Anfrage aus der Bauausschusssitzung am 06.11.2023 unter TOP 6.2.5:
Seit dem 10. Januar 2023 ist die Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt in Kraft. Seitdem können Kommunen, die in der Verordnung aufgelistet sind (so auch die Hansestadt Lübeck), ihr gemeindliches Vorkaufsrecht auf brachliegende Grundstücke ausweiten, bei dringendem Bedarf der Bevölkerung Baugebote zur Wohnbebauung aussprechen und Befreiungen von ihren Bauplänen zugunsten des Wohnungsbaus zulassen.
Dieses vorausgeschickt, frage ich:
1. In welchen konkreten Fällen hat die Hansestadt Lübeck von den in der Landesverordnung genannten Maßnahmen zur Entspannung des Wohnungsmarkts Gebrauch gemacht?
2. In welchen konkreten Fällen beabsichtigt die Hansestadt Lübeck demnächst solche Maßnahmen zu ergreifen?
3. Falls solche Maßnahmen bislang nicht ergriffen wurden bzw. geplant sind, warum nicht?
Antwort:
1. In welchen konkreten Fällen hat die Hansestadt Lübeck von den in der Landesverordnung genannten Maßnahmen zur Entspannung des Wohnungsmarkts Gebrauch gemacht?
Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung hat in mehreren Fällen von der erweiterten Befreiungsmöglichkeit des § 31 Abs. 3a BauGB Gebrauch gemacht, der bei Wohnungsbauvor-haben im Einzelfall Befreiungen von Festsetzungen eines Bebauungsplans über den normalen Befreiungstatbestrand nach § 31 Abs. 2 BauGB hinaus auch dann ermöglicht, wenn die Grundzüge der Planung betroffen sind. Der Bereich führt keine Statistik, in welchen konkreten Fällen von der Regelung Gebrauch gemacht worden ist. Insofern kann hier nur beispielhaft auf einige Vorhaben verwiesen werden. So wurde z.B. in St-Gertrud eine Baugenehmigung für zwei Wohngebäude mit zusammen 14 Wohneinheiten erteilt, die ohne Anwendung des § 31 Abs. 3a BauGB nicht möglich gewesen wäre.
2. In welchen konkreten Fällen beabsichtigt die Hansestadt Lübeck demnächst solche Maßnahmen zu ergreifen?
Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung wird auch künftig von den erweiterten Befreiungsmöglichkeiten des § 31 Abs. 3a BauGB im Rahmen der gesetzlichen Anwendungsmöglichkeiten Gebrauch machen, um städtebaulich verträgliche, nach geltendem B-Plan aber ansonsten nicht genehmigungsfähige Wohnungsbauvorhaben zu ermöglichen.
3. Falls solche Maßnahmen bislang nicht ergriffen wurden bzw. geplant sind, warum nicht?
Vom Instrument des besonderen Vorkaufsrechtes für unbebaute oder brachliegende Grundstücke nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 BauGB hat die Hansestadt Lübeck bisher aus zweierlei Gründen keinen Gebrauch gemacht. Zum einen finden Verkäufe von unbebauten oder brachliegenden Grundstücken in der Regel statt, weil die Grundstücke durch den Käufer einer Bebauung zugeführt werden sollen. Insofern besteht in diesen Fällen auch keine Notwendigkeit, dass die Stadt hier ihr Vorkaufsrecht ausübt. Zum anderen erfordert die Ausübung von Vorkaufsrechten einen nicht unwesentlichen Mitteleinsatz, der durch die damit verknüpften städtebaulichen Folgemaßnahmen gerechtfertigt sein muss – mit anderen Worten: wenn anzunehmen ist, dass über private Bautätigkeit Wohnungsbau entsteht, erreicht ein Erwerb durch die Hansestadt Lübeck keinen Mehrwert.
Bereits vor Einführung eines wohnungsbaubezogenen Baugebotes nach Nr. 3 des § 176 Abs. 1 BauGB bestand gemäß Nr. 1 die Möglichkeit eines allgemeinen Baugebotes, mit dem die Eigentümer eines unbebauten Grundstücks verpflichtet werden können, das Grundstück gemäß den Festsetzungen eines geltenden B-Plans zu bebauen. Das Instrument des Baugebotes hat in der Hansestadt Lübeck – wie in vielen anderen Gemeinden auch – in der Vergangenheit insbesondere aufgrund der in der Praxis problematischen Durchsetzung des Baugebotes keine Anwendung gefunden. Gemäß Abs. 3 des § 176 BauGB muss die Gemeinde nämlich vom Baugebot absehen, wenn die Durchführung des Vorhabens dem Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Bei Wohnungsbauvorhaben ist von einem Baugebot nach Abs. 1 Nr. 3 zudem abzusehen, „wenn der Eigentümer … glaubhaft macht, dass ihm die Durchführung des Vorhabens aus Gründen des Erhalts der Entscheidungsbefugnis über die Nutzung des Grundstücks für seinen Ehegatten oder eine in gerader Linie verwandte Person nicht zuzumuten ist.“ Zudem kann der Eigentümer bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit der Durchführung des Vorhabens die Übernahme des Grundstücks durch die Stadt verlangen. Diese Bedingungen schließen eine Anwendung des Baugebotes in der Praxis quasi aus.