Am vergangenen Mittwoch, 22. Juni, kam ein kleiner Schatz im Buddenbrookhaus an: Ab sofort zählt die Sommerausgabe von Juni / Juli 1893 der Schülerzeitung des Lübecker Katharineums mit dem programmatischen Titel „Der Frühlingssturm“ zum Besitz des Literaturmuseums. Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung war kein geringerer als der damals 18-jährige Thomas Mann, der unter dem Pseudonym „Paul Thomas“ für das Blatt verantwortlich zeichnete und einen Großteil der darin enthaltenen Texte verfasste.
Von der Schülerzeitung erschienen insgesamt nur zwei Ausgaben, wobei von der Ersten vom Mai 1893 nach aktuellem Stand kein einziges Exemplar mehr erhalten ist und von der Zweiten nur ein einziges weiteres Exemplar außer dem des Buddenbrookhauses nachweislich existiert. Nach den beiden Ausgaben wurde „Der Frühlingssturm“, wahrscheinlich wegen zu rebellischer Tendenzen, eingestellt. Dr. Birte Lipinski, Leiterin des Buddenbrookhauses, erklärt die große Bedeutung des Erwerbs: „Die Schülerzeitung repräsentiert nicht nur einen genuinen Teil der Lübecker Geschichte Thomas Manns, sondern ist gleichzeitig auch ein Meilenstein auf dem Weg seiner Schriftstellerwerdung.“ Dank gelte der Friedrich Bluhme und Else Jebsen-Stiftung, die den Ankauf ermöglicht hat.
Wie der Titel der Zeitung vermuten lässt, war „Der Frühlingssturm“ durchaus revolutionär gedacht. „Thomas Mann schrieb, er wolle damit wie ein Frühlingssturm den Staub aus Lübeck herausblasen und das Grün wieder sichtbar machen“, so Lipinski. Dabei lässt sich das Format nicht mit den heutigen Schülerzeitungen vergleichen: Vorbild waren eher die bürgerlichen Literaturzeitungen des 19. Jahrhunderts. So enthält die angekaufte Ausgabe Prosa, Essays und Lyrik, größtenteils aus der Feder von Thomas Mann. Auch anspruchsvolle Rezensionen wie beispielsweise zu Heinrich Heine oder zu dem Theaterstück „Das Sonntagskind“, das am damaligen Tivoli-Theater in Lübeck aufgeführt wurde, sind zu finden. Einer kritischen Gegenschrift seiner Zeitung begegnet Thomas Mann in dieser Ausgabe mit ironischen Worten, was den rebellischen Charakter des Gymnasiasten unterstreicht. Er war sich sicher, dass die Kritik das Blatt an der Schule nur populärer machen würde. Die Schülerzeitung wurde von dem Lübecker Verleger Max Schmidt gedruckt.
„Sollte sich die verschollene erste Ausgabe des ‚Frühlingssturms‘ von Mai 1893 noch im Besitz einer Privatperson befinden, würden wir uns sehr freuen, wenn diese sich bei uns meldet“, so Lipinski.
Des Weiteren ist dem Buddenbrookhaus die Ersteigerung eines Briefes des 80-jährigen
Thomas Mann aus dem Jahr 1955 an einen alten Lübecker Schulfreund gelungen, in dem er von Erinnerungen an seinen Vater und an seine erste Liebe Armin Martens sowie über seine Novelle Tonio Kröger schreibt.
Weitere Informationen unter https://buddenbrookhaus.de/ +++