Vorlage - VO/2020/08832  

Betreff: AfD - Repräsentativität der Einwohnerversammlung verbessern
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsstelle der Fraktion Alternative für Deutschland (AfD) Bearbeiter/-in: Gaidetzka, Andrea
Beratungsfolge:
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
28.05.2020 
16. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck an Verwaltung / Ausschuss zurück verwiesen   
Hauptausschuss zur Entscheidung
23.06.2020 
34. Sitzung des Hauptausschusses abgelehnt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck

 

1)      nimmt zur Kenntnis, dass auf allen Einwohnerversammlungen seit 2011 weniger als ein Prozent der Wahlberechtigten vertreten war; und

 

2)      fordert die Stadtpräsidentin auf, bei der Planung künftiger Einwohnerversammlungen

  1. Veranstaltungsorte zu berücksichtigen, die mit ÖPNV und insbesondere PKW besser zu erreichen sind als das Rathaus, und
  2. die Durchführung an einem Samstag oder Sonntag zu berücksichtigen.

 

 


Begründung

Die Einwohnerversammlung nach § 16b Gemeindeordnung dient dazu, wichtige Angelegenheiten der Gemeinde zu erörtern. Damit diese Erörterung und die Erarbeitung von Vorschlägen und Anregungen zur weiteren Befassung in der Gemeindevertretung die Interessen der Einwohner angemessen abbildet, ist eine möglichst zahlreiche und repräsentative Teilnahme der Einwohner anzustreben. Sehr gering besuchte, in ihrer Zusammensetzung nicht repräsentative Einwohnerversammlungen, bilden die Interessenlage der Einwohner nur verzerrt ab. Sie können leicht von besser organisierten Gruppen dominiert und für deren Partikularinteressen missbraucht werden. 

Die Lübecker Einwohnerversammlungen der letzten Jahre waren regelmäßig sehr gering besucht. In keiner einzigen erreichte die Teilnehmerzahl ein Prozent der Wahlberechtigten. In vier von sechs Fällen blieb die Teilnehmerzahl deutlich unter ein Promille der Wahlberechtigten.

Tabelle 1: Einwohnerversammlungen der Hansestadt Lübeck seit 2011

Datum

Wochentag

Ort

Teilnehmer (1)

Anteil an Kommunalwahlberechtigten in der Hansestadt Lübeck (2)

24.06.2019

Montag

Rathaus HL

140

0,079%

05.07.2016

Dienstag

Rathaus HL

61

0,034%

03.11.2015

Dienstag

Hansehalle

386

0,219%

04.02.2013

Montag

Maritim Travemünde

1270

0,722%

18.06.2012

Montag

Rathaus HL

85

0,048%

16.06.2011

Donnerstag

Rathaus HL

77

0,043%

(1)   Anwesende zum Zeitpunkt des TOPs „Anträge“

(2)   Wahlberechtigte bei der Kommunalwahl am 06. Mai 2018: 175.725

 

Stärker besucht waren lediglich die Einwohnerversammlungen in 2015 und 2013. Dabei fällt auf, dass diese beiden bestbesuchten Einwohnerversammlungen nicht im Lübecker Rathaus, sondern an den im Vergleich zum Rathaus insbesondere mit PKW besser erreichbaren Veranstaltungsorten Hansehalle und Maritim Lübeck-Travemünde stattfanden.

Im Fall der außerordentlich gutbesuchten Einwohnerversammlung 2013 in Travemünde ging es vor allem um das ortsbezogene Thema der Bebauung des Grünstands mit dem „Segelcampus Mövenstein“.

Offensichtlich spielt die Erreichbarkeit für die Teilnahmeentscheidung der Einwohner eine wesentliche Rolle. Auf einer Einwohnerversammlung werden regelmäßig vor allem Einwohner aus der näheren Umgebung des Veranstaltungsorts vertreten sein.

Bei einer Einwohnerversammlung im Rathaus werden die Teilnehmer überwiegend aus der Lübecker Innenstadt kommen. Eine von Innenstadtbewohnern dominierte Einwohnerversammlung ist nicht repräsentativ, weil die Bevölkerung in der Innenstadt nicht repräsentativ für die Bevölkerung Lübecks ist.

 

Lübeck

Innenstadt

Einwohner

220.629

14.070

Anteil Einwohner 0-17 Jahre

15,1

10,5

Anteil Einwohner 18-64 Jahre

62,0

74,5

Anteil Einwohner ü. 65 Jahre

22,9

15,1

Anteil Ledige

44,9

61,1

Anteil Verheiratete

24,9

38,1

Anteil Ein-Personen-Haushalte

52,2

70,7

Anteil Paare mit Kindern

14,8

7,5

Anteil Alleinerziehende

4,6

3,1

Kfz-Bestand/1.000 Einwohner

443

368

Versorgungsquote Kindertagesstätten 31.12.2017

74,5

92,7

 

Der typische Innenstadtbewohner ist in erwerbsfähigem Alter und lebt allein. Seine Interessenlage dürfte je nach Gegenstand deutlich z.B. von einem Ehepaar mit kleinen Kindern abweichen. Abweichende Interessenlagen von Innenstadtbewohnern gegenüber den Bewohnern anderer Stadtteile liegen z.B. vor bei Verkehrsfragen, insbesondere bei der Beurteilung des PKW-Verkehrs, gegenüber den Bewohnern in Schlutup und Travemünde (je 500 PKW auf 1.000 EW, Innenstadt: 368).

Der vorliegende Antrag soll eine bessere örtliche Erreichbarkeit der Einwohnerversammlungen für die Bewohner anderer Stadtteile als der Innenstadt bewirken. Dadurch soll die Dominanz der Innenstadtbewohner gegenüber den bisherigen Einwohnerversammlungen im Rathaus reduziert werden.

Die Einwohnerversammlungen fanden bisher typischerweise werktags von 17 bis 20 Uhr statt. Etwa 80% der Beschäftigten haben Arbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr.[1] 57% der abhängig Beschäftigten arbeiten am Wochenende nicht. Eine Verlegung der Einwohnerversammlungen auf das Wochenende soll eine bessere zeitliche Erreichbarkeit für in Vollzeit tätige, abhängig Beschäftigte (64.868 Personen zum 31.12.2017) bewirken.

 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Arbeitszeitreport Deutschland 2016

 

 


 


Anlagen