Vorlage - VO/2025/14010  

Betreff: Juleka Schulte-Ostermann (GAL), Anfrage zu: Entwicklung rechtsextremistischer Straftaten, Hasskriminalität und frauenfeindlicher Straftaten in Lübeck
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftstelle LINKE & GAL Bearbeiter/-in: Mentz, Katja
Beratungsfolge:
Hauptausschuss
25.02.2025 
28. Sitzung des Hauptausschusses zurückgestellt   
11.03.2025 
29. Sitzung des Hauptausschusses      
Ausschuss für Umwelt, Sicherheit und Ordnung zur Vorberatung
18.03.2025 
Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Sicherheit und Ordnung mit Polizeibeirat      

Beschlussvorschlag

Der Bürgermeister wird gebeten, über die zuständigen Stellen der Polizei Lübeck oder andere verantwortliche Stellen mitzuteilen, wie sich die Anzahl der folgenden Straftaten in Lübeckr die Jahre 2018 bis einschließlich 2023 entwickelt hat:

  1. Rechtsextremistische Straftaten (PMK-rechts)
  2. Hasskriminalität (KPMD-PMK; Straftaten aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild)
  3. Frauenfeindliche Straftaten im KPMD-PMK (als Teil der Hasskriminalität) sowie Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen aus der PKS

Es wird um folgende Aufschlüsselungen und Darstellungen gebeten:

-          Bei der Hasskriminalität: Aufschlüsselung nach den verschiedenen Motivationen (z.B. antisemitisch, islamfeindlich, LGBTQ+-feindlich), unabhängig davon, ob diese dem Bereich PMK-rechts zugeordnet wurden oder nicht.

-          Eine klare Trennung der Daten aus KPMD-PMK und PKS, insbesondere bei den frauenfeindlichen Straftaten und Fällen häuslicher Gewalt.

-          Eine übersichtliche tabellarische Darstellung der Anzahl der Straftaten in den drei Hauptkategorien (rechtsextremistische Straftaten, Hasskriminalität, frauenfeindliche Straftaten/häusliche Gewalt) für jedes der abgefragten Jahre, um die Entwicklung der Fallzahlen gut und schnell visuell erfassbar darzustellen.

-          Sofern möglich, wird um Ergänzung der oben erbetenen Daten um Dunkelfelddaten und/oder grundsätzlich geltende Aussagen aus der Dunkelfeldforschung für die angefragten Deliktsfelder gebeten.


 


Begründung

In Lübeck, wie in ganz Deutschland, werden politisch motivierte Straftaten über das "Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität" (KPMD-PMK) erfasst. Die Daten werden von den lokalen Polizeidienststellen erfasst und an die Landeskriminalämter weitergeleitet, d.h. sie liegen bei der Polizei Lübeck für die erbetenen Jahre vor.

Gemäß dem Verfassungsschutzbericht 2023 für Schleswig-Holstein (https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/02200/drucksache-20-02200.pdf)  ist der Bereich der politisch motivierten Straftaten, der am stärksten gestiegen ist, die "PMK -rechts-" (politisch motivierte Kriminalität - rechts).

Basierend auf dem Verfassungsschutzbericht 2023 für Schleswig-Holstein ergibt sich folgende Gegenüberstellung der rechtsextremistischen und linksextremistischen Straftaten sowie der Hasskriminalität, die den deutlichsten Anstieg bei rechtsextremistischen Straftaten belegt, gefolgt von Hasskriminalität, die überwiegend ebenfalls dem rechtsextremistischen Motiven zugeordnet wird:

-          Rechtsextremistische Straftaten 2023:

  • Anstieg um 40% auf 975 Taten im Jahr 2023
  • Absolute Zunahme: 276 Taten im Vergleich zum Vorjahr

-          Linksextremistische Straftaten 2023:

  • Abnahme um rund 5% auf 137 Taten im Jahr 2023
  • Absolute Abnahme: 7 Fälle im Vergleich zum Vorjahr

-          Gesamtzahl der Fälle rechts- und linksextremistische Straftaten Schleswig-Holstein in 2023:

  • Rechtsextremistische Straftaten: 975
  • Linksextremistische Straftaten: 137

-          Hasskriminalität in Schleswig-Holstein

  • überwiegend rechtsextremistisch motiviert
  • der Verfassungsschutzbericht 2023 definiert Hasskriminalität als politisch motivierte Straftaten, die aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf verschiedene Merkmale begangen werden:
  • Insgesamt 452 Fälle, Anstieg von 31,4% im Vergleich zum Vorjahr.
  • Von diesen Fällen wurden 391 (86,5%) dem Phänomenbereich "PMK -rechts-" zugeordnet.

Diese Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg der rechtsextremistischen Straftaten in Schleswig-Holstein, während die linksextremistischen Straftaten insgesamt deutlich seltener erfolgen und auch ein Rückgang bei den im Vergleich hohen und sehr deutlich steigenden Zahlen rechtsextremistischer Straftaten in Schleswig-Holstein zu verzeichnen ist. Zusätzlich ist ein signifikanter Anstieg der Hasskriminalität (vor allem rechtsextremistische Motive) in Schleswig-Holstein festzustellen:

-          Insgesamt 452 Fälle von Hasskriminalität, ein Anstieg um 31,4% im Vergleich zum Vorjahr.

-          86,5% dieser Fälle (391) wurden dem Bereich "PMK -rechts-" zugeordnet.

Der Rechtsextremismus wird im Verfassungsschutzbericht in Schleswig-Holstein als größte Gefahr eingestuft. Dies wird durch die Zahlen der Hasskriminalität zusätzlich untermauert, da der überwiegende Teil dieser Straftaten ebenfalls dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist. CDU-Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack bezeichnete den Anstieg als "überhaupt nicht gut" (Quelle: https://www.trtdeutsch.com/news-inland/schleswig-holstein-zahl-rechtsextremer-straftaten-deutlich-gestiegen-18170790). Der Verfassungsschutzbericht 2023 unterstreicht somit die wachsende Bedrohung durch rechtsextreme Aktivitäten und damit verbundene Hasskriminalität in Schleswig-Holstein und bestätigt die Einschätzung, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für die demokratische Ordnung darstellt.

Von der Polizei für Schleswig-Holstein registrierte Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts sowie Hassdelikte im Jahr 2023 stammen auffallend oft aus Lübeck, siehe Drucksache des Schleswig-Holsteinischen Landtages 20/1898 (https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/01800/drucksache-20-01898.pdf:

  1. 20.03.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), Antiziganistisch, Fremdenfeindlich, Rassismus, Seite: 18
  2. 20.03.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), ausländerfeindlich, fremdenfeindlich, Rassismus, Seite: 18
  3. 23.03.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), fremdenfeindlich, ausländerfeindlich, Rassismus, Seite: 18
  4. 09.06.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), antisemitisch, fremdenfeindlich, Seite: 36
  5. 11.07.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), fremdenfeindlich, ausländerfeindlich, Rassismus, Verherrlichung/Propaganda, Seite: 18
  6. 21.09.2023 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB), ausländerfeindlich, fremdenfeindlich, Ausländer-/Asylthematik, Verherrlichung/Propaganda, Seite: 29
  7. 23.09.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), antiziganistisch, Rassismus, fremdenfeindlich, Völkischer Nationalismus, Seite: 30
  8. 28.09.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), ausländerfeindlich, fremdenfeindlich, Reichsbürger/Selbstverwalter, Seite: 30
  9. 09.09.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), fremdenfeindlich, antisemitisch, Seite: 36
  10. 10. 09.09.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), ausländerfeindlich, fremdenfeindlich, Seite: 36
  11. 09.09.2023 Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), Rassismus, fremdenfeindlich, Seite: 36
  12. 08.10.2023 Gefährliche Körperverletzung (Versuch) (§ 224 StGB), ausländerfeindlich, fremdenfeindlich, Seite: 31
  13. 11.10.2023 Bedrohung (§ 241 StGB), antisemitisch, Rassismus, fremdenfeindlich, Seite: 32
  14. 11.10.2023 Gefährliche Körperverletzung (Versuch) (§ 224 StGB), fremdenfeindlich, islamfeindlich, Israel, Pastina, Seite: 32
  15. 17.08.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), Gegen sonstige politische Gegner*innen, fremdenfeindlich, Rassismus, islamfeindlich, Ausländer-/Asylthematik, ausländerfeindlich, Seite: 25
  16. 18.-19.11.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), Israel, Palästina, antisemitisch, fremdenfeindlich, Verherrlichung/Propaganda, Leugnung des Holocaust, Seite: 36
  17. 22.11.2023 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB), Seite: 36
  18. 24.11.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), fremdenfeindlich, Rassismus, Seite: 36
  19. 25.11.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB), fremdenfeindlich, Rassismus, Seite: 36,
  20. 26.11.2023 Volksverhetzung (§ 130 StGB, Äerungen zu NS-Verbrechen), fremdenfeindlich, antisemitisch, Leugnung des Holocaust, Seite: 36

Diese Liste umfasst alle dokumentierten Fälle rechter Straftaten und Hasskriminalität in Lübeck aus der vorliegenden Drucksache.

 

 

 

 

Im Ranking aller gelisteten Städte steht Lübeck gemäß der Daten aus der o.g. Drucksache des Landtages bei der Anzahl rechter Straftaten an zweiter Stelle in Schleswig-Holstein:

 

Stadt/Gemeinde

Anzahl rechter Straftaten/Hasskriminalität

Rang

1

Kiel

25

1

0

beck

20

2

2

Flensburg

18

3

3

Neumünster

10

4

4

Norderstedt

8

5

5

Pinneberg

7

6

6

Elmshorn

6

7

Die Erfassung von frauenfeindlichen Straftaten, insbesondere häuslicher Gewaltdelikte, im KPMD-PMK ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. In Lübeck zeigen sich besorgniserregend hohe Zahlen häuslicher Gewalt, von der überwiegend aber nicht nur Frauen betroffen sind (siehe: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/POLIZEI/DasSindWir/PDen/Luebeck/_downloads/pks/pks_pdluebeck_2023.pdf?__blob=publicationFile&v=6)

Neben häuslicher Gewalt fallen unter frauenfeindliche Straftaten im KPMD-PMK:

  1. Femizide (Tötungsdelikte zum Nachteil von Frauen aufgrund ihres Geschlechts)
  2. Sexualdelikte mit frauenfeindlichem Motiv
  3. rperverletzungen mit frauenfeindlichem Hintergrund
  4. Bedrohungen und Nötigungen gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts
  5. Beleidigungen und Verleumdungen mit frauenfeindlichem Motiv
  6. Sachbeschädigungen an Einrichtungen für Frauen
  7. Volksverhetzung mit frauenfeindlichem Inhalt

Hinweis:

usliche Gewalt gegen Frauen wird nicht im KPMD-PMK erfasst, sofern nicht eines der oben genannten politischen oder ideologischen Motive vorliegt. Daher kann es sein, dass die in der KPMD-PMK erfassten frauenfeindlichen Straftaten in Lübeck geringer ausfallen als die erfassten Straftaten, die unter die Kategorie häusliche Gewalt in anderen Statistiken fallen (vgl. https://www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Kurzmeldungen/241119_BLBStraftatengegenFrauen2023.html). Um mit der erbetenen Antwort auf die vorliegende Anfrage nicht unbeabsichtigt den Eindruck zu erwecken, das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Frauen in Lübeck sei nicht hoch, nur weil nicht alle Fälle in der KPMD-PMK erfasst werden, wird die Ergänzung um die Fälle der häuslichen Gewalt gegen Frauen in der PKS gebeten. Denn KPMD-PMK und die PKS stellen unterschiedliche Erfassungssysteme mit verschiedenen Schwerpunkten dar, so dass im Falle der geschlechtsbezogenen Straftaten gegen Frauen in Lübeck eine kombinierte Betrachtung beider Statistiken für ein umfassenderes Bild der Situation sinnvoll erscheint.

Es ist wichtig zu beachten, dass die tatsächliche Zahl der Straftaten (Hellfeld) aus den erbetenen Deliktsbereichen in Lübeck möglicherweise höher liegt, da nicht alle Fälle gemeldet oder erkannt/aufgedeckt werden (Dunkelfeld). Die Dunkelfeldforschung kann daher ggf. hilfreiche ergänzende Daten und/oder grundsätzlich relevante Informationen zur Einschätzung der tatsächlichen Lage in Lübeck liefern.


 


Anlagen