Vorlage - VO/2024/13247-01  

Betreff: AM Andreas Müller (LINKE) Änderungsantrag zu: AM Mandy Siegenbrink (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN), AM Michelle Akyurt (CDU), Max Manegold (FDP): Dringlichkeitsantrag Aktionsplan Istanbul Konvention - Schutz vor häuslicher Gewalt, Frauenhäuser entlasten
Status:öffentlich  
  Bezüglich:
VO/2024/13247
Federführend:Geschäftstelle LINKE & GAL Bearbeiter/-in: Mentz, Katja
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales
07.05.2024 
9. Sitzung des Ausschusses für Soziales abgelehnt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

nderungen sind hervorgehoben.)


Die Bürgerschaft möge beschließen:

  1.   Der Bürgermeister wird beauftragt, bis zur Juni-Sitzung der Bürgerschaft folgende Optionen auf Umsetzbarkeit zu prüfen, sowie die erforderlichen Finanzmittel zu benennen, um Menschen Frauen in Lübeck, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, umfassender und schneller zu unterstützen und bestehende Schutzlücken zu schließen:
  1. schnellere Vermittlungen von Wohnungen für Frauen, denen bereits ein Auszug aus dem Frauenhaus möglich wäre,
  1. Einrichtung von einer Schutzwohnungen (mit dem für Frauenhäuser üblichen Personalschlüssel 1:4) als Notmaßnahme für jene Lübecker:innen , die von häuslicher Gewalt betroffen sind und für die kein Platz zur Aufnahme in einem Frauenhaus kurzfristig verfügbar ist und
  2. verbesserte und zuverlässige telefonische Erreichbarkeit der Ausländerbehörde, des Jobcenters und der Sozialen Sicherung für Frauenhäuser und Hilfeeinrichtungen für queere sowie männliche Opfer häuslicher Gewalt sowie schnelle Fallbearbeitung.

2. Der Bürgermeister wird beauftragt, einen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul Konvention in Lübeck zu entwickeln und der Bürgerschaft zur Entscheidung vorzulegen. Hierbei ist auf die Bestandserfassung der vorhandenen präventiven und interventiven Angebote zur geschlechtsspezifischen Gewalt in der Stadt durch das Frauenbüro und dort sichtbar gewordene Lücken aufzubauen. Nun müssen daraus die konkreten Handlungsschritte entwickelt werden. Zudem ist Fachexpertise einzubeziehen und vorhandene Angebote vorrangig darauf zu prüfen, ob eine Erweiterung bzw. Umschichtung sinnvoller ist, als neue Angebote zu schaffen. Der Aktionsplan soll Aussagen zur zeitlichen Umsetzbarkeit, Kosten und auch zur Zuständigkeit (Bund, Länder, Kommunen) enthalten. 

Folgende Punkte sind bei der Erstellung des Aktionsplanes insbesondere zu berücksichtigen:

  1.               für vulnerable Gruppen sind Angebote zu prüfen, also für Frauen mit Fluchterfahrung, mit Behinderungen, mit Abhängigkeitserkrankungen, mit psychischen Erkrankungen, und für wohnungslose/obdachlose Frauen und queere Menschen.
  1.               Schaffung eines Präventionskonzeptes, das nicht nur die Bedarfe von Frauen und Kindern berücksichtigt, sondern insbesondere auch die von Jungen und Männern, sowie nicht-binären queeren Personen.


 


Begründung

(Änderung sind hervorgehoben.)

Seit dem 01.02.2018 ist die Istanbul Konvention in Deutschland geltendes Recht. Deutschland ist verpflichtet auf allen staatlichen Ebenen Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen sowie Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten.

Die Konvention definiert Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Menschenrechtsverletzung und als Zeichen der Ungleichstellung, soll aber ausdrücklich Opfer jeglichen Geschlechts vor häuslicher Gewalt schützen, vgl.: UN Women Deutschland e.V.: „Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf häuslicher Gewalt. Deshalb können die Vertragsstaaten Opfer (häuslicher Gewalt) jeglichen Geschlechts in den Schutzbereich der Konvention mit einbeziehen.“ (Link zur Quelle: https://unwomen.de/die-istanbul-konvention/). Somit ist Deutschland verpflichtet, alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt zu bekämpfen und den Schutz und die Unterstützung für alle Betroffenen von häuslicher Gewalt sicherzustellen. Eine Reduzierung des Schutzes vor häuslicher Gewalt nur auf Frauen würde eine unzulässige, geschlechtsbezogene Diskriminierung von queeren und männlichen Opfern häuslicher Gewalt darstellen. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Mehrzahl der Opfer häuslicher Gewalt Frauen sind, denn jedes Opfer häuslicher Gewalt hat – egal, ob es einer Minderheit oder einer Mehrheit angehört – das Recht auf Schutz und Hilfe und das unabhängig von seinem Geschlecht. Mit dem Änderungsantrag wird sichergestellt, dass alle Opfer häuslicher Gewalt Hilfe und Schutz erhalten können.

Die Herausforderungen hinsichtlich des Schutzes von Menschen vor häuslicher Gewalt sind dabei vielfältig und erfordern die Entwicklung eines Aktionsplanes zur Umsetzung der Istanbul Konvention. Dabei handelt es sich allerdings um eine langfristige Aufgabe. Kurzfristig sind aber ebenfalls Maßnahmen erforderlich, da die Zahlen der Opfer partnerschaftlicher Gewalt in Lübeck erneut erheblich gestiegen sind und die Frauenhäuser keine Kapazitäten mehr haben. Im Jahr 2021 wurden 672 Fälle partnerschaftlicher Gewalt erfasst. Im Jahr 2022 ist die Zahl auf 791 Fälle angestiegen. Tendenz steigend. Gleichzeitig liegt die Auslastung der Frauenhäuser bei knapp 100% (empfohlen wird eine Belegungsrate von 75%), sodass in 2023 insgesamt 885 Frauen und Kinder bei den beiden Lübecker Frauenhäusern abgewiesen werden mussten. Auch die Situation queerer und männlicher Opfer häuslicher Gewalt und ihrer Kinder ist in Lübeck unzureichend, wie die Auskunft von Lambda::Nord sowie Verwaltungsantworten auf die Anfragen der GAL (Hauptausschuss 26.03.2024, VO/2024/12878-01) belegen. Es wird in beiden Fällen von einer großen Dunkelziffer ausgegangen, spezifische Schutzwohnungen existieren nicht in Lübeck.

Vor diesem Hintergrund sieht die Bürgerschaft erheblichen Bedarf, die Angebote zum Schutz vor häuslicher Gewalt in Lübeck umgehend zu verbessern.

Der Änderungsantrag stellt mit der Erweiterung um queere und männliche Opfer häuslicher Gewalt und ihrer Kinder die Notwendigkeit frauenspezifischer Hilfeangebote – auch hinsichtlich der Dringlichkeit des Ausbaus – nicht in Frage. Es wird vielmehr mit dem Änderungsantrag die Chance geschaffen, dass im Rahmen der beantragten verbesserten Hilfen für weibliche Opfer häuslicher Gewalt ergänzend auch queere und männliche Opfer häuslicher Gewalt grundsätzlich (besser als bisher) Hilfe und Schutz erhalten können.

Der Begriff „queer“ und nicht „non-binär“ wurde im Änderungsantrag gewählt, da sich non-binär spezifisch auf die Geschlechtsidentität einer Person bezieht, die sich weder als ausschließlich männlich noch als ausschließlich weiblich definiert. Non-binäre Menschen sehen sich außerhalb der traditionellen Zweigeschlechtlichkeit von Mann und Frau. Queer hingegen ist ein Sammelbegriff für Menschen, die sich nicht in die heteronormativen Kategorien von Geschlecht und sexueller Orientierung einordnen lassen. Queer umfasst also ein breiteres Spektrum an Identitäten und Lebensweisen, zu denen auch non-binäre Menschen gehören können. D.h. non-binär ist eine spezifische Geschlechtsidentität, während queer einen übergeordneten Begriff für vielfältige geschlechtliche und sexuelle Identitäten darstellt, zu denen non-binär gehört.

Die Beantragung von einer nicht näher bestimmten Anzahl an Schutzwohnungen im Änderungsantrag beruht auf folgenden Gründen:

  • Die Einrichtung von nur einer einzigen Schutzwohnung als Notmaßnahme ist in Anbetracht der von den Lübecker Frauenhäusern wegen Platzmangels in 2023 insgesamt 885 abgewiesenen Frauen und Kinder (s.o.) und in Anbetracht der Tatsache, dass für Opfer häuslicher Gewalt anderen Geschlechts in Lübeck keine spezifischen Schutzhäuser existieren, absolut unzureichend.
  • Der zahlenmäßige Bedarf an zusätzlichen Schutzwohnungen wird (auch) davon abhängig sein, wie groß und wie viele Zimmer eine Schutzwohnung haben wird. Dies wird von Wohnung zu Wohnung anders sein. Es ist daher wichtig, dass der Verwaltung Handlungsspielraum in der Bearbeitung des Antrags gelassen wird, verschiedene Optionen für neue Schutzwohnungen (Anzahl, Größe und Zimmerzahl, Kostenkalkulationen) aufzuzeigen, damit Politik dem folgend Entscheidungen treffen kann.

Insbesondere die Schaffung von Schutzwohnungen birgt die Chance, gemäß der Istanbul-Konvention allen Opfern häuslicher Gewalt und deren Kindern jeweils unabhängig vom Geschlecht Schutz zu bieten. Im Gegensatz zu Frauenhäusern – die begründet geschlechtsbezogen nur Frauen als Opfer häuslicher Gewalt und ihren Kindern Schutz bieten - können Schutzwohnungen flexibler an die Bedürfnisse der Opfer in der Belegung angepasst werden.


 


Anlagen


 

Stammbaum:
VO/2024/13247   AM Mandy Siegenbrink (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN), AM Michelle Akyurt (CDU), Max Manegold (FDP): Dringlichkeitsantrag Aktionsplan Istanbul Konvention - Schutz vor häuslicher Gewalt, Frauenhäuser entlasten   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   Antrag eines Ausschussmitgliedes
VO/2024/13247-01   AM Andreas Müller (LINKE) Änderungsantrag zu: AM Mandy Siegenbrink (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN), AM Michelle Akyurt (CDU), Max Manegold (FDP): Dringlichkeitsantrag Aktionsplan Istanbul Konvention - Schutz vor häuslicher Gewalt, Frauenhäuser entlasten   Geschäftstelle LINKE & GAL   Antrag eines Ausschussmitgliedes