Zur Beantwortung der o. a. Fragen zunächst folgende Einleitung, um die Antworten im Gesamtkontext einordnen zu können:
Gem. § 57 Abs. 1 LBO SH[1] sind die unteren Bauaufsichtsbehörden die Landrätinnen oder Landräte und Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister der kreisfreien Städte. Die Aufgaben werden gem. § 58 Abs. 1 LBO SH als Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrgenommen.
Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen (§ 58 Abs. 2 LBO SH). Rechtsgrundlage ist die Landesbauordnung (LBO SH) und die auf Grund der Landesbauordnung erlassenen Verordnungen.
Die Beantwortung der nachfolgenden Fragen ist unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Der überaus komplexe Sachverhalt HGH wurde von der unteren Bauaufsichtsbehörde entsprechend bewertet und in der Ablauffolge diesbezüglich auch entsprechend bearbeitet und aufgearbeitet:
Antwort zur Frage 1:
Das bestehende genehmigte Brandschutzkonzept wurde durch die untere Bauaufsichtsbehörde zu keiner Zeit aufgehoben, auch nicht in Teilen.
Hierzu nachfolgende Erläuterung:
Das Gebäude der Stiftung Heiliger-Geist, mit seiner Nutzung als Senioren- und Pflegeheim unterliegt gemäß der Landesbauordnung in der baulichen Überwachung dem „Sonderbaustatus“ (vgl. § 2 Abs. 4 i. V. m. § 51 LBO SH) und ist einer regelmäßigen Bauüberwachung im Hinblick der Gefahrenabwehr unterlegen. In regelmäßigen Abständen wurden daher Brandverhütungsschauen, die durch das Brandschutzgesetz Schleswig-Holstein (BrSchG)[2] in Verbindung mit der Landesverordnung über die Brandverhütungsschau Schleswig-Holstein[3] vorgeschrieben sind, durch die Feuerwehr der Hansestadt Lübeck durchgeführt.
Das Ergebnis der Brandverhütungsschau der Feuerwehr ist der unteren Bauaufsicht mitzuteilen. Treten Mängel auf, die schwerwiegend sind und/oder zeitnah nicht behoben werden (können), sind diese Mängel an die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig unverzüglich weiterzuleiten. Die untere Bauaufsicht hat dann entsprechend der Landesbauordnung bauordnungsrechtliche Schritte einzuleiten, um adäquate Gefahrenabwehr und Wiederherstellung der Sicherheit für die Nutzer zu gewährleisten.
Bei der jahrelangen Nutzung und Überwachung des Gebäudes in brandschutzrechtlicher Hinsicht haben sich nach und nach mehr und mehr Mängel aufgezeigt, die dem Zustand des Gebäudes, bereits auf Grund des Alters, geschuldet sind. Bauaufsichtlich können nur Mängelbeseitigungen gefordert werden, die den Mindeststandards des Gesetzes genügen; die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Eigentümers/Nutzer bleiben hierbei unberücksichtigt.
Entsprechend wurden Mängel an dem Gebäude über die Jahre zwar behoben, jedoch nur auf jeweils notwendigem Stand. Eine Erneuerung bzw. bauliche Anpassung, die den Sanierungsstau und die brandschutztechnischen Mängel vollständig ausräumen, sollte mit Planung und folgendem Bauantrag im Jahre 2019 erfolgen. Die Baugenehmigung wurde für die im Antrag dargelegten Brandschutzmaßnahmen (Brandschutzkonzept) im Jahre 2021 erteilt.
Mit dieser erteilten Baugenehmigung, die drei Jahre Gültigkeit hat (wenn nicht innerhalb dieses Zeitraumes mit dem Bau begonnen wird), erfolgte durch das Gebäudemanagement der Hansestadt Lübeck (GMHL) eine umfangreiche Begutachtung der erforderlichen baulichen Maßnahmen.
Im März 2022 legten die vom GMHL beauftragten Fachplaner und Sachverständigen den Zwischenstand der Vorplanung als Bericht im Zuge einer Videokonferenz mit der Verwaltungsspitze vor. Die Umfänge der Mängel und Schäden, welche über den Brandschutz hinaus auch andere, sicherheitstechnisch relevante Bereiche wie Elektrotechnik, Trinkwasserhygiene, Lüftungsanlagen, Barrierefreiheit, u.A. betrafen, führten zu einer notwendigen Neubewertung des Handlungsumfanges und –drucks durch Berufsfeuerwehr (Brandschutz) sowie Stiftung und GMHL (Betreiberverantwortung / Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit).
Beispielsweise zeigten sich neben der bereits als sensibles Thema und immer wieder im Fokus stehenden, veralteten Brandmeldeanlage u.a. in den Ausführungen der Sachverständigen und Fachplaner, dass insbesondere auch Brandschotts, die in Decken und Wänden von Brandabschnitten eingebaut werden, um Durchlässe für Lüftungs- und Leitungskanäle und gebündelte Leitungen im Brandüberschlag zu anderen Bereichen zu schützen, gravierende Mängel aufwiesen. Das Risiko der Auslösung eines Vollbrandes durch nicht ausreichend ausgebildete Brandabschnittsbildungen in Verbindung mit nicht zielsicherer Alarmierung eines Brandereignisses stellt eine gravierende Gefährdung insbesondere dieser Nutzungsgruppe von Personen dar, welche zu einer Eigenrettung nicht fähig sind.
Die gegenüber der eigentlichen „Brandschutzsanierung gemäß Baugenehmigungsbescheid aus 2021“ nun erheblich umfangreicheren, grundhaften Instandsetzungsmaßnahmen setzten eine vollumfängliche Planungsleistung insbesondere mit Bauzustandserfassung, Bedarfsermittlung sowie Bauplanung nach den Leistungsphasen der HOAI voraus. Bei einem derartigen Planungsumfang ist ein europaweites Vergabeverfahren für Planungsleistungen und für Gewerkleistungen erforderlich.
Entsprechend der u. a. gesetzlichen Aufgabenstellung sah sich die untere Bauaufsicht daraufhin gezwungen mitzuteilen, dass vor diesem Hintergrund und Umfang an erheblichen Sicherheitsmängeln eine sichere, weitere Nutzung nicht mehr gegeben sei und sofort entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssten. Darauf erfolgte gem. § 87 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein eine schriftliche Anhörung zur Nutzungsuntersagung gegenüber der Stiftung Heiliger Geist. Es wurde dabei nochmals auf die gravierenden Mängel und die sich „zuspitzenden“ Sicherheitseinschränkungen verwiesen, welche durch die Bewertung der Feuerwehr insbesondere mit Bezug auf Defizite in der Alarmierung und in der möglichen Evakuierung gestützt wurden.
Die Stiftungsverwaltung reichte daraufhin zur Anhörung im März 2022 ein Interimskonzept zur Abwehr einer sofortigen Nutzungsuntersagung ein, welches die Bauaufsicht Anfang April 2022 erhielt. Dieses Konzept wurde geprüft und dabei festgestellt, dass hierzu Maßnahmen vorgeschlagen worden sind, die durchaus der sofortigen Einstellung der Nutzung positiv entgegenwirken. Unter anderen der Kapazitäts- und Liefereinschränkungen in Bauwirtschaft und –industrie geschuldet, ermangelte es an möglichen, verbindlichen Terminangaben zur örtlichen Umsetzung, die als Voraussetzung unabdingbar sind, insbesondere im Kontext der Aspekte baulicher und organisatorischer Brandschutz (Brandschottung und Erneuerung Brandmeldeanlage, aber auch Evakuierungskonzeptionen).
Im Rahmen des zustehenden Ermessens und unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit wurde die Gefahrenbeurteilung ermittelt und die erforderlichen Maßnahmen entsprechend bewertet.
Es wurden zur im Raum stehenden Nutzungsuntersagung nunmehr schriftlich bautechnische, anlagentechnische und organisatorische Brandschutzmaßnahmen in Form eines Interimskonzeptes durch die eingebundenen Planer und Sachverständigen ausgearbeitet, um der notwendigen sofortigen Nutzungsuntersagung entgegenzuwirken. Die vorgesehenen Maßnahmen wurden mit zwischen Bauaufsicht, Feuerwehr und GMHL abgestimmten Umsetzungsfristen belegt. Zur sofortigen Kompensation von bestehenden Sicherheitsdefiziten wurde im Einvernehmen zwischen den Beteiligten überbrückend eine externe Brandwache vorgesehen.
Das Interimskonzept dient der unmittelbaren Gefahrenabwehr, um eine zeitlich befristete Aufrechterhaltung der Nutzbarkeit des HGH zu ermöglichen. Dieses temporäre Konzept ersetzt nicht die notwendige Umsetzung der Instandsetzungsmaßnahmen nach dem genehmigten Brandschutzkonzept, erst mit deren Umsetzung ist die Grundlage für einen Weiterbetrieb als Altenpflegeheim gegeben.
Das Brandschutzkonzept und die zugehörige, erteilte Baugenehmigung aus dem Jahre 2021 haben Bestandsschutz. Die durch Planer und Sachverständige in 2021 zusätzlich ermittelten Defizite in der Verkehrssicherheit lösen jedoch einen Bedarf einer grundsätzlichen Instandsetzung des HGH aus, in dessen Zuge die Brandschutzmaßnahmen (nur) einen Leistungsteil darstellen.
Im Rahmen des weiterhin laufenden, bauordnungsrechtlichen Verfahrens zur Untersagung der Nutzung wurde das final am 05. September 2022 zwischen Bauaufsicht, Berufsfeuerwehr und GMHL abgestimmte Interimskonzept abschließend durch Bauaufsicht und Berufsfeuerwehr geprüft und als Grundlage für eine zeitlich befristete Aufrechterhaltung des Altenpflegeheimbetriebes dann bestätigt.
Die Maßnahmen des Interimskonzeptes wirken der derzeit bestehenden Gefahrensituation zwar entgegen, sie können dies aber nur für einen sehr begrenzten Zeitraum abbilden, um aufgrund der gegebenen Mängellage eine unmittelbare Nutzungsuntersagung zu verhindern. In diesem Zuge wird im angemessenem Rahmen Zeit gewonnen, die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zum sukzessiven Freiziehen des Gebäudekomplexes zu ermöglichen. Die Festlegung der Frist bis 30.09.2023 ist Ergebnis einer fachgerechten Ermessensentscheidung von Feuerwehr und Bauaufsicht im Rahmen der Gefahrenabwehr und stellt damit in Anbetracht der Mängellage (u.a. veraltete, akut abgängige Brandmeldeanlage) bereits einen sehr weitgehenden Rahmen dar, der keinesfalls verlängert werden kann.
Die Stilllegung des Altenpflegeheims ab dem 01.10.2023 ist damit unausweichlich, da die kurzfristige Umsetzung der Maßnahmen des genehmigten Brandschutzkonzeptes und infolge der bis März 2022 zusätzlich festgestellten und sicherheitstechnisch bewerteten Schadensumfänge nicht zu bewerkstelligen sein wird. Hierfür ist zunächst die Fortführung eines umfassenden Planungsprozesses (inkl. Kostenermittlung) erforderlich, deren Umsetzung definitiv nicht innerhalb der nächsten 2 – 3 Jahre machbar ist. Eine fortgeschriebene Kostenermittlung zu den für einen dauerhaften Altenpflegeheimbetrieb notwendigen Maßnahmen ist vom GMHL für Sommer 2023 in Aussicht gestellt.
Seitens der Bauaufsicht ist nicht über die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu entscheiden, die der Bauherr/ Betreiber/Eigentümer hat, um ein Gebäude zu betreiben. Die Bauaufsichtsbehörde greift nur zur der ihr vom Land zugewiesenen Aufgabe der Ordnung und Sicherheit ein und das nur im erforderlichen Maße (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
Die Bauaufsicht legt nicht fest, ob das Gebäude zukünftig als Senioren- und Pflegeheim genutzt werden darf oder nicht. Auch wurde durch die Bauaufsicht nicht bestimmt, dass das Gebäude sukzessive leer zu ziehen sei. Dies ist eine vom Bauherrn/Verwalter/Betreiber/Eigentümer getroffene Maßnahme, die im Rahmen der Interimskonzeption zur Gefahrenabwehr dargelegt wurde und von der Bauaufsicht als eine geeignete Maßnahme zur sukzessiven Reduzierung von akuten Gefährdungen positiv begleitet wurde.
Alle die bisher von der Bauaufsicht und auch der Feuerwehr vorgenommenen Entscheidungen und Bewertungen wurden im Rahmen der vorgeschlagenen Interimslösungen, zur Gefahrenabwehr betrachtet und bewertet. Wirtschaftliche Interessen des jeweiligen Betreibers/Eigentümers oder wirtschaftlichen Verwalters bleiben unberührt.
Das Interimskonzept, welches nunmehr auch aus Sicht der Feuerwehr als tragfähig bewertet wurde, lässt eine Aufrechterhaltung der Nutzung längstens bis zum Ende September 2023 zu. Eine weitere Nutzung unter diesen Rahmenbedingungen ist über diesen Zeitpunkt hinaus ausgeschlossen und würde bauaufsichtlich zwangsläufig zu einer vollständigen Untersagung der Nutzung führen.
Antwort zur Frage 2:
Die über viele Jahre das Objekt betreuende Mitarbeiterin der Bauaufsicht ist seit Mitte 2022 nicht mehr bei der Hansestadt Lübeck tätig. Mit ihrem Weggang, wurde die Bearbeitung einer anderen Mitarbeiterin übertragen, die Abteilungsleitung hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt.