Vorlage - VO/2013/00959  

Betreff: Sonderzahlung für Beamtinnen und Beamte der Hansestadt Lübeck für das Jahr 2010, Verzicht auf die Einrede der Verjährung
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Bernd Saxe
Federführend:1.110 - Personal Bearbeiter/-in: Herrmann, Martina
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Hauptausschuss zur Vorberatung
12.11.2013 
6. Sitzung des Hauptausschusses unverändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
28.11.2013 
Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck Nr. 4 / 2013 - 2018 unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n

1

Beschlussvorschlag

1.              Die Hansestadt Lübeck wird in Verwaltungsverfahren und etwaigen Rechtsstreitigkei-
                 ten, in denen sie von Beamtinnen und Beamten der Hansestadt Lübeck auf Zahlung
                 der Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 in Anspruch genommen wird, auf die
                 Einrede der Verjährung verzichten.

2.              Der Bürgermeister wird ermächtigt bei unverändertem Sachverhalt eine Erklärung
                 zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung für das jeweils folgende Jahr zu
                 erteilen.

Beteiligte Bereiche/Projektgruppen:

Verfahren

Beteiligte Bereiche/Projektgruppen:

Ergebnis:

 

Bereich Recht

 

 

keine rechtlichen Bedenken

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

X

Nein

Begründung:

 

Eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gem. § 47 f GO ist nicht erfolgt, da der Personenkreis nicht direkt betroffen ist

 

 

 

Die Maßnahme ist:

 

neu

 

X

freiwillig

 

 

vorgeschrieben durch

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

X

keine unmittelbare finanzielle Auswirkung siehe Ziff. 2 der Begründung

 

zu 1

Begründung

zu 1.

1. Sachverhalt und rechtlicher Hintergrund:

Bis 1993 erhielten die BeamtInnen entsprechend der Vorschriften im Bundesbesoldungsgesetz eine jährliche Sonderzuwendung/Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) in Höhe eines 13. Monatsgehaltes.

Seit 1993 wurde dieses 13.te Monatsgehalt sukzessive abgesenkt.

Im Dezember 2006 erhielten BeamtInnen nach dem Sonderzahlungsgesetz Schleswig-Holstein der Besoldungsgruppen

A 6................................... 68,62 %

A 7 – A 9.......................... 65,68 %

A 10 – A 13...................... 62,74 %

übrige Bes. Gruppen ....... 58,82 %

ihrer maßgebenden Bezüge als Sonderzahlung.

 

Durch die Änderung des Gesetzes über die Gewährung jährlicher Sonderzahlungen in Schleswig-Holstein 2007 wird ab Dezember 2007 als Sonderzahlung nur noch den Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 BBesO ein einheitlicher allgemeiner Betrag in Höhe von 660,- Euro brutto gewährt. Für kindergeldberechtigte Beamtinnen und Beamte wird neben dem allgemeinen Betrag mit den Dezemberbezügen ein Sonderbetrag für Kinder in Höhe von 400,- Euro für jedes im Monat Dezember im Familienzuschlag berücksichtigte Kind gezahlt. Kindergeldberechtigte Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppe ab A 11 erhalten nur den Sonderbetrag für Kinder.

 

Aufgrund der mit dieser Regelung verbundenen Einkommenskürzungen haben landesweit die BeamtInnen Widersprüche gegen die Festsetzung der Dienstbezüge für Dezember 2007 und / oder Dezember 2008 erhoben bzw. Antrag auf Zahlung einer Sonderzahlung im Dezember 2007 und/oder Dezember 2008 gestellt, so auch 605 BeamtInnen (von 829 BeamtInnen) der Hansestadt Lübeck.

Wesentliche Begründung der Widersprüche ist, dass die BeamtInnen in einer nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zur Sanierung der öffentlichen Haushalte, insbesondere des Landeshaushalts herangezogen würden. Der Wegfall der Sonderzahlung mache eine 5-6% ige Kürzung des jährlichen Nettoeinkommens aus. Die Streichung der Bezüge verstoße gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, insbesondere gegen den Verfassungsgrundsatz der amtsangemessenen Alimentation, des Vertrauensschutzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes.

 

Mit Erlass vom 15.01.2008 teilte das Finanzministerium der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände des Landes Schleswig-Holstein mit, dass für den Landesbereich angeordnet worden ist, dass das Landesbesoldungsamt verschiedene Musterklagen auf Basis repräsentativer Einzelfälle (unterschiedliche Besoldungsgruppen) durchführen wird. Die übrigen Verfahren wurden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ruhend gestellt. Es wurde gebeten, im kommunalen Bereich entsprechend zu verfahren.

Die Musterprozesse sind zwischenzeitlich beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Das Finanzverwaltungsamt (ausführende Dienststelle für Besoldung und Beihilfe) hat lt. Auskunft des Finanzministeriums mittlerweile gegenüber den AntragstellerInnen erklärt, dass soweit sich durch die Dauer des Verfahrens eine Einredemöglichkeit wegen Verjährung über geltend gemachte Ansprüche aus ihrem Widerspruch ergeben könnte, im Rahmen der zu treffenden Entscheidung davon kein Gebrauch gemacht wird.

Für Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis gilt die so genannte Regelverjährung von 3 Jahren. Zur Unterbrechung der Verjährungsfrist bedarf es entweder der Anhängigmachung vor Gericht oder des Verzichts des Anspruchgegners auf die Erhebung der Einrede der Verjährung.

Gem. seinerzeitiger Abstimmung mit dem Bereich Recht hat der Personal- und Organisationsservice entsprechend der Empfehlung des Finanzministeriums und des Städteverbandes 2007

1.              die Anträge der BeamtInnen der HL durch Zwischennachricht unter Hinweis auf die
                 Musterprozesse ruhend gestellt und

2.              gegenüber den BeamtInnen für den Fall, dass eine Verjährung der Ansprüche
                 eintreten könnte (für Ansprüche aus 2007 mit Ablauf des 31.12.2010), weil noch
                 keine Entscheidung im Musterprozess getroffen worden ist, angekündigt, dass
                 rechtzeitig vorher geprüft werde, ob auf die Einrede der Verjährung seitens der
                 Hansestadt Lübeck verzichtet wird.

Um eine erneute Antragsflut, wie im Jahr 2007, zu vermeiden, informierte der Personal- und Organisationsservice die BeamtInnen der Hansestadt Lübeck, jeweils einer weiteren Empfehlung des Landes Schleswig-Holstein folgend, Ende 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012 darüber, dass davon ausgegangen wird, dass alle diejenigen Beamtinnen und Beamte, die 2007 einen Antrag auf Zahlung der Sonderzahlung 2007 gestellt haben, dieses auch für die Folgejahre wiederholen würden, sodass eine erneute Antragstellung nicht erforderlich wäre. Die meisten BeamtInnen der HL folgten dieser Zusicherung, so dass 2008 nur noch 76 Anträge, 2009 nur noch 4 Anträge, im Jahr 2010 keine Anträge, 2011 lediglich 3 Anträge und im Jahr 2012 keine Anträge gestellt wurden.

 

Eine Entscheidung aus den Musterprozessen liegt noch nicht vor und es ist nicht sicher, ob eine Entscheidung noch bis Ende des Jahres 2013 vorliegen wird. Der Ausgang der Verfahren lässt sich nicht abschätzen.

 

Damit droht eventuellen Ansprüchen aus dem Jahr 2010 mit Ablauf des 31.12.2013 soweit sie bis dahin noch nicht rechtshängig gemacht worden sind, entsprechend § 16 SHBesG i.V.m. § 195 BGB die Verjährung, es sei denn die Hansestadt Lübeck erklärt den Verzicht auf die Einrede der Verjährung.

Für die Jahre 2007 bis 2009 hat die Bürgerschaft jeweils am Ende eines Jahres beschlossen auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Diese Entscheidung ist jedes Jahr erforderlich, da der Bürgerschaft die Haushaltskompetenz obliegt und die BeamtInnen sonst durch Einzelantrag jährlich ihren Anspruch sichern müssten.

 

2. Finanzielle Auswirkungen

Der positive Beschluss über den Verzicht der Verjährung hat keine unmittelbare finanzielle Auswirkung. Ob die Beamten des Landes Schleswig-Holstein durch den Fortfall der Jahressonderzuwendung ab 2007 noch amtsangemessen besoldet werden, entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Für den Fall aber, dass das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation und damit die Verfassungswidrigkeit der jetzigen Regelung feststellt, wird der/werden die Landesgesetzgeber aufgefordert, dies zu beheben. Dann könnte es je nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts oder der Tenorierung seines Beschlusses zu einem Nachzahlungsanspruch der BeamtInnen auf die Sonderzahlung für das Jahr 2007 und Folgejahre kommen. Dies würde für die Hansestadt Lübeck – geschätzt - folgendes  Kostenvolumen ausmachen:

 

2007

bis zu ca. 847.000,00 €

2008

bis zu ca. 900.000,00 €

2009

bis zu ca. 932.000,00 €

2010

bis zu ca. 957.000,00 €

2011

bis zu ca. 971.000,00 €

2012

bis zu ca. 988.000,00 €

 

Die BeamtInnen der Hansestadt Lübeck haben das Ruhen ihrer Verfahren um die Sonderzuwendungen bisher akzeptiert und im Hinblick auf die anhängigen Musterprozesse davon abgesehen, eigenständige Klagen vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Sie stehen jetzt aber mit der drohenden Verjährung der Ansprüche aus dem Jahr 2010 vor der Entscheidung, ob sie allein zur Vermeidung des Verjährungseintritts Klage erheben. Dem kann der Dienstherr Lübeck begegnen, in dem im Vorwege vor dem 31.12.2013 erklärt wird, dass auf die Einredemöglichkeit verzichtet wird. Unmittelbare finanzielle Auswirkungen hat der Verzicht nicht; die hängt vielmehr vom Ausgang der Musterprozesse ab.

 

3. Empfehlung

Wird der Verzicht auf die Verjährungseinrede nicht erklärt ist damit zu rechnen, dass die Mehrheit der betroffenen Beamtinnen und Beamten zur Sicherung eventueller Ansprüche die Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung herbeiführt. Neben dem immensen Verwaltungsaufwand, den das auf Seiten der Verwaltung auslösen wird, wären damit pro Klage Prozesskosten (Gericht und Rechtsanwalt) von geschätzt durchschnittlich 360 Euro verbunden. Zwar ist eine genaue Bezifferung nicht möglich, da die Jahressonderzuwendungen für die einzelnen Beamten sehr unterschiedlich ausfallen und davon sowohl der Streitwert als dann auch die Höhe der Gebühren abhängen, auch hängt die Höhe der Gebühren in der Summe davon ab, ob Sammel- oder Einzelklagen geführt werden, aber die Gerichts- und Anwaltskosten könnten sich bei rund 800 Klagen auf über 280.000 Euro summieren. Diese Kosten hätte im Falle eines Obsiegens der Kläger die Hansestadt Lübeck zusätzlich zu den Nachzahlungen der Sonderzuwendungen zutragen. Aber auch im Falle einer Erledigung des Rechtsstreits etwa im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommen Gerichte regelmäßig mindestens zu einer Kostenteilung. Geschähe das im Rahmen eines Vergleichs, erhöhten sich dann auch noch die zu tragenden Gebühren. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung dient daher vorrangig der Vermeidung erheblicher Prozesskosten.

 

Hinzukommt, dass die Hansestadt Lübeck aus Gründen der Gleichbehandlung ihrer BeamtInnen und VersorgungsempfängerInnen verpflichtet sein kann, den Verzicht der Einrede zu erklären. Die Hansestadt Lübeck hat die Sachbearbeitung der Versorgung (Pensionäre) an die Versorgungsausgleichskasse Schleswig-Holstein (VAK) abgegeben. Die VAK hat aus eigener Zuständigkeit entsprechend der Regelung beim Land gegenüber den VersorgungsempängerInnen, auch gegenüber den VersorgungsempfängerInnen der Hansestadt Lübeck bereits auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Wenn jetzt für die aktiven BeamtInnen nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden würde, käme es zur Ungleichbehandlung der Beamten innerhalb der Zuständigkeit eines Dienstherrn. Eine sachliche Begründung, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar.

 

Die Beamtinnen und Beamten der Hansestadt Lübeck vertrauen auf Grund der bisherigen,  oben dargelegten Erklärungen der Hansestadt Lübeck zudem darauf, dass die Dienstherrn im ganzen Land Schleswig-Holstein die Beamtinnen und Beamten gleich behandeln und im Falle einer positiven Entscheidung des Verfassungsgerichts alle Beamten und Beamtinnen für die in Schleswig-Holstein das Sonderzahlungsgesetz gilt, gleichbehandelt werden.

Auch aus Fürsorgegesichtspunkten und im Hinblick auf den Betriebsfrieden ist es nicht vertretbar, Beamte nur zur Unterbrechung der Verjährung in Prozesse gegen ihren Dienstherren zu treiben. 

 

Aus diesen Gründen wird empfohlen, entsprechend des Beschlussvorschlags für die aktiven BeamtInnen der Hansestadt Lübeck zu entscheiden.

 

4. Zuständigkeit

Die Entscheidungszuständigkeit der Bürgerschaft begründet sich aus § 27 Abs. 1 GO, da   sowohl der Verzicht auf die Einrede der Verjährung als auch die Entscheidung, nicht auf die Einrede zu verzichten, je nach Verlauf der Verfahren bei der Hansestadt Lübeck und des Ausgangs der Musterprozesse vor dem Bundesverfassungsgericht erhebliche Haushaltsrelevanz besitzen kann und damit die Entscheidung als wichtige Angelegenheit der Bürgerschaft vorbehalten ist.

 

zu 2.

Da diese Entscheidung jedes Jahr getroffen werden muss und noch nicht absehbar ist, wann das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung treffen wird, ist aus Vereinfachungsgründen vorgesehen bei unveränderter Sachlage, dem Bürgermeister nach § 27 Abs. 1 S. 2 GO die Ermächtigung, die Erklärung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung für das jeweils folgende Jahr, zu übertragen


Anlagen

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