Begriffliche Einordnung
Der Begriff „Freies Theater“ wird in Deutschland vor allem in Abgrenzung zum institutionalisierten Stadt- und Staatstheaterbetrieb (inkl. Landestheater) verwendet. Vier Kriterien sind dabei maßgeblich:
Künstlerische Praxis
Freie Theater arbeiten vorrangig projektorientiert und haben nur tlw. ein Repertoire. Grundmotivation ist die zeitnahe, flexible und selbstbestimmte (freie) künstlerische Arbeit. Viele künstlerische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte (bspw. kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen, Dokumentarisches Theater, genreübergreifende performative Aufführungspraktiken) sind im freien Theater entstanden.
Räumliche Praxis
Freie Theater verfügen in Teilen über eigene Spielstätten zumeist ohne eigenes Ensemble, haben aber zugleich auch eine multilokale Produktions- und Aufführungspraxis. Vor allem in städtischen Kontexten fungieren freie Spielstätten zu großen Teilen nicht nur als Produktions- sondern auch als Gastspielort für freie Produktionen.
Juristische Praxis
Freie Theater firmieren als (gemeinnütziger) Verein, als (gemeinnützige) UG, GbR und GmbH. Zu einem sehr großen Teil besteht das Freie Theater aus Soloselbstständigen sowie festen und wechselnden Gruppen/Kollektiven von Soloselbstständigen.
Wirtschaftliche Praxis
Freie Theater sind überwiegend privatwirtschaftlich, in Teilen auch nichtkommerziell/gemeinnützig aktiv. Öffentliche Förderung wird hauptsächlich als Anteilsfinanzierung (unter 50% der Gesamtfinanzierung) verwendet. Haupteinnahmequellen sind Eintrittsgelder (Eigenmittel) und Projektfinanzierungen (Drittmittel).
Entsprechend sind unter dem Begriff „Freie Theater“ Einrichtungen/Spielstätten, Gruppen und Initiativen, Festivals sowie Soloselbstständige zu verstehen, die erwerbsmäßig und künstlerisch eigenverantwortlich darstellende Kunst praktizieren. Mittlerweile spricht man in diesem Zusammenhang stärker von den „Freien Darstellenden Künsten“, die Schauspiel, Tanz, Musiktheater, Performances, Figuren- und Objekttheater sowie Zirkus umfassen. Amateur- bzw. Laientheater werden in der Regel nicht dem Begriff „Freies Theater“ zugeordnet.
Bestand in Lübeck
Im Folgenden werden nur die institutionalisierten Freien Theater betrachtet. Die Vielzahl der in Lübeck arbeitenden solostelbständigen darstellenden Künstler:innen kann aufgrund fehlender Daten in diesem Bereich nicht in die Betrachtung einfließen.
Name | Genre | Städtische Förderung |
Theater Combinale | Schauspiel | 55.000,00 € |
Taschenoper Lübeck | Musiktheater/Kindertheater | 15.000,00 € |
Theater am Tremser Teich | Schauspiel/Kindertheater | 15.000,00 € |
KOLK 17 Figurentheater | Gastspielhaus/Figurentheater | 25.250,00 € |
Kobalt Figurentheater | Figurentheater | - |
Kunst am Kai | Musiktheater | - |
Theater triBühne/ Norddeutscher Theaterfrühling | Festival/Kindertheater | - |
Tanz OrtNord | Zeitgenössischer Tanz/ Festival | - |
Fund:us Theater | Performance | - |
Comödie Lübeck (Theater Geissler) | Schauspiel | - |
Lübecker Wassermarionetten Theater | Figurentheater | - |
Zaubertheater Lübeck | Zirkus | - |
Theaterschiff | Schauspiel | - |
Freilichtbühne Lübeck | Schauspiel | - |
Theater 23 | Schauspiel | - |
Theater Liebreiz | Schauspiel | - |
Niederdeutsche Bühne | (Laien)Schauspiel | 4.000,00 € |
| | |
| GESAMT | 114.250,00 € |
Förderung
Insgesamt werden vier Freie Theater und ein Laientheater mit einer Gesamtsumme von 114.250,00€ pro Jahr institutionell gefördert. Im Rahmen der gesamten institutionellen Kulturförderung der freien Kunst in Lübeck in Höhe von 412.400,0€ (ohne Europäisches Hansemuseum) entfällt auf die Freien Theater aktuell ein Anteil von 29,85%. Das ist aktuell der zweithöchste Ansatz im Vergleich zu den anderen Kunstsparten (Musik 52,25%, Soziokultur 8,65%, Kulturelles Erbe (ohne EHM) 6,59%, Bildende Kunst 2,35%, Sonstige 0,31%, Film und Literatur jeweils 0,00%).
Besucher:innen
Laut Eigenauskunft des Theaters Combinale, des Theaters am Tremser Teich, der Taschenoper Lübeck und des KOLK 17 Figurentheater besuchen jährlich ca. 55.000 Zuschauer:innen die vier Theater.
Infrastruktur
Infrastrukturell bieten die Freien Darstellenden Künste in Lübeck im Vergleich mit anderen freien Kunstsparten ein gut ausgeprägtes kulturelles Angebot für die Stadt. Es gibt eine Vielzahl an freien professionellen Akteur:innen, an nutzbaren Aufführungsorten und unterschiedlichen Veranstaltungsangeboten und –formaten.
Wirtschaft
Die Freien Darstellenden Künste spielen in Lübeck wirtschaftlich eine sehr geringe Rolle, da die Umsätze einen zu vernachlässigenden Anteil an der Bruttowertschöpfung Lübecks einnehmen. Nach Eigenauskunft der vier Freien Theater liegt der gesamte Jahresumsatz bei 1,3 Mio Euro.
Zudem ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Freien Darstellenden Künsten äußerst gering. Der überwiegende Teil der Freien Theater in Lübeck ist gemeinnützig organisiert bzw. soloselbstständig aktiv, so dass auch das Steueraufkommen als zu vernachlässigend betrachtet werden kann.
Künstlerisch-Kulturell
Die Freien Darstellenden Künste realisieren regelmäßig vielfältige künstlerische Formen, eine zum Theater Lübeck überwiegend alternative Ästhetik an tlw. ungewöhnlichen Orten im Stadtraum, die zusätzliche Zielgruppen für die Darstellenden Künste erschließen können.
Sozial
Die Freien Darstellenden Künste in Lübeck werden vorwiegend von Lübecker:innen und für Lübecker:innen realisiert, vielfach auch im niedrigschwelligen Angebotssegment der kulturellen Teilhabe. Darüber hinaus sind sie wichtige Partner:innen bei großen und stadtweiten Kulturevents wie der Theaternacht. Damit leisten sie einen sehr wichtigen Beitrag auch zum sozialen Zusammenhalt in der Stadt.
Entwicklungsperspektiven
Eine letztmalige Anhebung der institutionellen Förderung der vier institutionell geförderten Freien Theater fand wie folgt statt:
Theater | Jahr | Aufwuchs in EUR |
Theater Combinale | 2018 | 18.150,00€ |
Theater am Tremser Teich | 2021 | 9.000,00€ |
Taschenoper Lübeck | 2021 | 15.000,00€ |
Kolk 17 | Figurentheater | - | - |
Im Rahmen der beauftragten Kulturentwicklungsplanung werden derzeit beteiligungsorientiert Bedarfe für die einzelnen Kunstsparten (Darstellende Künste, Bildende Künste u. a.) ermittelt. Im ersten KEP-Spartennetzwerktreffen Darstellende Künste am 02. Juni 2023 priorisierten die über zwanzig anwesenden Akteur:innen der Freien Darstellenden Künste in Lübeck die Perspektivthemen Förderung, Nachwuchs/Fachkräfte und kulturelle Bildung und formulierten dazu die zentralen Fragestellungen. Bei der Aufstellung des ersten Kulturentwicklungsplans und der damit einhergehenden Entwicklung von Maßnahmen fließen Erfahrungen aus anderen Städten ein, die mit differenzierten Programmen bspw. für mehrjährige Basisförderung, thematische Projektfonds, Festivals, Produktion, Recherche und Mobilität, Fort- und Weiterbildungen, Preisen/Stipendien/Residenzen u. a. gemacht wurden. Für konkrete Förderansätze für die Freien Darstellenden Künste in Lübeck, wie sie im aktuellen Positionspapier der Freien Theater formuliert sind, stehen der Verwaltung derzeit keine Berechnungsgrundlagen zur Verfügung.
Nach Einschätzung der Verwaltung könnten Steigerungen der Förderansätze an den jährlichen Steigerungen der Inflation im Zeitraum seit der jeweiligen letzten Anhebung orientiert werden. Dies würde sich wie folgt darstellen:
Theater | Zeitraum | Inflationssteigerung | Summe |
Theater Combinale | 2018 – 2023* | 19,1 % | 10.505,00 € |
Theater am Tremser Teich | 2021 – 2023* | 12,8 % | 1.920,00 € |
Taschenoper Lübeck | 2021 – 2023* | 12,8 % | 1.920,00 € |
Kolk 17 | Figurentheater | - | - | - |
| | GESAMT | 14.345,00 € |
* Die durchschnittliche Inflationsrate 2023 basiert auf den Monaten Januar bis Mai und beträgt 5,4%.
Nicht berücksichtigt sind in diesem Ansatz die weiteren von den Theatern benannten Entwicklungen. Darüber hinaus ist die gesamte institutionelle freie Kulturförderung der Hansestadt Lübeck in den Blick zu nehmen und im Sinne der Gleichbehandlung sind auch Entwicklungen in den anderen geförderten freien Institutionen ebenso wie in der freien Projektförderung für die Kulturentwicklung der Hansestadt Lübeck zu berücksichtigen.
Die Verwaltung informiert gemäß dem Wunsch des Ausschusses im Vorgriff auf Gesamtergebnisse der Kulturentwicklungsplanung über die Ergebnisse des Spartentreffens und die bisherige Förderung der freien Theater. Damit ist keinerlei Priorisierung der Sparte durch die Verwaltung vorgenommen worden. Eine Erhöhung der Förderung wurde nicht für den Haushalt 2024 angemeldet.