Hansestadt Lübeck verbietet Demo von Rechtsradikalen
Die Hansestadt Lübeck hat die für den kommenden Sonnabend, 25. Januar 2003, von der Wählergemeinschaft Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck angemeldete Demonstration in Kücknitz verboten. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe und Innensenatorin Dr. Beate Hoffmann wollen durch die ausgesprochene Verbotsverfügung ein Signal setzen, da nach ihrer Auffassung die Grenzen dessen, was in einer politischen Auseinandersetzung noch zulässig ist, hier bei weitem überschritten sind.
Bereits am 25. November 2002 hat die Wählergemeinschaft Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck, vertreten durch Jürgen Gerg, eine Versammlung in Form eines Aufzuges unter dem Motto “Arbeitsplätze für Lübeck! - Nur Nationaler Sozialismus schafft Vollbeschäftigung!” angemeldet. Als Versammlungsleiter wurde Jörn Lemke benannt. Die Versammlung ist zunächst für den 18. Januar 2003 angemeldet worden und wurde dann auf den 25. Januar 2003, 12 bis 17 Uhr, verlegt. Die beabsichtigte Aufzugstrecke befindet sich im Stadtteil Kücknitz und tangiert im wesentlichen die Solmitzstraße sowie den West- und Ostpreußenring. Nach Angaben des Veranstalters handelt es sich um eine öffentliche Veranstaltung im Rahmen des Kommunalwahlkampfes.
Am 13. Januar 2003 haben der SPD Ortsverein Roter Hahn sowie der SPD Ortsverein Rangenberg für den selben Tag Gegendemonstrationen zum Motto “Roter Hahn gegen Rechts” beziehungsweise “Kücknitz gegen Rechts” angemeldet, die ebenfalls im Stadtteil Kücknitz stattfinden sollen. Hierüber ist eine endgültige versammlungsrechtliche Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen worden.
Die Versammlung der oben genannten Wählergemeinschaft ist am Montag, 20. Januar 2003, durch die Versammlungsbehörde der Hansestadt Lübeck verboten worden. Nach Paragraph (§) 15 Abs. 1 VersG kann eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Voraussetzungen für ein Verbot der Versammlung liegen vor und stützen sich auf folgende Gründe:
Nach Einschätzung der Versammlungsbehörde, der Innensenatorin und der Polizeiinspektion Lübeck werden durch im Internet veröffentlichte Aussagen der Wählergemeinschaft strafrechtliche Vorschriften, insbesondere die des § 130 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB (Volksverhetzung) sowie § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen), verletzt. Diese Veröffentlichungen, die sich im Kommunalwahlprogramm, Grundsatzprogramm und verschiedenen Flugblättern und anderem Werbematerial widerspiegeln, wenden sich dabei in aggressiver Weise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und verletzen dabei insbesondere die Rechte der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer. Auch soll die deutsche Bevölkerung gegen die Ausländer emotionalisiert werden.
Der Inhalt der auf dieser Versammlung verbreiteten Meinung geht weit über den Rahmen dessen hinaus, was in einer politischen Auseinandersetzung zulässig ist und hat strafrechtlich relevanten Inhalt.
Dem Anmelder Jürgen Gerg sind in der Vergangenheit zahlreiche Gesetzesverstöße sowohl mit politischem Hintergrund als auch allgemein polizeilicher Art zur Last gelegt worden. Dies verdeutlicht die Bereitschaft Gergs, zur Durchsetzung seiner politischen Ziele Gesetzesverstöße und gewaltsame Aktionen in Kauf zu nehmen.
Jörn Lemke ist zuletzt als Versammlungsleiter einer von Gerg angemeldeten Versammlung am 30. März 2002 in Erscheinung getreten. Lemke war Schlußredner bei der Abschlußkundgebung vor dem Lübecker Hauptbahnhof. Bei seiner Rede steigerte er sich derart in einen “überschreienden” Redefluß, daß gerade ältere Passanten den anwesenden Polizeikräften kopfschüttelnd gegenüber äußerten, es erinnere sehr an den Reichspropagandaminister des 3. Reiches. Art und Inhalt der Rede von Lemke führte zu einer ständig steigenden Aggressivität bei den Gegendemonstranten. Trotz Aufforderung mäßigte Lemke sich nicht, so daß davon ausgegangen werden mußte, daß er diese Art der Darstellung bewußt und gezielt gebrauchte und die Provokation und Aufschaukelung der Gewaltbereitschaft mindestens billigend in Kauf nahm. Als Folge mußte die Versammlung behördlicherseits vorzeitig beendet und aufgelöst werden.
Die Aufzugsstrecke führt ausschließlich durch Wohngebiete mit überwiegender Mehrfamilienhausbebauung. Gerade dort wohnt ein überwiegender Teil der ausländischen Bevölkerung in Kücknitz. Da der Aufzug mit den beiden Zwischenkundgebungen nach der Anmeldung dem Kommunalwahlkampf gilt, ist anzunehmen, daß die Inhalte des Kommunalwahlprogramms im Rahmen des Aufzuges und der Kundgebungen geäußert werden sollen. Damit ist mit Sicherheit zu erwarten, daß auch die oben dargestellten ausländerfeindlichen und nicht mit dem Grundgesetz im Einklang stehenden Äußerungen kundgetan werden. Motto der Versammlungsanmeldung ist “Arbeitsplätze für Lübeck! - Nur Nationaler Sozialismus schafft Vollbeschäftigung!”. Damit ist öffentlicher Gegenstand und somit zentraler Inhalt der Demonstration das aufgestellte Wahl- und Grundsatzprogramm der Wählergemeinschaft. Hieraus sind eindeutig ausländerfeindliche und diskriminierende Bestrebungen erkennbar, nur Arbeitsplätze für Deutsche zu schaffen.
Werden die im Internet veröffentlichten Parolen von 250 und mehr Versammlungsteilnehmern verbreitet, so muß dieses von den betroffenen ausländischen Mitbürgern und ihren Familien als manifeste Bedrohung ihrer Existenz empfunden werden. Darin ist ein Aufruf zum Haß gegen Teile der Bevölkerung zu sehen, hier der ausländischen Mitbürger, was sich unter anderem in der Forderung ausdrückt, an allen Lübecker Schulen ausländerfreie Klassen einzuführen. Es soll suggeriert werden, daß Ausländerkinder verantwortlich für Mängel an der Bildung deutscher Kinder sind. Durch diese Forderung wird die Menschenwürde anderer angegriffen und der öffentliche Friede gestört.
Aus polizeilicher Sicht wird es im Zuge des Aufzuges und seiner Kundgebungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu ausländerfeindlichen und nicht verfassungskonformen Redebeiträgen und Äußerungen kommen, die dazu führen werden, daß zumindest die ausländische Wohnbevölkerung in Kücknitz eingeschüchtert und verängstigt werden wird.
Gezielte Provokationen ausländischer Gruppierungen haben in den vergangenen Jahren in Kücknitz mehrfach dazu geführt, daß sich aus diesen Gruppierungen Kleingruppen gebildet haben, die auf die Provokationen mit Gewaltbereitschaft geantwortet haben. Hiermit ist auch anläßlich der angemeldeten Versammlung zu rechnen.
In den dargestellten deutlich erkennbaren Umständen wird die öffentliche Sicherheit am 25. Januar 2003 in Kücknitz durch die Durchführung der von Herrn Gerg angemeldeten Versammlung unmittelbar gefährdet. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse muß damit gerechnet werden, daß es zumindest zu einer offen gezeigten Ausländerfeindlichkeit aus der Versammlung heraus und besonders während der beabsichtigten Kundgebungen kommen wird. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die in der Internet-Veröffentlichung dargestellten Plakate und Flugblätter, die ausländerfeindliche Inhalte aufweisen, gezeigt und ausgehändigt werden. Ferner muß damit gerechnet werden, daß die Versammlung im Stadtteil Kücknitz, der einen besonders hohen Ausländeranteil hat, geeignet ist, Teile der dort ansässigen Bevölkerung einzuschüchtern und zu verängstigen.
Das ausgesprochene Verbot kann durch die Wählergemeinschaft noch beim Verwaltungsgericht in Schleswig angefochten werden. +++