Vorlage - VO/2025/14190  

Betreff: Überplanmäßige Bewilligung gemäß § 82 (1) Gemeindeordnung Schleswig-Holstein für die Sanierung der 7 Türme
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Jan Lindenau
Federführend:1.201 - Haushalt und Steuerung Bearbeiter/-in: Bössow, Dennis
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege zur Vorberatung
12.05.2025 
18. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege unverändert beschlossen   
Hauptausschuss zur Vorberatung
20.05.2025 
33. Sitzung des Hauptausschusses unverändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
22.05.2025 
15. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage Weltkulturerbe 7Türme

Beschlussvorschlag

1) Der Bürgermeister wird ermächtigt, der Stiftung 7 Türme+ zum Zwecke der Sanierung der Innenstadtkirchen eine einmalige und nicht rückzahlbare Zuwendung in Höhe von 250.000 EUR zu gewähren.

2) Für das Haushaltsjahr 2025 wird hierfür gem. § 82 GO bei dem Produktsachkonto 523001 999.7818000 einen Zuschuss in Höhe von 250.000 EUR überplanmäßig bewilligt.

Zur Deckung werden folgende Ansätze im Haushaltsjahr 2025 reduziert:

612003 000.7821000 Erwerb von Grundstücken und Gebäuden. 


 


Verfahren

 

Bereiche/Projektgruppen

Ergebnis

2.280 Wirtschaft und Liegenschaften

Zustimmung

4.491 Archäologie und Denkmalpflege

Zustimmung

 

 

 

 

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

x

Nein- Begründung:

Eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gem. § 47f GO ist nicht erfolgt, weil deren Belange nicht berührt werden.

 

 

 

 

 

 

 

Die Maßnahme ist:

 

neu

 

x

freiwillig

 

 

vorgeschrieben durch: 

 

 

 

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

X

Ja

 

 

Nein

 

Auswirkung auf den Klimaschutz:

x

Nein

 

 

Ja Begründung:

 

 

 

 

 

 

Begründung der Nichtöffentlichkeit

gem. § 35 GO:

 

 

 

 


Begründung

 

Zu Beschlussvorschlag 1:

Die Gemeinde St. Marien und die Domgemeinde sind an die Hansestadt Lübeck herangetreten mit der Bitte um Unterstützung bei der Sanierung der beiden Kirchengebäude.

 

A Bauwerke und denkmalrechtliche Bedeutung

 

St. Marien

Diebecker Marienkirche wurde zwischen 1260-1280 auf dem Baugrund eines hölzernen Vorgängerbaus (1163 archivalisch erwähnt) und unter Verwendung von Bauteilen einer um 1200 errichteten Backsteinbasilika um 1250 zur Hallenkirche umgebaut. Nach Planwechsel um 1260 Chor als kathedralgotischer Umgangschor ausgeführt und 1280 fertiggestellt.

Französischen Vorbildern folgend ist St. Marien die größte gotische Backsteinkirche Europas. Sie gilt als Hauptwerk des Kirchenbaus im Ostseeraum und als Vorbild für viele in Backstein errichtete Kirchen im Ostseeraum (z.B. Nikolaikirche in Stralsund, Nikolaikirche in Wismar). St. Marien ist die Hauptpfarrkirche des Rates und der Kaufleute der Hansestadt Lübeck. Das erklärt die Nähe zum Rathaus und Markt. Die Türme messen eine Höhe von knapp 125m und die Kirche beherbergt im Mittelschiff mit knapp 40m das höchste Backsteingewölbe der Welt. Die reiche wie wertvolle Ausstattung der Kirche geht zurück auf Stiftungen durch den Rat, der früheren Ämter (Gilden/Zünfte) und wohlhabender Kaufleute.

 

Dom zu Lübeck

Der Lübecker Dom wurde als dreischiffige romanische Gewölbebasilika ab 1173 mit Grundsteinlegung durch Heinrich den Löwenund erbaut. Ab 1266 erfolgt die gotische Umwandlung zur Hallenkirche mit Hallenumgangschor. Die Ausdehnung der ursprünglich romanischen Pfeilerbasilika ist noch heute an den mächtigen Hauptpfeilern, die das Kreugratgewölbe tragen, erkennbar. Später wurde der Dom durch die Paradiesvorhalle und den Ostchror sowie in den folgenden Jahrhunderten durch den Anbau von Kappellen sukzessive erweitert. In seiner heutigen Gestalt als romanisch-gotischer Dom wurde die Kirche 1341 vollendet.

Der Dom gehört zu den sogenannten vier Löwendomen (Lübeck, Ratzeburg, Schwerin und Braunschweig), zurückgehend auf ihren Stifter Heinrich den Löwen. Mit 115m ist der Dom nach der Marienkirche die zweithöchste Kirche Schleswig-Holteins und mit 132m eine der längsten Backsteinkirchen. Der Dom war uns ist die nach der Marienkirche am reichsten ausgestattete Kirche in der Hansestadt Lübeck, u.a. Triumphkreuz und Lettner von Bernt Notke.

 

St. Marien und der Dom wurde am Palmsonntag 1942 schwer beschädigt und in den Nachkriegsjahren abschnittsweise teilweise in Jahrzehnten wieder aufgebaut.

 

 

Denkmalrechtliche Bedeutung

Die sieben Türme der fünf Innenstadtkirchen prägen die Silhouette der Hansestadt Lübeck seit Jahrhunderten und sind mit den Kirchen St. Marien, dem Dom, St. Aegidien, St. Jacobi und St. Petri konstitutiver Teil des UNESCO Weltkulturerbes Lübecker Altstadt. Zweifelsohne handelt es sich insbesondere bei St. Marien und dem Dom um Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung, die im Zusammenspiel mit den anderen Kirchen, dem Holstentor, den Salzspeichern, dem Heiligen-Geist-Hospital und der mittelalterlichen Bebauung die Kulturlandschaft der Hansestadt Lübeck in einzigartiger Weise prägen. Beide Kirchen sind seit dem 13.03.1968 eingetragene Kulturdenkmäler.

 

Im Einzelnen:

 

St. Marien (Denkmalliste Nr. 827)

Der Schutzumfang bezieht sich auf das gesamte Kirchengebäude mit seiner Ausstattung sowie auf den Kirchhofbereich. Bewegliche Gegenstände auch Grabsteine die nach 1870 entstanden sind bleiben außer Betracht, es sei denn, dass sie zusätzlich als denkmalgeschützt aufgeführt sind.

Von besonderem

-          Wert als ein bauliches Element des die Kulturlandschaft prägenden "Weltkulturerbes Lübecker Innenstadt" (1987 von der UNESCO anerkannt durch Aufnahme in die World Heritage List),

-          architekturhistorischem, kunsthistorischem und wissenschaftlichem Wert als zentrales Werk der Backsteingotik mit zahlreichen Nachfolgebauten. Bedeutende Ausstattung. Stadtgeschichtlich von besonderem Wert als Hauptpfarrkirche der Stadt und Ausdruck der Autonomie und des Anspruchs der städtischen Führungsschicht (Kirche des Rates) und

-          städtebaulichem Wert als freistehendes stadtbildprägendes Gebäude neben dem Rathaus; Türme weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt. Gewürdigt in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen.

 

Dom zu Lübeck (Denkmalliste Nr. 201)

Der Schutzumfang bezieht sich auf das gesamte Kirchengebäude.

Von besonderem

-          baugeschichtlichem und wissenschaftlichem Wert als eine der frühesten Backsteinkirchen in Norddeutschland, begründet die Backsteinbauweise,

-          geschichtlichen Wert u.a. als Dokument der Rivalität zwischen Stadt und Bischof,

-          baugeschichtlichem und wissenschaftlichem Wert als Zeugnis des Wiederaufbaus nach Kriegszerstörung 1942,

-          städtebaulichen Wert als Stadtbild prägender weithin sichtbarer Kirchenbau und

-          als ein bauliches Element des die Kulturlandschaft prägenden "Weltkulturerbes Lübecker Innenstadt" (1987 von der UNESCO anerkannt durch Aufnahme in die World Heritage List).

 

B Sanierungsbedarf

St. Marien

Im Zuge des Wiederaufbaus der Marienkirche wurde auch in den 1950er und 1960er Jahren der Innenraum wieder hergestellt. Die letzte restauratorische Bearbeitung der Gewölbe- und Obergadenwandflächen erfolgt in den 1980er und 1990er Jahren. Die Fensterflächen wurden bei der letzten umfangreichen Fassadensanierung 2003 nicht bearbeitet. Sie stammen alle aus der Nachkriegszeit.

Nach nunmehr 70 Jahren ist jetzt eine umfangreiche Sanierung der Innenraumschale einschließlich Heizung und aller Fenster erforderlich. Der Schadensbefund stellt sich wie folgt dar. Die seit einigen Jahren kaputte Fußbodenheizung befördert die Schimmelbildung und Versalzungen im Gemäuer. Risse im Mauerwerk und korrodierende Anker führen zu herabfallenden Mörtel und Stuckelementen. Die historische Ausmalung an Wänden und Gewölben ist zunehmend abgängig. Die Fenster sind undicht, die Fensterrippen zeigen Risse mit der Gefahr von Wassereinträgen zu Lasten der Bausubstanz und Fenstereinbrüchen. Die notwendigen Maßnahmen sind:

-          Reparatur der Wandoberflächen und Sicherung des Ankersystems und der Schmuckvorlagen,

-          Restaurierung und Reinigung der Ausmalung,

-          Statische Stabilisierung und Neuverbleiung aller Kirchenfenster und

-          Erneuerung der Heizung und Einbau einer klimastabilisierenden Lüftung.

Seit 2019 wurden diverse Bestandsuntersuchungen vorgenommen, auf deren Grundlage u.a. ein Heizungs- und Lüftungskonzept erarbeitet worden ist und in ein Gesamtsanierungskonzept mit Kostenberechnung eingegangen ist. Die Bauzeit der Maßnahmen wird mit ca. sechs Jahren veranschlagt (Baubeginn 2024 bis 2030).

 

Dom zu Lübeck

Unter dem Einfluss von Wind, Regen und Frost sind insbesondere Westwerk mit seinen beiden Türmen eine Vielzahl von zum Teil gravierenden Schäden entstanden. Im Jahr 2020 machten diese Schäden provisorische Notsicherungsmaßnahmen an einzelnen Turmecken notwendig, um ein Herabfallen größerer Fassadenbestandteile zu verhindern. Da sich bereits kleinere Mörtelteile gelöst haben, ist der gesamte westliche Vorplatz vor den Türmen aus Gründen der Gefahrenabwehr seit drei Jahren gesperrt. Das Haupteingangsportal musste mit einem Schutzdach versehen werden, um ein gefahrloses Betreten des Doms zu gewährleisten.

Die Schadensaufnahme ergibt folgendes Bild. Korrodierte und lose Anker drohen abzufallen zu Lasten der Turmstabilität. Vertikale Risse im Mauerwerk von bis zu 12 Metern bergen die Gefahren des Herausbrechens ganzer Fassadenteile. Das großflächige Ablösen und Ausbeulung von Mauerwerksschalen stellen eine Gefahr für die Stabiltität des Bauwerks und das Ablösen von Mauerteilen dar. Insgesamt besteht die Gefahr von herabfallenden Bauteilen durch Mörtelabplatzungen und losen einzelnen Backsteinen.

Die geplanten notwendigen Sanierungsmaßnahmen sind:

-          Austausch Backsteinmauerwerk und Wiederherstellung der Rückverankerung

-          Sicherung und Sanierung der Ankersysteme

-          Sicherung der angrenzenden Gewölbe

-          Sanierung der Turmhelmeindeckung

-          Sanierung der Regenentsserung, Blitzschutz und Elektroinstallation

-          Erneuerung Wartungsaufsteig Süderturm

Seit 2017 wurden Voruntersuchungen und Schadensanalysen durchgeführt. Das mündete in der Erstellung eines Sanierungskonzeptes und einer Kostenberechnung. Für die Sanierung des Westwerks und des Südertums wird eine Bauzeit von 4-5 Jahren veranschlagt.

 

C Sanierungskosten und Finanzierung

Die geplanten Sanierungskosten für St. Marien belaufen sich auf 28,2 Millionen EUR. Die Sanierungskosten für die Maßnahmen am Dom werden mit 13,1 Millionen veranschlagt. Das ergibt eine Gesamtsanierungssumme von 41,3 Millionen EUR.

Schnell wurde klar, dass die Kirchengemeinden und kreis die Finanzierung in dieser Größenordnung nicht alleine bewältigen können. Deshalb gründen die Innenstadtkirchengemeinden, der Kirchenkreis, die Nordkirche, das Land Schleswig-Holstein sowie etliche private Stifterinnen und Stifter am 5. Mai 2025 die bürgerlich-rechtliche Stiftung 7 Türme+. Sie soll die zentrale, regional und überregional tätige, professionelle Organisation sein, mit der die Finanzierung des langfristigen Erhalts des baulichen Welterbes der Lübecker Innenstadtkirchen in enger Wechselwirkung mit den verantwortlichen Rechtsträgern unterstützt und langfristig gesichert werden soll. Der Stiftungszweck ist der langfristige Erhalt des baulichen Weltkulturerbes der Lübecker Innenstadtkirchen St. Aegidien, Dom zu Lübeck, St. Jakobi, St. Marien und St. Petri (Lübecker Innenstadtkirchen) als herausragende Zeugnisse der Lübecker Geschichte und der mittelalterlichen Gotik im Ostseeraum.

Vor diesem Hintergrund ist es den Verantwortlichen auf Seiten der Kirchen gelungen, einen Finanzierungsplan aufzustellen, der eine Finanzierung der Sanierung aus Bundesmitteln, Stiftungen, Kirchenkreis, Eigenmitteln und Spenden bzw. Zuwendungen Dritter vorsieht. Die Stitung ist vor diesem Hintergrund an die Hansestadt Lübeck mit der Bitte heran getreten, die dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an der Marienkirche und am Dom mit insgesamt 250.000 EUR zu unterstützen, die zweckgebunden je hälftig für die genannten Sanierungsmaßnahmen eingesetzt werden sollen.

Die Hansestadt Lübeck kann sich aus kommunalrechtlichen Gründen nicht als Stifterin am Kapitalstock der Stiftung beteiligen. Es ist nur möglich, dass die Hansestadt Lübeck ihre Zuwendung in das Verbrauchsvermögen der Stiftung einbringt. Die Hansestadt Lübeck würde damit eine noch verbliebene Lücke bei der Kofinanzierung der Sanierungsmaßnahmen an St. Marien und dem Dom zusammen mit kirchlichen Mitteln sowie Mitteln verschiedener Stiftungen und privater Spender:innen sicherstellen. Das ist die Voraussetzung, um Bundesmittel von insgesamt 20,6 Millionen EUR rechtsverbindlich bewilligt zu bekommen. Bundesmitteln werden nur gewährt, wenn wie bei vergleichbaren Projekten die Kofinanzierung sichergestellt ist. Die Zuwendung der Hansestadt Lübeck ist als Starthilfe verstehend eine einmalige Zuwendung in das Verbrauchvermögen der Stiftung.

Zu den Sanierungsbedarf und kosten sowie auf den Finanzierungsplan wird auf die beigefügte Anlage der in Gründung befindlichen Stiftung 7-Türme verwiesen.

 

 

 

D Fazit

St. Marien und der Dom zu Lübeck sind als national bedeutsame Kulturdenkmäler Bestandteil der Silhouette des UNESCO-Weltkulturerbes Lübecker Altstadt. Die Bewahrung des Weltkulturerbes ist eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung. Die Lübecker Innenstadtkirchen sind ein herausragendes baugeschichtliches wie kulturhistorisches Zeugnis der mittelalterlichen Backsteingotik und über die Stadtgrenze hinweg stilprägend für nachfolgende Kirchenbauten im gesamten Ostseeraum zur Hansezeit. Sie sind Ausdruck eines selbstbewussten Bürgertums an der Schwelle zur Neuzeit. Ferner ist das Welterbe wo die Innenstadtkirchen integrierter Teil sind - unaustauschbarer Ort der Selbstvergewisserung und gleichsam identitätsstiftend für die Bürger:innen der Hansestadt Lübeck. In Abwägung der derzeitig angespannten Haushaltslage und der kulturellen Verantwortung zur Bewahrung eines Welterbes wird empfohlen, der sich in Gründung befindlichen Stiftung 7-Türme zweckgebunden eine nicht ckzahlbare Zuwendung in Höhe von insgesamt 250.000 EUR zu gewähren. Die Zuwendung erfolgt aus dem Produktansatz der Denkmalpflege, der entsprechend verstärkt wird um diese Summe.

 

Zu Beschlussvorschlag 2:

 

Zum Zeitpunkt der Haushaltsplanung stand nicht fest, wie viele Vollentschädigungen für Gebäude auf auslaufenden Erbbaurechtsgrundstücken die HL leisten muss. Mit Ablauf des 1. Quartals 2025 ist bereits absehbar, dass eine Entschädigung in Summe nicht die geplante Summe von 1 Mio. € erreichen wird. Daher kann eine Deckung aus dem obigen Titel zur Verfügung gestellt werden.

 

 


 


Anlagen

Präsentation Übersicht Sanierungsmaßnahmen Dom und St. Marien
 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage Weltkulturerbe 7Türme (1737 KB)