Anlage 1
Begründung:
In vielen Erbbaurechtsverträgen wurden keine Wertsicherungsklauseln zur Abdeckung des Risikos des Kaufkraftschwundes zu Gunsten der Grundstückseigentümerin aufgenommen, so dass eine Erbbauzinserhöhung nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) aufgrund der sog. Äquivalenzstörung möglich war und auch umgesetzt wurde.
Viele Erbbaurechtsverträge beinhalteten jedoch Klauseln, bei denen es sich nach Auffassung der Hansestadt Lübeck um reine Ermäßigungsklauseln und nicht um Wertsicherungsklauseln handelte, so dass auch hier ab Vertragsbeginn (ab 1949) aufgrund der Äquivalenzstörung eine Erbbauzinserhöhung möglich schien. Aufgrund dieser Rechtsauffassung wurde zur Verbesserung der Einnahmesituation der Hansestadt Lübeck ab dem 2. Quartal 2004 aufgrund des Bürgerschaftsbeschlusses vom 27.11.2003 eine Erbbauzinserhöhungsaktion für rd. 4.500 Verträge mit einer derartigen Klausel durchgeführt, wobei die Erhöhung in mehreren Stufen über 6 Jahre erfolgte.
Im Rahmen dreier Klagen wurde diese Rechtsauffassung in verschiedenen Instanzen überprüft. Der BGH ist u.a. in seinem Urteil vom 18.11.2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der von hier als Ermäßigungsklausel angesehenen Klausel durchaus um eine Wertsicherungsklausel handelt, die sich seiner Meinung nach allerdings als ungeeignet für die Absicherung des Risikos des Kaufkraftschwundes für die Grundstückseigentümerin erwiesen hat.
Nichtsdestotrotz sieht der BGH die grundsätzliche Möglichkeit der Erhöhung des Erbbauzinses im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung, beginnend allerdings nicht mit Vertragsbeginn (1949), sondern mit dem Zeitpunkt der letzten Erhöhung des Erbbauzinses im Rahmen der Anhebung auf die letzte Stufe der ehemaligen Ermäßigung (1983).
Der BGH hat die Entscheidung an das Landgericht Lübeck (LG) zur abschließenden Entscheidung zurückverwiesen. Sollte die ergänzende Vertragsauslegung durch das LG und somit eine Erhöhung des Erbbauzinses entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit 1983 unter Berücksichtigung der „allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse“ (§ 9a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG), nicht möglich sein, verbliebe die Äquivalenzstörung, ebenfalls beginnend mit dem Datum der letzten Erhöhung im Rahmen der Aufhebung der Ermäßigung (1983). Hier wäre eine Erbbauzinserhöhung nach ständiger Rechtsprechung des BGH allerdings erst möglich, wenn die Lebenshaltungskosten seit 1983 um mehr als 150% gestiegen wären. Seit 1983 sind die Lebenshaltungskosten allerdings lediglich um 59,7 % gestiegen, so dass es danach nicht zu einer Erhöhung des Erbbauzinses kommen könnte. Eine Erbbauzinserhöhung in dem Umfang, wie sie von der Hansestadt Lübeck vorgenommen wurde, kann aufgrund der Aussagen des BGH auf jeden Fall nicht vorgenommen werden.
Auf Basis des BGH Urteils vom 18.11.2011 sind die ab 4. Quartal 2006 erhöhten Erbbauzinsen zurück zu zahlen. Der BGH hat die drei Klagen zur abschliessenden Entscheidung an das Landgericht Lübeck zurückverwiesen. Das LG wird am 07.03.2013 darüber verhandeln und mit den Parteien u.a. erörtern, ob im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung eine tlw. Erhöhung möglich oder ob die Erhöhung ganz abzulehnen ist. Nach Erörterung mit den Berufungsanwälten ist am 07.03.2013 eine Tendenz des Gerichtes zu erwarten, das Urteil wird voraussichtlich aber nicht im gleichen Termin kommen sondern vermutlich einige Wochen später gesondert verkündet werden.
Zwar handelt es sich bei der erwarteten Entscheidung des LG um eine Einzelfallentscheidung, viele betroffene Erbbauberechtigte haben allerdings Kenntnis von dem Verfahren u.a. aus der örtlichen Presse. Viele zahlen den Erhöhungsbetrag gar nicht oder nur unter Vorbehalt, etliche lassen sich anwaltlich vertreten, um nach Entscheidung des LG ihre Rückzahlungsansprüche geltend zu machen. Da die Entscheidung sowohl über die örtliche Presse, als auch Vereinigungen wie z.B. Haus & Grund publik gemacht werden wird, ist davon auszugehen, dass weitere Anspruchsteller hinzukommen.
Vergleichbare Regelungen wie die in der o.g. BGH-Entscheidung beschrieben, gibt es in rd. 4.500 Verträgen. In ca. 25 % der Fälle wird der Erbbauzins unter Vorbehalt gezahlt bzw. wurde der teilweise bereits geleisteten Erhöhung widersprochen und der „alte“ Erbbauzins weitergezahlt. Die über das Maß der landgerichtlichen Entscheidung hinausgehenden Beträge sind in diesen Fällen zurück zu erstatten.
Ausgehend vom worst case bei einer Rückzahlung von 100% der Erhöhung wären folgende Beträge einschließlich der Wertberichtigungen zu Grunde zu legen:
4. Q. 2006 bis 2009 | 1.165.800 € | |
2010 | 1.015.750 € | |
2011 | 1.501.300 € | |
2012 | 1.917.800 € | |
1. + 2. Q. 2013 | 1.084.450 € | |
Rückstellungen für den Zeitraum 2006 bis 31.12.2009 werden im Rahmen der Eröffnungsbilanz-Korrektur gebildet und gegen das Eigenkapital gebucht.
Für die Rückstellungen ab 01.01.2010 sind Haushaltsmittel in entsprechender Höhe als Aufwand zur Zuführung zu Rückstellungen zu planen. Der Bereich Wirtschaft und Liegenschaften wird für die Bildung von Rückstellungen in den Jahren 2010 bis 2012 entsprechende Deckungsvorschläge erarbeiten.
Die Bildung einer Rückstellung für das Haushaltsjahr 2010 ist im Rahmen des zu erstellenden Jahresabschlusses 2010 durchzuführen. Da bis spätestens Mitte März 2013 alle Meldungen zum Jahresabschluss 2010 im Bereich 1.201 bzw. 1.210 vorliegen müssen, wird für diese außerplanmäßige Bewilligung der erforderlichen Haushaltsmittel in Höhe von ca. 1.015.750 € eine Eilentscheidung des Bürgermeisters erforderlich.
Da die Beträge über der Wertgrenze von 250 T€ liegen, wäre die außerplanmäßige Bewilligung von Haushaltsmitteln für die Jahre 2011 und 2012 im Wege einer Entscheidung durch die Bürgerschaft zu ordnen, da damit gerechnet werden muss, dass nach Erlangung der Rechtskraft des zu erwartenden Urteils des Landgericht Lübecks am 07.03.2013 die Rückzahlung der zu hoch erhobenen Erbbauzinsen ab April 2013 starten wird.
Begründung der Eilbedürftigkeit:
Die Eilbedürftigkeit war gegeben, da die Terminvorgaben für den Beratungsverlauf für die Bürgerschaft am 21.03.2013 nicht mehr eingehalten werden konnten; daher war die haushaltsmäßige Ordnung der Zuführung zu den Rückstellungen für die Rückzahlung der Erbbauzinsen im Wege der Eilentscheidung des Bürgermeisters notwendig.