Vorlage - VO/2025/14680  

Betreff: Bericht i.S. Fachaufsichtliche Prüfung der rechtskonformen Sachbearbeitung durch die HL
Status:öffentlich  
Dezernent/in:1. Bürgermeister Jan Lindenau
2. Senatorin Pia Steinrücke
Federführend:1.300 - Recht Bearbeiter/-in: Ziemann, Sebastian
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
11.11.2025 
41. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
20250530_Gutachten_Endfassung_
Forderungsschreiben RA Prof. Dombert
Schreiben Bgm an Staatsseekretär

Beschlussvorschlag

 

Darstellung des Sachstands zum Vorgang Fachaufsichtliche Prüfung des Landes i.S. Leistungsfallbearbeitung bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
 

 

 


 


Begründung

 

Wie berichtet (vgl. VO/2024/13674) hatte der Bereich Soziale Sicherung aufgrund einer andauernden extrem belastenden Personalsituation zur Ermöglichung einer zeitgerechten Fallbearbeitung bei den Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung den Standard bei der Bearbeitung der Leistungsanträge vereinfacht („Standardabsenkungen“). Dies wurde 2022 vom Land im Rahmen einer Prüfverfahrens beanstandet. Seither fanden hierzu diverse Gespräche mit dem Land statt, die aber zu keinem befriedigenden Ergebnis kamen, da das eigentliche Problem die angespannte Personalsituation weiterhin bestand. Im Mai 2024 setzte das Land das nach dem SGB XII vorgesehene Erstattungsverfahren mit dem Bund aus, mit der Folge, dass die Nettoausgaben für die entsprechenden Grundsicherungsleistungen nicht mehr an die HL weitergeleitet wurden. Die Leistungen mussten seitdem aus dem Haushalt der HL finanziert werden. Hierfür waren Kreditaufnahmen notwendig, so dass die HL zusätzlich mit Kreditzinsen belastet wurde.

 

Die HL beanstandete mehrfach die Verfahrensweise des Landes und beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens über die Rechtslage sowie die Geltendmachung der berechtigten Forderungen der HL gegenüber dem Land. Das Gutachten ist als Anlage 1 beigefügt.

 

Mittlerweile hat das Land die Erstattungen teilweise wiederaufgenommen. Die vom Land an die HL ausgekehrten Erstattungen belaufen sich danach für den Zeitraum Q 1/24 bis Q 3/25 nunmehr wie folgt:

 

 

 

2024

Anspruch

Erstattung

Erstattungsquote in %

Differenz

I. Quartal

14.353.366,70 €

14.353.366,70 €

100

0

II. Quartal

14.911.044,59 €

13.419.940,13 €

90

- 1.491.104,46 €

III. Quartal

14.579.756,28 €

13.121.780,65 €

90

- 1.457.975,63 €

IV. Quartal

14.883.247,88 €

14.883.247,88 €

100

0

 

 

 

 

- 2.949.080,09 €

 

 

 

 

 

2025

 

 

 

 

I. Quartal

14.096.240,16 €

13.673.352,95 €

97

- 422.887,21 €

II. Quartal

14.486.050,49 €

14.196.329,48 €

98

- 289.721,01 €

III. Quartal

14.135.911,77 €

13.994.552,65 €

99

- 141.359,12 €

IV. Quartal

 

 

100 (vom Land so angekündigt)

 

 

 

 

 

- 853.967,34 €

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesamt

- 3.803.047,43 €

 

r die HL ergibt sich somit ein Fehlbetrag in Höhe von derzeit 3.803.074,43 Euro, der vom Land bislang nicht ausgeglichen wurde. Da die HL zur Finanzierung der Grundsicherungsleistungen Bankkredit in Anspruch nehmen musste, sind die insoweit angefallenen und weiterhin anfallenden Kreditzinsen hinzuzurechnen. Diese belaufen sich auf 630.536,73 Euro (Stand August 2025).

 

Im Mai 2025 forderte die beauftragte Kanzlei vom Land die Auszahlung der vollständigen Erstattung an die HL sowie den Ausgleich des Zinsschadens. Das Schreiben ist als Anlage 2 beigefügt. Als Reaktion hierauf erfolgten verschiedene schriftliche und telefonische Austausche zwischen dem Land und der HL, im Rahmen derer die HL ihre Zahlungsaufforderung mehrfach wiederholte. In einem Schreiben vom 7. August 2025 stellte der Bürgermeister gegenüber dem Ministerium nochmal aushrlich den Sachstand und die Problemlage dar, forderte das Land auf, die HL zur Bewältigung der Problematik zu beraten und die berechtigten Erstattungen vorzunehmen, s. Anlage 3. Eine substantielle Reaktion des Landes erfolgte bislang nicht. Bis heute (Stand der Erstellung dieses Berichts) konnte das Land der HL keinen durch die Standardabsenkungen verursachten Schaden darlegen.

 

Nach dem Ergebnis des von der HL in Auftrag gegebenen Gutachtens ist die Rechtslage hinreichend geklärt. Der HL steht ein Anspruch auf vollständige Erstattung der Nettoausgaben für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu. Der Einbehalt war von vorn herein rechtswidrig.

 

Ein Schaden konnte überdies nicht ermittelt werden. Aber selbst bei Bestehen eines Schadens würde ein Ersatzanspruch gegen das Land ausscheiden. Da das Land für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB XII keine eigenen Mittle zur Verfügung stellt, sondern vielmehr nur die Erstattung des Bundes an die Kommunen weiterreicht, kann dem Land nur ein Schaden entstehen, wenn der Bund gegenüber dem Land einen Schaden geltend macht. Im Verhältnis Bund - Land kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit ein Schadensersatzanspruch aber nur bei einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Verletzung des Kernbereichs der übertragenen Pflichten in Betracht. Wie sich dem Gutachten entnehmen lässt, sind die Standardabsenkungen aber weit von einer solchen Kernbereichsverletzung entfernt. 

 

Hinzu kommt, worauf der Gutachter ebenfalls verweist, dass die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Grundsicherungsfallbearbeitung das Land genauso getroffen hätten, wenn es sich dieser Aufgabe nicht durch Übertragung auf die Kommunen entledigt hätte. Die Kommunen sorgen dafür, dass die vom Bund dem Land übertragene Aufgabe ordnungsgemäß erledigt wird. Bei dieser Aufgabe hat das Land die Kommunen gemäß § 7 SGB XII ausdrücklich zu unterstützen. Diesem Erfordernis ist das Land nicht nachgekommen. Stattdessen hat die Aussetzung des Erstattungsverfahrens zu einem mittleren sechsstelligen Zinsschaden bei der HL geführt.

 

Das Land hatte eine Stellungnahme zu unseren Forderungen zeitnah nach den Herbstferien angekündigt. Auf Nachfrage teilte der Staatssekretär mit, dass man auch nach den Herbstferien noch keine abschließende Prüfung und mögliche Schadensermittlung vollziehen konnte. Nun soll bis Monatsende November eine Stellungnahme des Landes erfolgen. Sollte sich das Land weiterhin nicht zum Ausgleich der berechtigten Forderungen der HL bereiterklären, ist beabsichtigt, Leistungsklage gegen das Land zu erheben. Hierzu wird die Verwaltung der Bürgerschaft ggf. zeitnah eine entsprechende Vorlage zur Entscheidung vorlegen.

 


 


Anlagen

1. Gutachten RA Prof. Dr. Dombert

2. Schreiben Prof. Dr. Dombert an Ministerium

3. Schreiben Bgm an Staatssekretär vom 7. August 2025
 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich 20250530_Gutachten_Endfassung_ (362 KB)    
Anlage 2 2 öffentlich Forderungsschreiben RA Prof. Dombert (744 KB)    
Anlage 3 3 öffentlich Schreiben Bgm an Staatsseekretär (3673 KB)    
Stammbaum:
VO/2025/14680   Bericht i.S. Fachaufsichtliche Prüfung der rechtskonformen Sachbearbeitung durch die HL   1.300 - Recht   Bericht öffentlich
VO/2025/14680-01   Antrag des AM Thorsten Fürter (FDP), AM Christopher Lötsch (CDU) und AM Axel Flasbarth (BÜ90/die GRÜNEN) zu VO/2025/14680 Bericht i.S. Fachaufsichtliche Prüfung der rechtskonformen Sachbearbeitung durch die HL   Geschäftsstelle der FDP Fraktion   interfraktioneller Antrag