Veröffentlicht am 06.12.2023

Timmendorfer Strand und Hansestadt Lübeck besorgt über Planungsstrategie der DB Netz

Aktuelle Planung gefährdet die rechtzeitige Realisierung der Fehmarnbeltquerung (FBQ) und der Regio-S-Bahn Lübeck

Die Hansestadt Lübeck und die Gemeinde Timmendorfer Strand sind überzeugt davon, dass die Realisierung der Festen Fehmarnbeltquerung (FBQ) mit deren Schienenhinterlandanbindung genauso wie die Realisierung einer Lübecker Regio-S-Bahn der wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Region zu Gute kommen kann sowie dem Klimaschutz und der Verkehrswende dient – mit Blick auf diese Projekte sehen die Kommunen jedoch die DB Netz auf dem falschen Gleis.

Die Eisenbahnverbindung von der zukünftigen Festen-Fehmarn-Belt-Querung bis Lübeck (sog. FBQ-Hinterlandanbindung) soll auf einer Aus- und Neubaustrecke teils entlang der Autobahn geführt werden. Die entsprechende aktuelle Planungsstrategie der DB Netz sieht derzeit vor, dass hierbei die Bäderbahn zwischen Ratekau und Haffkrug stillgelegt werden soll, sobald die Neubaustrecke fertig ist. Damit wären die Ostseebäder Timmendorfer Strand und Scharbeutz nicht mehr direkt mit der Eisenbahn erreichbar.

Die DB Netz erhofft sich, mit einer stillgelegten Bäderbahntrasse einfacher und schneller durch das Planfeststellungsverfahren für die FBQ-Hinterlandanbindung zu kommen, um den ohnehin ambitionierten Zeitplan zur termingerechten Fertigstellung der Neubaustrecke bis 2029 noch halten zu können. So hat sich die Bundesrepublik Deutschland dem Königreich Dänemark gegenüber per Staatsvertrag dazu verpflichtet, fristgerecht zur Fertigstellung des neuen Fehmarnbelttunnels der Dänen auch mit einer leistungsfähigen Schienen- und Straßenanbindung auf deutscher Seite fertig zu sein.

Im Hinblick auf die Bäderbahn kommen die Gemeinde Timmendorfer Strand und die Hansestadt Lübeck jedoch zu einer gänzlich anderen Einschätzung als die DB Netz und sehen gar nicht die Notwendigkeit, diese für die Region so wichtige Infrastruktur für die Neubaustrecke zu „opfern“. Denn eine Planung der Neubaustrecke ohne Anbindung der Bäderbahn führt nach den nun vorliegenden Erkenntnissen nicht etwa zur beabsichtigten Beschleunigung der Maßnahme, sondern vielmehr zu erheblichen Verzögerungsrisiken einer termingerechten Fertigstellung der FBQ-Hinterlandanbindung.

Strategie der DB Netz kontraproduktiv

„Die Planungsstrategie der DB Netz ist rechtlich nicht haltbar und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar. Die Neubaustrecke kann die Bäderbahn nicht ersetzen, weil ihre Stationen viel zu weit von den Bädern entfernt sind“, betont Sven Partheil-Böhnke Bürgermeister von Timmendorfer Strand. Die Behauptung der DB Netz, ein Erhalt der Bäderbahn würde die Planung der Neubaustrecke ernsthaft verzögern, weil sie ihre Planunterlagen ändern müsste, ist unzutreffend. Die notwendigen Anpassungen der Planunterlagen sind geringfügig und würden zu keiner ernsthaften Zeitverzögerung führen.

Ganz im Gegenteil: „Eine Planung der Neubaustrecke ohne die Anbindung an die bestehende Bäderbahn ist unzulässig, solange das Eisenbahn-Bundesamt die Stilllegung nicht genehmigt hat. Die Voraussetzungen einer solchen Genehmigung liegen aber nicht vor. Die Bäderbahn erfüllt mit ca. 1,2 Mio. Fahrgästen pro Jahr eine wichtige Funktion im Schienenverkehr. Diese Funktion kann die Neubaustrecke nicht ersetzen. Auch deshalb gibt es konkretes Interesse Dritter daran, den Betrieb der Bäderbahn von der DB Netz zu übernehmen. Dieser Dritte hat grundsätzlich einen Anspruch auf Übernahme. Unter diesen Umständen kann eine Stilllegung der Bäderbahn nicht genehmigt werden“, betont der Hamburger Jurist Prof. Dr. Ulrich Ramsauer.

Da mit der Norddeutschen Eisenbahngesellschaft (NEG) mit Sitz in Niebüll ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) mit seriösem Übernahmeinteresse vorhanden ist und überdies gegen eine Stilllegung mit erheblichem Widerstand aus der Region zu rechnen ist, ist eine zustimmende Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes über einen Antrag auf Stilllegung der Bäderbahndurch die DB Netz nicht zu erwarten.

Die Region bedauert vor dem Hintergrund auch die Haltung des Wirtschaftsministeriums des Landes, die DB Netz bei ihrem Stilllegungsvorhaben zu unterstützen. Insbesondere die Ankündigung, man werde Schienennahverkehr nur noch auf der Neubaustrecke bestellen, geht am Mobilitätsbedürfnis der Region vorbei. Das ist ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll.

Was würde ein Aus der Bäderbahn für die Pläne zur Lübecker Regio-S-Bahn bedeuten?

Die Hansestadt Lübeck hat ein großes Interesse daran, dass die Fahrgastzahlen in der Region im Sinne der Verkehrswende steigen und fordert dazu schon seit längerer Zeit beim Land die Umsetzung einer Regio-S-Bahn Lübeck ein, die sternförmig auf allen von Lübeck ausgehenden Strecken mindestens einen Halbstundentakt vorsieht. „Wir brauchen schon jetzt mehr statt weniger ÖPNV zwischen dem Oberzentrum Lübeck und der Lübecker Bucht. Mit einem Erhalt und Ausbau der Bäderbahn zur Regio-S-Bahn kann zusammen mit dem neuen Bahnhof Ratekau ein wichtiger Grundstein gelegt werden, die schon jetzt sehr hohen Fahrgastzahlen auf der Verbindung Neustadt – Timmendorfer Strand – Lübeck zukünftig noch weiter zu steigern und damit einer Überlastung des Straßennetzes in der gesamten Region vorzubeugen, wenn auch noch mehr Pendler:innen auf die Schiene umsteigen“, betont Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau. Eine alleinige Fokussierung auf die zeitliche Umsetzung der FBQ-Hinterlandanbindung führt hier zu nachhaltigen Kollateralschäden in der Region und kann so nicht hingenommen werden, was bereits mehrfach gegenüber Land und Bund bekräftigt wurde.

Bereits 2018 hatte die IHK zu Lübeck in einer Studie die Gefahr einer möglichen Halbierung der Fahrgastzahlen bei einem Aus der Bäderbahn aufgezeigt, was ein schwerer Schlag für die Verkehrswende in der Region wäre. Auch eine ganz aktuelle Vergleichsrechung im neuen Verkehrsmodell der Hansestadt Lübeck, bei der das Szenario einer Regio-S-Bahn nach Neustadt i. H. mit Führung über die Neubaustrecke mit einer Regio-S-Bahn mit Führung über die Bestandstrasse der Bäderbahn verglichen wurde, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Bei einem direkten linienhaften Vergleich gibt es für den jeweils am stärksten ausgelasteten Streckenabschnitt eine Halbierung der Fahrgastzahlen bei der Führung der Regio-S-Bahn über die Neubaustrecke mir ihren ortsfernen Stationen – dieser Fahrgastverlust lässt sich auch nicht durch den bei diesem Szenario unterstellten, relativ gut nachgefragten neuen Shuttlebus im 30-Min.-Takt mit guten Zuganschlüssen ausgleichen, sodass in der Summe dann letztlich immer noch mehr als 1.000 ÖV-Fahrten pro Tag verloren gehen“, betont Lübecks Verkehrswendebeauftragter Michael Stödter.

Die tatsächlichen Fahrgastverluste dürften in der Realität sogar noch deutlich größer ausfallen, denn die Modellrechnung bezieht sich auf Alltagsverkehre. Überregionale touristische Zielverkehre mit längerem Aufenthalt, Wochenend- oder Festivalverkehre, sind hierbei noch gar nicht inbegriffen.

Auch wurde für den Shuttlebus unterstellt, dass dieser immer pünktlich seine Anschlüsse realisieren kann – in der Realität dürfte die Verkehrssituation in den Bädern insbesondere an Schönwettertagen jedoch zu Verspätungen und Anschlussverlusten des Busses führen. Auch ist vollkommen unklar, wie für Spitzentage im Sommer mit entsprechend sehr hohen Fahrgastmengen ein geeignetes Dispositionskonzept inklusive Vorhalten von Zusatzbussen und Zusatzfahrpersonal überhaupt organisatorisch und wirtschaftlich funktionieren soll.

Die Hansestadt Lübeck sieht die Problematik nicht wie gerne zuweilen dargestellt, ausschließlich als Timmendorfer Problematik, sondern als Problem für die ganze Region, wenn mit der Bäderbahn ausgerechnet der potentialreichste Ast der Regio-S-Bahn Lübeck von Seiten des Landes abbestellt werden soll. Ein Busverkehr zur Anbindung der Bäderorte an die Stationen an der Neubaustrecke oder sogar an Lübeck dürfte sehr kostspielig sein und für den Kreis Ostholstein oder das Land Schleswig-Holstein mit bis zu siebenstelligen Beträgen pro Jahr zu Buche schlagen. Und dennoch gelingt es damit nicht, die zu erwartenden Fahrgastverluste aufzufangen. Daher kann ein Busverkehr definitiv kein adäquater Ersatz für die Bäderbahn sein, hierin sind sich die Gemeinde Timmendorfer Strand und die Hansestadt Lübeck einig. Die beiden Kommunen begrüßen und unterstützten daher selbstverständlich ausdrücklich die Initiative der NEG zum Infrastrukturerhalt der Bäderbahn.

Bedeutung der Bäderbahn für Lübeck (Präsentation)

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