungen auf nachgelagerte Prozesse: Die Bearbeitung von Hilfeverfahren im Anschluss an Schutzmaßnahmen kann zeitlich verzögert erfolgen. Das betrifft nicht nur die betroffenen jungen Menschen und ihre Familien, sondern auch die freien Träger der Jugendhilfe, deren Planbarkeit und Koordination dadurch erschwert werden. Fachlich ist dies kritisch zu bewerten. Auch finanziell zeigt sich Relevanz: Erfahrungen aus anderen Kommunen belegen, dass eine klar definierte Fachstandardsystematik in Verbindung mit ausreichender Personalausstattung dazu beitragen kann, die Ausgaben für Hilfen zu dämpfen – insbesondere durch frühzeitige Bedarfsermittlung bei Einleitung und Fortschreibung von Hilfen sowie den gezielten Einsatz präventiver Maßnahmen.
Personalaufwuchs soll schrittweise erfolgen
Die im Beteiligungsprozess entwickelten Qualitätsziele lassen sich jedoch nicht kurzfristig umsetzen. Der Fachkräftemangel stellt dabei eine der größten Herausforderungen dar: Bereits die Besetzung der im Stellenplan verankerten Positionen ist durch Fluktuation und den Engpass an qualifiziertem Personal erschwert. Auch organisatorisch kann ein Personalaufwuchs nur schrittweise erfolgen – durch strukturierte Einarbeitungskonzepte, die Bereitstellung geeigneter Arbeitsplätze sowie begleitende Maßnahmen zur Teamentwicklung.
Die im Rahmen der Personalbemessung ermittelten Zielgrößen sind deshalb Teil eines mittelfristigen Stufenplans. Ziel ist es, langfristig die Qualität und Wirksamkeit der Hilfen für junge Menschen zu verbessern – sowohl im Bereich der Hilfen zur Erziehung als auch in der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit (drohender) Behinderung.
Aufwachsen in Lübeck – Kindeswohl sichern, Familien und junge Menschen fördern
Der Bereich Familienhilfen/Jugendamt der Hansestadt Lübeck ist verantwortlich für die Beratung, Unterstützung, Krisenintervention und präventive Hilfen gemäß dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Er hat vor allem den gesetzlichen Auftrag, das Kindeswohl zu sichern, junge Menschen durch Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen/Leistungen zur Teilhabe in ihrer Entwicklung zu fördern und gemäß dem Konzept „Aufwachsen in Lübeck" familienfreundliche sowie chancengerechte Lebensbedingungen zu gestalten. Der Bereich gewinnt und begleitet Pflegefamilien,er unterstützt Familien durch Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auch finanziell, begleitet Mütter in Vaterschaftsangelegenheiten sowie junge Menschen in Gerichtsverfahren und nimmt Vormundschaften für Minderjährige sowie viele weitere Aufgaben für Familien wie z.B. in Adoptionsverfahren wahr. Er ist zudem zuständig für die Versorgung von unbegleitet aus dem Ausland einreisenden Minderjährigen.
Der ausführliche Abschlussbericht wird dem Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am 11.09.2025 zur Beratung vorgelegt.
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