Vorlage - VO/2019/07310  

Betreff: Berücksichtigung von Vergnügungsstätten in der Stadtplanung
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Hagen
Federführend:5.610 - Stadtplanung und Bauordnung Bearbeiter/-in: Zamory, Rasmus
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
06.05.2019 
15. Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnisnahme
13.05.2019 
7. Sitzung des Wirtschaftsausschusses und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
23.04.2019 
14. Sitzung des Hauptausschusses zurückgestellt   
21.05.2019 
16. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
23.05.2019 
8. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Interfraktioneller Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen und BM Bruno Böhm in der Bürgerschaftssitzung am 27.02.2014 (VO/2014/01317).

 

 


Begründung

Der Bürgermeister wurde von der Bürgerschaft beauftragt ein Konzept zur Berücksichtigung von sog. "Vergnügungsstätten" (insbesondere Spielhallen, Wettbüros und Sexshops) in der Stadtplanung“ (VO/2014/01317) aufzustellen.

 

 

Bei den im Bürgerschaftsauftrag genannten Spielhallen und bestimmten Formen von Wettvertriebsstätten handelt es sich um Vergnügungsstätten im Sinne der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Nach vorherrschender Meinung lassen sich Vergnügungsstätten als Sammelbegriff für Gewerbebetriebe verstehen, die auf verschiedenste Weise unter Ansprache des Erotik-, Spiel- oder Geselligkeitstriebs bestimmte Freizeitangebote vorhalten. Darunter fallen auch Spielhallen und bestimmte Formen von Wettvertriebsstätten, die im Einzelfall negative städtebauliche Folgewirkungen nach sich ziehen können, insbesondere wenn es zu einer lokalen Häufung von entsprechenden Nutzungen kommt. Sexshops sind planungsrechtlich nicht als Vergnügungsstätten, sondern als Einzelhandelsbetriebe einzustufen.

 

In der Vergangenheit wurden in verschiedenen Städten Konzepte zur Steuerung von Vergnügungsstätten aufgestellt. Ziel der Konzepte war es im Wesentlichen Spielhallen und Wettbüros an bestimmten Standorten planungsrechtlich auszuschließen und eine lokale Häufung zu unterbinden. Die kommunale Bauleitplanung stellte damals die einzige Möglichkeit dar, um auf die Ansiedlung von Vergnügungsstätten steuernd einzuwirken.

 

Mittlerweile gibt es neben dem Baurecht auch Regelungen im Geweberecht, die auf die Ansiedlung von Spielhallen und Wettbüros regulativ einwirken. In den letzten Jahren wurden immer restriktivere Vorschriften eingeführt, um Jugendschutz und Suchtprävention zu gewährleisten. Betreiber einer Spielhalle oder einer Wettvertriebsstätte benötigen sowohl eine gewerberechtliche als auch eine baurechtliche Genehmigung. Wird eine der beiden Genehmigungen nicht erteilt, darf die Nutzung nicht ausgeübt werden.

 

 

Spielhallen

In der Hansestadt Lübeck existieren insgesamt 48 gewerberechtlich genehmigte Spielhallen an 42 Standorten. In der Vergangenheit war ein erhöhter Ansiedlungsdruck von Spielhallen zu verzeichnen, weswegen in den 90er Jahren für große Teilbereiche der Innenstadt als auch für das direkte Bahnhofsumfeld Bebauungspläne aufgestellt wurden, um Spielhallen planungsrechtlich auszuschließen. Durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes kann jedoch nur die zukünftige Ansiedlung von zusätzlichen Spielhallen ausgeschlossen werden, da die bereits baurechtlich genehmigten Spielhallen Bestandschutz genießen.

 

Mit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes (SpielhG) im Jahr 2012 wurden über das Gewerberecht Mindestabstände von 300 m zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche eingeführt. Dabei sind alle Einrichtungen und Orte, an denen sich Kinder aufhalten, zu berücksichtigen. Diese Mindestabstände werden von dem Lübecker Ordnungsamt (Abt. 3.322.4 - Gewerbeangelegenheiten) gewerberechtlichen Erlaubnis überprüft.

 

Seit der Einführung der Mindestabstände konnte keine einzige Spielhallenerlaubnis mehr erteilt werden, da die Mindestabstände nicht eingehalten werden konnten. Die Anzahl an Spielhallen wird zukünftig sogar abnehmen, da zudem gemäß SpielhG die Erlaubnisse für Mehrfach-Spielhallen (also Spielhallen, die sich an einem Standort in einem baulichen Verbund mit mindestens einer weiteren Spielhalle befinden), nur noch befristet gültig sind. Im Gegensatz zum Baurecht gibt es im Gewerberecht keinen Bestandsschutz.

 

Eine städtebaulich unverträgliche Konzentration von Spielhallen ist aufgrund der Abstandsregelungen des SpielhG auszuschließen.

 

 

Wettvertriebsstätten

Nach der Aufhebung des „staatlichen Glückspielmonopols“ durch den Europäischen Gerichtshof im Jahr 2010 wurde befürchtet, dass eine Schwemme von privaten stationären Wettanbietern auf den Markt kommt. Aber auch im Bereich des stationären Vertriebs ist das Land durch die Sportwettvertriebsverordnung (SVVO) regulatorisch tätig geworden.

 

Nach der SVVO wird zwischen verschiedenen Formen von stationären Wettvertriebsstätten unterschieden. Der wesentliche Betriebszweck von Wettbüros und Wettlokalen ist der Vertrieb von Wetten, aber nur in den Wettlokalen können Sportereignisse auch live mitverfolgt werden. Planungsrechtlich werden Wettlokale regelmäßig und im Einzelfall auch Wettbüros als Vergnügungsstätten eingestuft. Es gilt der Grundsatz, je höher die Aufenthaltsqualität des Wettbüros, desto eher muss die Lokalität als Vergnügungsstätte eingestuft werden. In Wettannahmestellen steht der Vertrieb von Wetten nicht im Vordergrund, sondern eine andere Nutzung, wie z.B. bei einem klassischen Kiosk der u.a. auch Tippspiele anbietet. Im Regelfall gehen von einer Wettannahmestelle keine negativen städtebaulichen Auswirkungen aus.

 

Aus Gründen der Suchtprävention werden für Wettbüros und Wettlokale in der SVVO Mindestabstände von 100 m zu Einrichtungen für Jugendliche und Kinder definiert. Dabei kommen nur die Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in Betracht, die von potentiellen Spielsüchtigen besucht werden. Beispielsweise weiterführende Schulen, Einrichtungen der Spielsuchtprävention, Jugendzentren und Jugendherbergen. Grundschulen, Kindergärten oder Spielplätze werden nicht berücksichtigt. Vom Verordnungsgeber wird angenommen, dass es sich bei einem Besucher von Wettvertriebsstätten um einen anderen Typus von Spieler, der weniger suchtgefährdet ist, handelt. Deswegen werden keine Mindestabstände zwischen den Wettvertriebsstätten und zu den Spielhallen definiert. Nur innerhalb eines Gebäudekomplexes dürfen eine Spielhalle und eine Wettvertriebsstätte nicht gleichzeitig bestehen. Für die gewerberechtliche Genehmigung von Wettvertriebsstätten ist das Ministerium  für Inneres, ländliche Räume und Integration (Referat IV 36 – Glücksspielwesen und Gemeindewirtschaftsrecht) zuständig.

 

Die SVVO definiert sehr hohe technische Anforderungen an Wettbüros und Wettlokale, die für den Vertrieb der Wetten benötigt werden. Das Einhalten der technischen Anforderungen ist beispielsweise mit erheblichen Kosten für den Betreiber verbunden.

 

In der Hansestadt Lübeck existieren insgesamt sieben Wettbüros und Wettlokale. Die Anzahl stagniert auf einem konstant niedrigen Niveau. Wettanbieter aus dem Internet sind eine große Konkurrenz für den stationären Wettvertrieb, da dem haptischen Erlebnis („Drücken der Taste“/“Ziehen des Hebels“) im Vergleich zu Spielhallen eine geringere Bedeutung zukommt. Die Zielgruppe, welche Wettbüros und Wettlokale aufsucht, ist zudem sehr klein.

 

Die hohen technischen Anforderungen führen dazu, dass nur eine begrenzte Anzahl an Wettbüros oder Wettlokalen auf dem Stadtgebiet der Hansestadt Lübeck wirtschaftlich betrieben werden kann.

 

 

Sexshops

In der Hansestadt Lübeck bestehen drei Sexshops. Die Marktlage bei diesen Betrieben scheint gesättigt. Gerade im Segment der Sexshops scheint es eine hohe Konkurrenz über den Onlinehandel zu geben. Sexshops haben zwar grundsätzlich ein negatives Image, das städtebauliche Störpotential ist jedoch als eher gering einzuschätzen.

 

 

Schlussfolgerungen

Ein gesamtstätisches Konzept zur Steuerung von Vergnügungsstätten und Gewerbebetrieben ist aktuell nicht mehr erforderlich, da bereits ausreichend Vorschriften über das Gewerberecht bestehen, die eine regulierende Wirkung auf die Genehmigungsfähigkeit von Spielhallen und Wettvertriebsstätten haben. Eine städtebaulich unverträgliche Häufung von unerwünschten Vergnügungsstätten oder Sexshops ist entweder aufgrund der gewerberechtlich geforderten Mindestabstände oder aufgrund der geringen Fallzahl auszuschließen. Daher erübrigt sich die Erstellung eines Konzeptes, wie es durch den Bürgerschaftsbeschluss beschlossen wurde.

 

Nur in besonderen Einzelfällen kann der Ausschluss von Vergnügungsstätten und Sexshops über die Bauleitplanung städtebaulich erforderlich werden. Ein städtebauliches Gesamtkonzept würde diese besonderen Einzelfälle nicht abdecken können, da eine relativ pauschale Betrachtung erfolgen würde. Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung wird weiterhin die Entwicklungen auf dem Markt des Glücksspielwesens beobachten, um auch langfristige Fehlentwicklungen zu vermeiden und im Einzelfall bauleitplanerisch tätig zu werden.

 

 

 

 

 


Anlagen