Anlass der Bürger:innenbeteiligung
Derzeit erarbeitet die Verwaltung im Rahmen des VEP die Zielnetze für die einzelnen Verkehrsträger. Zunächst wurden diese unabhängig voneinander als Vorzugsvarianten ausgestaltet. Legt man diese übereinander, stellt man fest, dass es Zielkonflikte gibt. Es gibt Straßenräume, die für mehrere (oder alle) Verkehrsträger von hoher Bedeutung sind. Hier steht daher als nächster Schritt die planerische Aufgabe an, diese Konflikte entweder durch Umplanung oder durch Abwägung und Bevorzugung eines bestimmten Verkehrsträgers zu mindern. Dies ist vor dem Hintergrund der Verkehrswende einer der wichtigsten Arbeitsschritte im Prozess. Aus diesem Grund sollte genau hierzu eine Beteiligung durchgeführt werden.
Ziel der Veranstaltungen war es, herauszufinden, wie die Bürger:innen bei Zielkonflikten im Straßenraum entscheiden würden.
Beteiligungsformate und Ablauf
Die Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgte in drei Stufen:
- Informationsveranstaltung (31.03.2025):
Rund 120 Teilnehmenden wurden verschiedene Fachvorträge zum Thema Mobilität und der Neuaufstellung des VEPs präsentiert, die den Teilnehmenden Fach- und Grundlagenwissen vermittelten, den allgemeinen Prozess darlegten und die ersten Ergebnisse aufzeigten. Eingangs platzierte Befragungen der Teilnehmenden zeigten, dass gute Mobilität u. a. durch Multimodalität, einem guten ÖPNV-Angebot und Barrierefreiheit geprägt wird. Außerdem tragen Grünelemente und verkehrsberuhigte Bereiche zum Wohlbefinden im öffentlichen Straßenraum bei.
- Ausstellung:
Vom 31.03. bis 28.04.2025 standen den Bürger:innen Informationstafeln und zu bestimmten Sprechzeiten Fachkolleg:innen der Verwaltung im Übergangshaus für den persönlichen Austausch zur Verfügung. In den mündlich und schriftlich eingebrachten Rückmeldungen wurde u. a. der Ausbau von ÖPNV, Rad- und Fußinfrastruktur, autofreie Bereiche sowie verständliche Kommunikation gefordert.
- Planungsworkshop (28.04.2025):
Mit 80 Teilnehmenden wurden in Arbeitsgruppen konkrete Straßenraumkonzepte zur Fackenburger Allee entwickelt. Impulsvorträge von Expert:innen und eine Diskussion im Plenum stellten die verschiedenen Anforderungen an den öffentlichen Straßenraum dar. In der Planungsphase stand den acht Workshopgruppen ein Straßenraumpuzzle zur Verfügung, mit dem sie ihren bevorzugten Straßenraumquerschnitt gestalten konnten und in Form einer Vorzugsvariante festhielten.
Die Veranstaltungen wurden umfangreich beworben und standen im Übergangshaus jedem offen. Eine ausführliche Dokumentation der Öffentlichkeitsbeteiligung, der Vorzugsvarianten sowie der Ergebnisse befinden sich in Anlage 1: „Dokumentation der Öffentlichkeitsbeteiligung“.
Kernergebnisse des Planungsworkshops
Als Grundlage für die Umgestaltung eines Straßenraumes wurde die Fackenburger Allee ausgewählt. Grund dafür ist, da absehbar ist, dass sich in diesem Straßenraum diverse Anforderungen ballen. Zudem liegen mit dem Verkehrsversuch bereits Erkenntnisse vor, welche Folgen eine Umverteilung des Straßenraumes hätten. Die Ergebnisse der Workshopgruppen zeigen eine klare Tendenz hin zu nachhaltiger und sozial gerechter Mobilitätsplanung:
Alle Gruppen erweiterten Grünelemente und sahen mindestens zwei Grünelemente in ihren Vorzugsvarianten vor.
Flächenanteile für den Radverkehr wurden in allen Gruppen ausgeweitet – ausschließlich baulich getrennt und teilweise nach Radschnellwegstandard.
Fast alle Gruppen sahen Busspuren vor (einige in Form einer Wechselspur). Vereinzelt wurde eine Straßenbahn vorgesehen.
Der Kfz-Verkehr wurde deutlich reduziert – meist auf zwei Spuren. Parkstreifen ohne weitere Nutzungen oder Begrünung wurden weitgehend abgeschafft.
Die bereits heute schon verhältnismäßig breiten Gehwege im Bestand blieben in den meisten Gruppen unberührt.
Priorisiert wurden Maßnahmen die dem Umweltverbund zugutekommen:
- Tempo 30
- Trennung der Verkehrsarten
- Neuordnung des ruhenden Verkehrs u. a. durch Quartiersgaragen
Schlussfolgerungen der Verwaltung
Die Ergebnisse des Workshops zeigen Zustimmung für:
- Die Stärkung und den Ausbau der Infrastruktur des Umweltverbunds.
- Die Förderung der Grün- und Klimaanpassungsmaßnahmen im Straßenraum.
- Die Reduktion und Umverteilung der Flächen des MIV zugunsten des Umweltverbunds.
- Die Stärkung eines barrierefreien und sicheren öffentlichen Straßenraums.
Der Grundlagenbeschluss der Lübecker Bürgerschaft für den VEP besagt, den Modal Split-Anteil des Umweltverbundes von 57 % auf 70 % zu erhöhen. Aus fachlicher Sicht ist dieses Ziel zu begrüßen. Gleichzeitig ist klar, dass dieses ambitionierte Ziel kaum gelingen kann, ohne Flächen im öffentlichen Raum zugunsten des Umweltverbundes umzuverteilen. Die möglicherweise wichtigste Frage für den gesamten VEP-Prozess ist dabei, ob eine solche Umverteilung in der Stadtgesellschaft mitgetragen wird. Die durchgeführten Veranstaltungen dienten dazu, genau diese Frage zu beantworten und mit Blick auf die angehängte Dokumentation ist dies für interessierte Bürger:innen der Fall. Natürlich sind die Ergebnisse dieser Bürger:innenbeteiligung nicht repräsentativ. Es ist nahezu unmöglich, im Rahmen von Präsenzveranstaltungen einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt anzusprechen. Dennoch ist Bürger:innenbeteiligung fachlich und politisch gewünscht und erforderlich. Die Verwaltung hat die Ergebnisse daher zu beachten. Es soll an dieser Stelle nochmal explizit hervorgehoben werden, dass in der Vorbereitung der Veranstaltung genau darauf geachtet wurde, dass kein Verkehrsträger bevorzugt wird. Auch die Werbemaßnahmen für die Veranstaltung richteten sich an die gesamte Einwohnerschaft.
Im Ergebnis besteht aus Sicht der Verwaltung daher das Mandat, dort wo es notwendig und möglich ist, im VEP die planerischen Grundlagen zu schaffen, dem Umweltverbund mehr Raum zu geben. Die Ergebnisse der Beteiligung dienen gemeinsam mit dem Grundlagenbeschluss als Abwägungshilfe, wenn in der Erstellung des Gesamtverkehrsnetzes Konflikte zwischen den Verkehrsträgern zu lösen sind.