Seit vielen Jahren wird der Bau eines Fahrradparkhauses im Umfeld des Lübecker Hauptbahnhofes diskutiert. Es wird dringend für ein fahrradfreundliches Lübeck, die Förderung der Intermodalität und somit für den Klimaschutz benötigt. Problematisch war bei der Standortsuche bisher die Tatsache, dass der Hansestadt Lübeck (HL) keine eigenen Flächen für ein Fahrradparkhaus zur Verfügung standen.
Ende 2020 hatte der Fachbereich Planen und Bauen der Hansestadt Lübeck bereits in einem umfassenden Bericht den aktuellen Sachstand zusammengefasst und 14 potentielle Standorte und deren Umsetzungschancen dargestellt (VO/2020/09543). Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck hat sich im Februar 2021 dann auf Empfehlung des Bauausschusses dafür ausgesprochen, dass für die Errichtung eines Parkhauses die damaligen Standorte 7 und 8 als erste Priorität weiter zu verfolgen sind (VO/2020/09543-01). Der eine Standort liegt zwischen dem Empfangsgebäude der Bahn und Gleis 1. Daneben war in der Konrad-Adenauer-Straße parallel zu den Gleisen im Bereich der statisch desolaten Kasematten in einem zweiten Bauabschnitt ein Ergänzungsbau angedacht.
Für den ersten Standort (Standort 8) konnte bereits im Dezember 2021 ein Letter of Intent (LOI) zwischen der HL, der KWL, der DB Station & Service AG und der DB Netz AG geschlossen werden. Nach weiteren intensiven Abstimmungen zur Nutzung des Grundstücks der DB konnte im Juni 2023 der für die Errichtung nötige Gestattungsvertrag geschlossen werden. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Ordentlich kann der Vertrag erst nach 25 Jahren gekündigt werden, sodass eine Sicherheit bezüglich der Laufzeit verhandelt werden konnte, die auch eine Investition für das Fahrradparken rechtfertigt.
Für die Planung des Fahrradparkhauses konnte ein erfahrendes Büro für die Generalplanung gewonnen werden. Das Generalplanungsbüro hat sowohl umfangreiche Erfahrungen mit Bauten im Bahnhofs- bzw. Gleisumfeld als auch in der Errichtung eines Fahrradparkhauses.
Aktuell befindet sich die Planung in der Leistungsphase (LPH) 3 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI (Aufstellung des Entwurfs). Der Baubeginn ist für Ende 2024/ Anfang 2025 vorgesehen. Die Fertigstellung ist für Ende 2025/Anfang 2026 terminiert. Vorgesehen ist ein zweigeschossiges, aufgeständertes Gebäude mit ca. 370-380 Fahrradstellplätzen. Ein Längsschnitt mit Stand LPH 2 ist als Anlage 1 beigefügt.
Wichtige Planungsparameter sind u. a. die Beachtung des Denkmalschutzes, die Vermeidung von Angsträumen, der komfortable Zugang zum Bahnhof, ein intuitives Zugangssystem und die Barrierefreiheit. Neben normalen Fahrrädern soll es auch Abstellmöglichkeiten für Lastenfahrräder und Fahrräder für Behinderte geben.
Die Fassadengestaltung wurde bereits mit der Denkmalpflege abgestimmt. Vorgesehen ist ein großmaschiges Streckgitter, welches eine gute Durchsicht bei gleichzeitigem Regenschutz ermöglicht. Im Bereich der Treppenanlagen wird Profilglas vorgesehen.
Einvernehmen - auch mit der DB - besteht bereits zum Gründach.
Seit Monaten finden zu diesem Projekt wöchentliche Abstimmungsrunden statt, um das Projekt schnellstmöglich zu entwickeln. Neben der Denkmalpflege werden mehrere Fachabteilungen der DB (u. a. Elektro/Blitzschutz, Brandschutz, Entwässerung, Beleuchtung, Vermietung) eingebunden. Aktuell läuft zudem eine Bauvoranfrage zum Thema Brandschutz. Ziel ist die frühzeitige Minimierung von Projektrisiken sowie eine möglichst weitestgehend vorabgestimmte Planung. Mit Fortschritt des Projekts werden seitens der DB immer mehr Beteiligte eingebunden, was den Abstimmungsaufwand massiv erhöht. Zum größten Teil müssen die dortigen Zeitaufwendungen erstattet werden. Vor enorme Herausforderungen wird das Projekt durch das Thema des Anprallschutzes gestellt. Um die Anpralllasten eines Zuges aufzunehmen, wäre eine ca. 50-60 cm dick ausgeführte Wand erforderlich. Daraus entstehen große Lasten aus Eigengewicht, die über Mikropfähle nicht abzuleiten sind. Großbohrpfähle können hier aufgrund der Baustellensituation allerdings nicht eingesetzt werden. Aktuell weiterverfolgt wird die Erhöhung des Stützenabstandes zum Gleis auf ca. 7,00 m, die Verschiebung der Stützen in Richtung der Gebäudemitte und die Auskragung in Richtung Gleis um ca. 2,00 m. Mit diesem Abstand zum Gleis wäre kein zusätzlicher Anprallschutz erforderlich. Für das Gebäude entstehen dadurch Mehrkosten von ca. 500.000 Euro. Weitere umsetzbare Alternativen haben immer einen massiven Verlust an Stellplätzen zur Folge.
Es liegt ein Fördermittelbescheid der Nah.SH für die LPH 1-4 vor. Die KWL beabsichtigt, bei der Nah.SH weitere Fördermittel für die LPH 5-9 zu beantragen. Entsprechende Vorgespräche wurden gemeinsam mit der HL geführt. Eine ergänzende Förderung durch das Bundesprogramm Stadt und Land erscheint möglich. Auch hier wurden zielführende Vorgespräche geführt, um einen entsprechenden Antrag stellen zu können. Ziel ist es, eine möglichst hohe Förderquote zu erreichen. Aktuell wird mit Gesamtkosten von ca. 5.500.000 Euro netto für den Bau des Fahrradparkhauses kalkuliert.
Die KWL GmbH wird im Auftrag des Fachbereiches Planen und Bauen der Hansestadt Lübeck sowohl die Planung und den Bau des Gebäudes übernehmen als auch den späteren Betrieb sicherstellen. Ein entsprechende Ergänzung des bestehenden Pachtvertrages „Parken“ und ein neuer Geschäftsbesorgungsvertrag für das Betreiben von Fahrradparkhäusern wird erarbeitet.
Die Flächen in der Konrad-Adenauer-Straße oberhalb der statisch desolaten Kasematten sind schon seit längerer Zeit gesperrt. Die DB plant die Sicherung des Geländesprungs. Ein Baubeginn ist erst nach Fertigstellung der Bahnhofsbrücke möglich. Einen Terminplan für die Sicherungsarbeiten konnte die DB noch nicht vorlegen. Mit dem Bau eines zweiten Abschnitts eines Fahrradparkhauses könnte somit frühestens ab 2026 begonnen werden. Fraglich wäre zudem, ob eine finanzielle Beteiligung an der wahrscheinlich relativ kostenintensiven Sicherung des Geländesprungs notwendig wird, wenn zusätzliche Anforderungen durch einen Hochbau an dieser Stelle gestellt werden.
Trotz der zunächst endgültigen Absage seitens der Betreiberin der Tiefgarage in den Linden Arcaden Ende 2020 wurde seitens der HL erneut der Austausch mit der Betreiberin gesucht. Dort hatten inzwischen die verantwortlichen Akteure gewechselt. Die HL konnte hier durchaus Interesse am Fahrradparken in den Linden Arcaden wecken. In gemeinsamen Abstimmungsgesprächen zwischen Betreiberin, Eigentümervertretung und der HL wurde die Idee entwickelt, dass die Betreiberin Flächen aus dem bestehenden Pachtvertrag abgibt. Der Eigentümer hat seine Absicht erklärt diese Flächen der HL zu vermieten. Die Entwürfe aus den Jahren vor 2020 wurden verworfen, um den Begegnungsverkehr zwischen Kfz und Fahrrädern gänzlich auszuschließen. Beabsichtigt ist nun die Anmietung einer gesamten Parkebene durch die HL. Die sogenannte blaue Parkebene liegt den Gleisanlagen zugewandt und kann gesondert erschlossen werden. Aktuell befindet sich hier eine Kfz-Ausfahrt aus der Tiefgarage in die Konrad-Adenauer-Straße. Diese wird exklusiv für das Fahrradparken umgenutzt. Durch die Anmietung einer gesamten Ebene stehen relativ großzügige Flächen zur Verfügung. Angedacht ist hier auch eine Fahrradwerkstatt und Leihfahrräder unterzubringen, um weitere Serviceleistungen anzubieten und die Attraktivität der Tiefgarage zu erhöhen. Zudem wird es Lademöglichkeiten, Schließfächer etc. geben.
Ein Planungsbüro wurde gewonnen und die Planungen aufgenommen.
Die HL hat erfolgreich am Förderaufruf „Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen“ teilgenommen. Eine umfangreiche Förderung wurde vom Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) in Aussicht gestellt. Der Förderantrag wurde fristgerecht gestellt. Alle angeforderten Unterlagen wurden eingereicht. Eine Bescheidung erfolgte durch das BALM bislang nicht, da die bisherige Finanzierung auf Seiten des Bundes von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 betroffen war. Auf Nachfrage hat das BALM allerdings bestätigt, dass Planungsleistungen bereits beauftragt werden können. Im Rahmen der Haushaltsberatungen des Bundes wurde der HL mitgeteilt, dass mit einer maximalen Förderung von 851.250,00 Euro gerechnet werden kann.
Auch hier wurde inzwischen die Nah.SH eingebunden. In Vorgesprächen wurde signalisiert, dass hier eine ergänzende Förderung möglich erscheint. Ein entsprechender Antrag wird nach Abschluss der LPH 3 gestellt.
Neben der Fahrradwerkstatt lassen sich voraussichtlich bis zu 800 Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in der Tiefgarage schaffen. Durch die Tatsache, dass kein neues Gebäude errichtet werden muss, ist eine Realisierung nicht nur nachhaltig, sondern auch deutlich schneller möglich als bei der angedachten Variante über den Kasematten. Aktuell ist davon auszugehen, dass hier noch 2024 mit dem Umbau begonnen werden kann und in der zweiten Jahreshälfte 2025 die Nutzung aufgenommen werden kann. Zudem wären in einem Neubau vermutlich weniger Abstellanlagen realisierbar. Auch wirtschaftlich ist die Anmietung attraktiver.
Mit nichtöffentlicher Vorlage VO/2024/12996 wird der Hauptausschuss gebeten, der beschriebenen Anmietung zuzustimmen. Die verhandelten Konditionen sind marktüblich. Die Lage der Ebene in der Tiefgarage kommt dem präferierten Standort sehr nahe und ist deutlich schneller und wirtschaftlicher umsetzbar. Die nötige Investition in den Umbau und Herrichtung des Fahrradparkhauses in der Tiefgarage wird auf rund 1.300.000 Euro netto geschätzt.
Beide Standorte ergänzen sich daher aus Sicht der HL optimal. Die Einfahrten in die Fahrradparkhäuser liegen sich in der Konrad-Adenauer-Straße quasi gegenüber. Direkt am Bahnhof wird eine begrenzte Anzahl an überdachten und sicheren Stellplätzen mit direktem Zugang zur Empfangshalle angeboten. Gegenüber bietet die Tiefgarage noch größere Flächen und damit eine deutlich höhere Anzahl an Stellplätzen. Die „B-Lage“ wird durch weitere Serviceangebote kompensiert.
Angedacht sind geringe und gestaffelte Nutzungsentgelte. Diese werden sehr wahrscheinlich nicht geeignet sein, den Betrieb vollständig zu refinanzieren. Laut Infostelle Radparken des BALM hat sich in Deutschland eine Staffelung aus Tages-, Monats- und Jahrestarifen etabliert (ca. 1 €/Tag, 10 €/Monat, 100 €/Jahr). Teilweise werden Rabatte für besondere Gruppen gewährt, zum Beispiel für Studierende oder Inhaber:innen von ÖPNV-Zeitkarten. In den B+R-Anlagen Travemünde gelten Tarife mit 1 €/Tag, 40 €/6 Monate und 70 €/Jahr für das Radparken; Schließschränke mit Ladeeinrichtungen können dazu gebucht werden. In der weiteren Planung wird daher auch ein modernes elektronisches Zugangssystem und eine Videoüberwachung vorgesehen. Anschließend werden die Details des Betriebs wie z. B. die Nutzungsentgelte geklärt.
Für die Förderung des Radverkehrs ist die Schaffung von sicheren Abstellmöglichkeiten am Hauptbahnhof ein zentraler Bestandteil. Es wird ein hoher Ausstrahlungseffekt für die Verkehrswende erwartet. Die Nutzung des Grundstücks der DB durch eine Gestattung und die Option der Anmietung einer Ebene in der dem Bahnhof gegenüberliegenden Tiefgarage stellen eine einmalige Chance dar, den Radverkehr schnell entscheidend zu fördern. Im ADFC Klimatest 2022 hat die HL wiederholt schlecht abgeschnitten, insbesondere hinsichtlich der Fahrradabstellmöglichkeiten. Hier ist also großer Nachholbedarf. Alle Schätzungen und Berechnungen gehen aktuell von einem Bedarf von deutlich über 1.000 Abstellmöglichkeiten am Lübecker Hauptbahnhof aus. Da die DB zugleich von steigenden Fahrgastzahlen ausgeht, ist auch bei den Fahrradabstellanlagen von einer Steigerung auszugehen. Der Einzugskreis des Hauptbahnhofs erhöht sich zusätzlich durch die Nutzung von Pedelecs. Der Fachbereich Planen und Bauen wird daher in Zusammenarbeit mit der KWL beide Projekte zielgerichtet entwickeln.