Zusammenfassung:
Gegenstand dieser Vorlage ist die Vergabe von Grundstücken, die im Eigentum der Hansestadt Lübeck oder der beiden städtischen Gesellschaften stehen, die regelmäßig gemäß ihrem Gesellschaftszweck Gewerbegrundstücke erschließen und vergeben; das sind die KWL GmbH sowie, im Fall des Gewerbegebiets Herrenwyk, die Grundstücksgesellschaft Metallhüttengelände mbH. (Die Wirtschaftsförderung Lübeck GmbH vergibt selbst keine Grundstücke, sondern führt die Vermarktung als Dienstleisterin durch.)
Damit die Vergaben im Sinn der städtischen Nachhaltigkeitsziele und zudem transparent und verlässlich erfolgen, wurde ein umfassender, aber praxistauglicher Kriterienkatalog entwickelt, der künftig zugrunde gelegt werden soll.
Sachverhalt:
Die Vergabe von Gewerbegrundstücken durch die KWL in der Hansestadt Lübeck erfolgte bisher auf der Grundlage eines Kriterienkatalogs zur Charakterisierung und Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der anfragenden Unternehmen. Dieser bildete die Grundlage für die Vergabevorlagen zur Grundstücksveräußerung im Aufsichtsrat der KWL und der Wirtschaftsförderung sowie in den entsprechenden Ausschüssen der Hansestadt Lübeck.
Zu den Kriterien zählten z.B.:
- Branchenzugehörigkeit
- Art der zukünftigen Nutzung
- Anzahl und Art der gesicherten/der neu zu schaffenden Arbeitsplätze
- Flächengröße und Anzahl Mitarbeiter:innen/ha
- bisherige Dauer der Geschäftstätigkeit
- Bonitätsindex (gemäß Creditreform)
- Aussage des Finanzierungspartners zum Investitionsprojekt
- für HL wichtige/relevante/innovative/interessante Branche bzw. Unternehmensentwicklung
- stadtentwicklungspolitische Relevanz/Handlungsbedarf (z.B. Aufwertung des
Altstandortes)
Die Entscheidung über die Vergabe eines Grundstücks an ein bestimmtes Unternehmen hat jedoch nicht nur steuerliche und wirtschaftliche, sondern auch ökologische, gesellschaftliche und soziale Auswirkungen auf eine Kommune. Es war daher an der Zeit, die bisherigen Vergabekriterien unter Berücksichtigung auch dieser Aspekte grundlegend zu überarbeiten
Um darüber hinaus eine gewisse Einheitlichkeit bei der Vergabe von Gewerbegrundstücken innerhalb der Hansestadt Lübeck zu gewährleisten, soll die Vergabematrix aus Sicht der Verwaltung auch auf die Vergabe von Grundstücken angewendet werden, die sich im Eigentum der Hansestadt Lübeck befinden und durch diese (Bereich Wirtschaft und Liegenschaften) vermarket werden.
Der hier vorgelegte Kriterienkatalog wurde im Hinblick auf Grundstücke in Gewerbe- und Industriegebieten konzipiert. Er soll jedoch ebenfalls Anwendung finden bei der Vergabe von Grundstücken, die in Mischgebieten oder urbanen Gebieten gewerblich genutzt werden sollen. Auf Grundstücke, die einer anderen baulichen Nutzung unterfallen, ist er nicht anzuwenden. Dies gilt auch für Grundstücke, die in Sondergebieten eine gewerbliche Nutzung erfahren sollen (z.B. Hafengebiete).
Der Kriterienkatalog soll weiterhin nur Anwendung finden auf Grundstücke, die verkauft oder im Erbbaurecht vergeben werden oder bei denen ein Pacht-/Mietvertrag mit einer Dauer von mehr als 20 Jahren (inklusive möglicher Verlängerungsoptionen) geschlossen wird.
Die Neufassung und Überführung in die hier vorgelegte Bewertungsmatrix für Grundstücksvergaben kombiniert den bisherigen Kriterienkatalog der Wirtschaftsförderung LÜBECK GmbH mit einer Bewertungsmatrix der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn GmbH (auf Basis einer vereinfachten Matrix der Stadt Bocholt, NRW).
Die bisherigen Kriterien zur wirtschaftlichen Beurteilung wurden weiter geschärft, und die oben benannten Aspekte Ökologie sowie soziale und gesellschaftliche Auswirkungen fanden Eingang in die Bewertung.
Einen wichtigen Anknüpfungspunkt bildeten hierbei die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals [SDGs]) der Agenda 2030 der UN. Dieser Resolution zur nachhaltigen Entwicklung hat sich die Hansestadt Lübeck gemäß Beschluss der Lübecker Bürgerschaft angeschlossen. Diese globalen Ziele sind jedoch zielgerichtet auf Aspekte und Maßnahmen herunter zu brechen, die –wie in diesem Fall– ansiedlungs- und verlagerungswillige Unternehmen überhaupt beeinflussen können. Eine synoptische Gegenüberstellung der 17 SDGs mit den wesentlichen Inhalten (für Deutschland) (vgl. dazu https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-erklaert-232174) und der in der Bewertungsmatrix berücksichtigten Maßnahmen erfolgt in Anhang 3 der Bewertungsmatrix.
Im Hinblick auf die Einführung energetischer und ökologischer Kriterien wurde der Leitfaden „Gewerbegebiete der Zukunft“ des Regionalmanagements im Hansebelt (Kooperationspartner sind die Wirtschaftsförderungs- und Erschließungsträgergesellschaften sowie Kreis- bzw. Stadtplaner aus den Kreisen Ostholstein, Segeberg, Stormarn, Herzogtum Lauenburg und der Hansestadt Lübeck sowie die IHK zu Lübeck) als Grundlage herangezogen. Dieser wurde seitens der AG Raum für Wirtschaft entwickelt und vom Beratungsunternehmen IPP ESN Power Engineering GmbH erarbeitet. Der Leitfaden stellt grundsätzliche Maßnahmen in Form von zweiseitigen Maßnahmensteckbriefen vor.
Auf Wunsch der Wirtschaftsförderungs- und Erschließungsträgergesellschaften in der Hansebelt-Region wurden die Maßnahmensteckbriefe über eine Filterung nach „Relevanz“ für verschiedene Anwendungsfälle so abgebildet, dass sie, wie in einer Loseblattsammlung, jeweils in Ansiedlungs- oder Beratungsgesprächen eingesetzt werden können. Die Maßnahmen des 1. Filters (Projektentwickler [PE] und Eigeninvestor sowie Bestandsnutzer) wurden bei der Entwicklung der Vergabematrix für Gewerbegrundstücke weiterverwendet. In Abstimmung mit den beteiligten Fachbereichen der Hansestadt Lübeck erfolgte darüber hinaus eine unterschiedliche Gewichtung der Maßnahmen, da diese in ihrer Relevanz und Wertigkeit sehr unterschiedlich sind. Gesetzlich mittlerweile verpflichtend auf Bundes- oder Landesebene eingeführte Maßnahmen sind nicht mehr Teil der Maßnahmenauswahl. Die insgesamt 37 energetischen und ökologischen Maßnahmen sind auf den Seiten 7-9 der Bewertungsmatrix aufgelistet. Von diesen sollen mindestens 5 bzw. maximal 10 Maßnahmen im Block 5 der Bewertungsmatrix als „Selbstverpflichtung“ des bewerteten Unternehmens aufgeführt werden.
Die bereits im ursprünglichen Kriterienkatalog enthaltenen beschäftigungsrelevanten Kriterien wurden in Orientierung an die Broschüre „Verantwortung lohnt sich. Einführung in den Aufbau einer Corporate-Responsibility-Strategie für KMU“ der IHK Darmstadt Rhein-Main-Neckar (2022) um weitere 10 soziale und gesellschaftliche Kriterien sowie Aspekte aus dem Bereich Gemeinwesen + Soziale Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility/CSR) ergänzt.
In der neuen Vergabematrix sind daher jetzt umfassende thematische Gewichtungen nach einem Index- und Kennzahlenkatalog enthalten, die die Beurteilung des Unternehmens bzw. des Projektentwicklers über ein Punktesystem ermöglichen.
Der jetzt vorgelegte Kriterienkatalog wurde im Juni 2024 mit Vertreter:innen der IHK zu Lübeck und der Kreishandwerkerschaft als fachlich zuständige Interessensvertreter:innen wichtiger lokaler Wirtschafts-Stakeholder diskutiert und im Juli 2024 final dem Aufsichtsrat der KWL vorgestellt, der sich zuvor mehrfach mit dem Thema beschäftigt hatte. In seiner Sitzung am 05.07.2024 hat der Aufsichtsrat dazu folgenden Beschluss gefasst: „Der Aufsichtsrat nimmt den nachfolgenden Sachstandsbericht zur Kenntnis und befürwortet das vorliegende Konzept als Grundlage für die Vergabe von Gewerbegrundstücken.“
Das Tabellenblatt Grunddaten (Seiten 1-3 der Anlage) besteht aus den folgenden Blöcken:
- Basisdaten des anfragenden Unternehmens
- Zielkategorie I: Unternehmens- und immobilienwirtschaftliche Kriterien (4 Aspekte)
- Zielkategorie II: Strukturpolitische Kriterien (5 Aspekte)
- Zielkategorie III: Beschäftigungsrelevante Kriterien /soziale und gesellschaftliche Kriterien /Gemeinwesen + Corporate Social Responsibility (CSR) (14 Aspekte)
- Zielkategorie IV: Flächeneffizienz (2 Aspekte)
- Zielkategorie V: Energetische und ökologische Aspekte, Aufteilung wie folgt:
- V 1. (Nur GE-Park Semiramis): Obligatorisch einzuhaltende Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Eingriffen in Natur und Landschaft im Plangebiet gem. §1 Nr. 6 Städtebaulicher Vertrag GE-Park Semiramis [Umsetzung des B-Plans 15.04.00] (6 Maßnahmen)
- V 2.: Maßnahmen gem. Leitfaden „Gewerbegebiete der Zukunft“, IPP ESN Power Engineering im Auftrag des Regionalmanagement im Hansebelt:
(Filter Projektentwickler (PE) und Eigeninvestor und Bestandsnutzer) (Mindestens 5 Maßnahmen aus dem Gesamtkatalog, maximal 10 Maßnahmen)
- Zusatzbewertung (Bonus – Malus) (5 Aspekte).
Das Blatt Gewerbegebiet Dänischburg (S. 4-5 der Anlage) verzichtet auf die Zielkategorie
V 1 des Grundblatts (diese gilt nur im Gewerbepark Semiramis) und ist damit für Gewerbegebiete mit alten Bebauungsplänen ohne differenzierte textliche Festsetzungen bezüglich ökologischer Maßnahmen anwendbar.
Das Blatt Flächen + Branchen (S.6) enthält die Flächengrößen gemäß Aufteilungsplan für den Gewerbepark Semiramis und das Gewerbegebiet Dänischburg. Der zutreffende Wert wird mit dem Grundblatt (Basisdaten, Zelle „Wunschfläche“) verlinkt (im Musterblatt sind es z.B. zwei Flächen, die kombiniert wurden: 8.102 m2 und 11.951 m2= 21.053 m2).
Es wurde zudem eine Branchenliste entwickelt, welche den einzelnen Branchen eine bestimmte Punktzahl zuordnet. Diese basieren auf den Erkenntnissen des Monitorings der laufenden Gewerbeflächennachfrage und der vergebenen Gewerbeflächen aus Bestands- und Ansiedlungsanfragen, den Empfehlungen der Ansiedlungsstrategie des Landes Schleswig-Holstein und den Ergebnissen des Branchenreports der Wirtschaftsförderung Lübeck.
Die am höchsten (Punktzahlen zwischen 7 und 10) bewerteten Fokusbranchen sind aktuell und auch zukünftig von höchstem Stellenwert für die Bestandsentwicklung und Ansiedlung in Lübeck:
Angeführt wird die Tabelle von den 4 Schwerpunktbranchen der Hansestadt Lübeck mit den höchsten Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten und einer Wertung von jeweils 10 Punkten (Medizintechnik & Life Science, Ernährungswirtschaft, Maschinen- und Anlagenbau /Maritime Wirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie und Elektronik).
Es folgen mit jeweils 8 Punkten Produzierendes Gewerbe, Handwerk, Großhandel und Logistik (Mehrwertlogistik und Hafenbezug) sowie Forschung & Entwicklung (F&E) und mit 7 Punkten die Unternehmensnahen Dienstleistungen.
Deutlich abgesetzt folgen die Branchen Handel (3 Punkte /starke städtebauliche Fokussierung auf die Vorgaben des Zentrenkonzeptes der Hansestadt Lübeck), Logistik (hier explizit Kurier-, Express- und Paketdienstleister als Nutzer mit hohem Verkehrsflächenbedarf) mit 3 Punkten, Recycling mit 2 Punkten (insbesondere aus Umweltschutzgründen) und Sonstige (1 Punkt).
In Abstimmung mit den Bereichen Stadtplanung, UNV und der Klimaleitstelle ist keine explizit nachhaltige Branche genannt (z.B. „Erneuerbare Energien“), da eine neutrale Einstufung der Unternehmen vorgenommen werden soll. Der zutreffende Wert wird mit dem Grundblatt verlinkt und unter II/Strukturpolitische Kriterien/Branche/PunktzahlUnternehmen eingetragen.
Die in den einzelnen Zielkategorien zu erreichenden Punkte für das Unternehmen ergeben sich aus der entsprechenden Anwendung der Indexwerte und/oder Kennzahlen in der Spalte „Index“ der Tabelle.
Die erreichte Punktzahl wird in die entsprechenden Felder in die Spalte „Punktzahl Unternehmen“ eingetragen. Die hier aktuell aufgeführten Werte sind Beispielwerte und dienen nur der Veranschaulichung! Die Zwischensummen nach Kategorie und der erreichte Anteil in % werden in den entsprechenden Spalten berechnet.
Zum Vergleich ist zusätzlich die maximal erreichbare Punktzahl („Maximale Punktzahl“) und die minimal zu erzielende Punktzahl („Minimum Punktzahl“) mit den jeweiligen Zwischensummen nach Kategorie und den erreichten Anteilen in % dargestellt.
Bei der Bewertung auf dem Grundblatt wird aktuell ein zu erzielender Schwellenwert für eine positive Vergabeentscheidung von 113 Punkten (entspricht rechnerisch 46,5 % der maximal erzielbaren Punkte) angesetzt. Bei der Bewertung auf dem Blatt GE-Gebiet Dänischburg wird entsprechend ein Schwellenwert von 107 Punkten angesetzt.
Die minimal erzielbare Punktzahl liegt bei 58 (Grundblatt, inkl. GE-Park Semiramis) bzw. 52 Punkten (Blatt GE-Gebiet Dänischburg) und damit deutlich unter der Schwelle der mindestens zu erzielenden Punkte. Diese können nur durch entsprechende Sozial- und Ökopunkte und „gute“ wirtschaftliche Daten erreicht werden!
Dies ist insbesondere für den Fall wichtig, dass z.B. Unternehmen aus bestimmten Branchen (z.B. Wasserstoffwirtschaft) mit sehr geringem Mitarbeiteranteil über die Bonusregelung und entsprechend zwingend zu erzielende „Ökopunkte“ trotzdem angesiedelt werden können.
Auf dem Bewertungsgrundblatt ist ganz unten beispielhaft dargestellt, wie z.B. ein Betrieb mit einer geringen Anzahl von Mitarbeiter:innen einzuordnen wäre und wie viele Zusatzpunkte erzielt werden müssten, um die Schwelle von 113 bzw. 107 Punkten zu erreichen. Die notwendigen Ökopunkte müssen jedoch auch anhand der zur Auswahl stehenden Maßnahmen gemäß dem Anhang „Ökokriterien“ für das zu bewertende Unternehmen realistisch erreichbar sein. Daher sollen bei dieser Betrachtung mindestens 15 weitere Ökopunkte zu den obligatorisch zu erzielenden 10 Punkten hinzukommen.
Grundstücke, die im Eigentum der Hansestadt Lübeck stehen werden durch den Bereich Wirtschaft und Liegenschaften regelmäßig mit einem Erbbaurecht vermarktet.
Soweit Grundstücke zum Höchstgebot (als Erbbaurecht ohne konzeptionelle Anteile, oder zum Verkauf) ausgeschrieben werden, soll der hier vorgelegte Kriterienkatalog nur ergänzend Anwendung finden für den Fall gleich hoher Gebote.
Bei Vergabevorlagen im Anwendungsbereich des Kriterienkatalogs wird künftig der Punktwert dargestellt werden, sodass die jeweilige Beschlussempfehlung transparent und nachvollziehbar wird und entsprechend von den Entscheider:innen bewertet werden kann.