Als Trägerin von 28 städtischen Kitas hat die Hansestadt Lübeck die Zertifizierung von 14 Multiplikator:innen nach dem Konzept „Die Kinderstube der Demokratie“ auf den Weg gebracht. Von Februar bis November dauerte die berufsbegleitende Qualifizierung an, nun konnten zwölf Mitarbeiter:innen der Hansestadt Lübeck und zwei externe Teilnehmerinnen ihre Zertifikate entgegennehmen.
Die Weiterbildung wurde gemeinsam mit der VHS Lübeck organisiert und zusammen mit dem Institut für Partizipation und Bildung e.V. (IPB) aus Kiel durchgeführt. Das Konzept lässt dabei jedem Team ausreichend Spielraum, um zu entscheiden, welche Selbst- und Mitbestimmungsrechte es den Kindern in der Einrichtung dabei genau einräumt.
Sind die Entscheidungsspielräume umfassend geklärt und finden entsprechende Methoden der Meinungsbildung und Entscheidungsfinden Anwendung, können Kinder schon in der Kita erfahren, was es bedeutet, verbindliche Rechte zu haben, sich eine Meinung zu bilden, diese mutig zu vertreten, sich für die eigenen Interessen einzusetzen und gemeinsame Lösungen auszuhandeln.
„Keines unserer Teams fängt natürlich bei null an. Daher wollten wir auch gerne dieses Konzept in Lübeck umsetzen, da es an dem Punkt ansetzt, an dem die jeweilige Kita gerade steht. Von da aus werden unsere Multiplikator:innen die Kitas in den nächsten Jahren Schritt für Schritt hin zu echten ‚Kinderstuben der Demokratie‘ begleiten. Nicht nur die Kinder, sondern auch die Teams gehen in demokratische Prozesse, in denen jede Sichtweise zählt. So schaffen wir starke Gemeinschaften“, erläutert Uta Steinkamp, Bereichsleitung der städtischen Kindertageseinrichtungen in Lübeck, ihre Entscheidung für die Einführung des Konzeptes.
Dass Kinder ihre Rechte bereits in der Kita erleben und wahrnehmen können, ist gesetzlich vorgegeben und eine notwendige Voraussetzung für ein lebendiges demokratisches Miteinander. „Kinder sind sehr klar in dem, was sie brauchen. Sie bringen ihre Ideen oder Beschwerden kompetent vor und setzen sich mitfühlend für andere ein. Es liegt an den Fachkräften, diese wichtigen Bildungsprozesse der Kinder anzuregen, aufzugreifen und zu moderieren. Wir brauchen mehr denn je Menschen jeden Alters, die das Zusammenleben auf der Basis von demokratischen Rechten und der Anerkennung von Verschiedenheit gestalten können und wollen“, sagt Yvonne Rehmann vom IPB, die gemeinsam mit Julius Seelig die Weiterbildung geleitet hat.
In der Kita gelingt dies ganz alltagsnah, indem Kinder sich an Projekten z.B. an der Planung von Festen, Raumgestaltung oder Ausflügen beteiligen. Aber auch, indem sie darin unterstützt werden, beim Essen oder Spielen zu verantwortungsvollen Entscheidungen zu kommen, die ihren eigenen Körper betreffen. Dies möglich zu machen und gleichzeitig auch die Fürsorge für die Kinder nicht aus dem Blick zu verlieren, ist eine große Verantwortung für Fachkräfte und ein entscheidender Beitrag zum Kinderschutz.
Bereits im Rahmen der Qualifizierung leiteten die frisch gebackenen Multiplikator:innen allein oder zu zweit eine Teamfortbildung, wendeten das Gelernte an. Antje Nöhr, Leitung der Kita Hallandhaus und eine der Teilnehmerinnen der Weiterbildung, schildert ihre Erfahrungen so: „Durch Beziehungsaufbau zum Team sind mutige Ideen und Ergebnisse machbar. Schritt für Schritt kommen wir dahin, Demokratie und Beteiligung für alle Kinder bewusst erlebbar zu machen, egal welcher kulturellen Zugehörigkeit und welchen Alters. Auch wir Multiplikator:innen sind über uns hinaus gewachsen. Die Kooperation des Teams beflügelte auch uns und zeigt, dass diese einrichtungsübergreifende Unterstützung fruchtbar ist.“
Alle Multiplikator:innen kennen die Arbeit mit Kindern in Krippe und Kita sowie deren Eltern aus eigener Erfahrung als pädagogische Fachkraft, Leitung oder Fachberatung und arbeiten auch weiterhin an ihren angestammten Arbeitsplätzen. Die beiden externen Teilnehmer:innen tragen ihr neues Wissen landesweit in die schleswig-holsteinische Kitalandschaft. So bleibt die Umsetzung von Kinderrechten und Demokratiebildung nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern wird zunehmend gelebte Praxis – in Lübeck und darüber hinaus. +++