Vor dem Hintergrund einer weltweit zunehmenden Urbanisierung, Digitalisierung und Vernetzung stehen deutsche Städte und Kommunen heute vor großen Herausforderungen bei der Bewältigung des gesellschaftlichen, demographischen, klimatischen und digitalen Wandels. Finanzielle, administrative, regulatorische und technologische Unsicherheiten beeinflussen nachhaltige Entwicklungen in Kommunen. Die Hansestadt Lübeck möchte in Zeiten von Veränderungen und Umbruch das direkte Umfeld mit ihren Bürger:innen gemeinsam gestalten und so das Fundament für eine funktionierende Gesellschaft bilden. Sie berufen sich hierbei auf die Smart City Charta und die New Urban Agenda der Vereinten Nationen, die Städte als intelligente, zukunftsorientierte, aber auch komplexe Systeme beschreiben.
Die Rolle der Kommune als Initiator und Akteur der Digitalisierung bei gleichzeitiger Einbindung und Akzeptanz der Bürger:innen ist dabei unerlässlich. Ausgangspunkt der Digitalen Transformation von Kommunen ist oft eine verbesserte Effektivität kommunaler Prozesse und die Initiierung von Veränderungsprozessen auf der strukturellen Ebene der Stadtentwicklung. Sie erstreckt sich in der Folge jedoch über das gesamte Spektrum sowohl ökologischer, soziologischer als auch wirtschaftlicher Fragen und Zielsetzungen aus Sicht der Kommune. Die Digitale Transformation ist durch umfängliche und disruptive Veränderungen geprägt, bei denen moderne Technologien als Enabler eingesetzt werden. Als Grundlage einer nachhaltigen Konzeption und Umsetzung von Smart Cities bieten sich offene, flexible, digitale Plattformen unter Verwendung offener Standards an. Sie stellen die technischen Funktionalitäten zur Verfügung, die eine digitale Gesellschaft und Smart Cities als Infrastruktur einer Intelligenten Vernetzung brauchen, bilden die Grundlage für Innovation aus Daten und Vernetzung und sind entscheidend für die ökonomische Zukunftsfähigkeit. Smart City Anwendungen können auf diverse Arten entwickelt und betrieben werden. Um aber eine größere Wirkung entfalten und eine Vielzahl von Anwendungen unterstützen zu können, ohne vergleichbare Infrastrukturen und Dienste wiederholt für jeden Anwendungsfall zu implementieren, ist die Etablierung einer zentral verfügbaren Datenplattform (Smart City Plattform) sinnvoll. Diese Plattform stellt die Basis einer urbanen Dateninfrastruktur für die zukünftige digitale Stadtentwicklung, dient der Innovationsförderung und ist ein wichtiger Enabler für die Implementierung eines Smart City Programms.
Die TraveKom Telekommunikationsgesellschaft mbH soll aus diesem Grund die Dienstleistung erbringen, für die Hansestadt Lübeck eine Smart City Plattform aufzubauen und zu betreiben (Anlage 2: Seite 7), um eine intelligente Vernetzung aller Komponenten zu ermöglichen.
Ausgangslage in der Hansestadt :
Aktuell gibt es in der Hansestadt Lübeck historisch gewachsene Strukturen, die eine effektive und effiziente Datennutzung behindern. Ein ausgeprägtes Silodenken in der Vergangenheit hat dazu geführt, dass Schnittstellen und Dokumentationen fehlen und sogar redundante Lösungen für gleichartige Problemstellungen existieren. Diese Ausgangssituation macht eine intelligent vernetzte Stadt unmöglich, weil sie den Zugang zu Informationen erheblich verkompliziert. Eine dezentrale Struktur mit inkompatiblen Datensilos ist auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht empfehlenswert, weil mit jeder neuen Komponente die Anzahl der Schnittstellen exponentiell steigt. Diese Schnittstellen müssen im Bedarfsfall immer wieder angepasst werden, was nicht nur sehr zeitaufwendig sondern auch extrem kostenintensiv ist. Nach dem positiven Förderbescheid des Bundesministerium des Innern im Rahmen des Förderwettbewerbs „Modellprojekte Smart City“ benötigt die Hansestadt Lübeck jetzt die Basisinfrastruktur in Form einer Smart City Plattform, um die bereits initiierten und zukünftigen Smart City Projekte intelligent miteinander vernetzten zu können.
Bereits im Rahmenkonzept zur Digitalen Strategie der Hansestadt Lübeck (VO/2020/08509) ist ein Urban Data Portal vorgesehen, welches das "digitale Gehirn" der Smart City Lübeck darstellt. Dieses soll allen Interessierten relevante, nicht personenbezogene Daten aus Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Sensornetzwerken zur Verfügung stellen. Das Portal funktioniert jedoch nicht alleine, sondern benötigt eine flexible und erweiterbare Hintergrundinfrastruktur, um Daten intelligent miteinander vernetzen zu können. Weiterhin sieht das Rahmenkonzept auch eine Digitale Infrastruktur vor, bei der neben den Themen Breitband und öffentliches WLAN auch ein flächendeckendes Sensornetzwerk (LoRaWAN) betrieben wird. Dieses Sensornetzwerk bietet die Möglichkeit, Daten von verteilten Sensoren in der Hansestadt öffentlich zugänglich zu machen. Ferner soll das LoRaWAN selbst für interessierte Bürger:innen aber auch Interessierte aus der Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft zugänglich gemacht werden. Dieses Sensornetzwerk mit seinen knapp 70 professionell gemanagten Gateways ist in Norddeutschland ein Alleinstellungsmerkmal der Hansestadt Lübeck, was sowohl für die etablierte Wirtschaft, als auch für StartUps attraktive Möglichkeiten eröffnen kann. Beispielsweise war es mit Hilfe des LoRaWAN möglich, die ersten Schulen sehr einfach mit professionellen CO2-Sensoren auszustatten. Um diese Möglichkeiten auszubauen und auch neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen, wird eine zentrale Smart City Plattform benötigt.
In der Verwaltung existieren aktuell rund 400 Fachverfahren, die mit unterschiedlichsten Schnittstellen ausgestattet sind, was einen erheblichen Wartungsaufwand erzeugt und einen bürger:innenfreundlichen Prozess erschwert. Perspektivisch benötigt die Hansestadt Lübeck auch im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes eine zentrale Plattform, die sowohl modernsten Sicherheitsstandards entspricht, als auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO einhält und reibungslos mit der Landeslösung (OSI-Plattform) zusammenarbeitet. Mittelfristig kann die Smart City Plattform so auch hilfreich sein, um Bürger:innen die Antragstellung zu erleichtern und die Verwaltungsmitarbeitenden bei der Prüfung der Anträge zu unterstützten. Dadurch könnte die Effizienz gesteigert werden, was zu erheblich kürzeren Bearbeitungszeiten führen kann. Alle Aktivitäten diesbezüglich werden u.a. eng mit der Datenschutzbeauftragten der Hansestadt Lübeck abgestimmt.
Lösung:
Um die vorhandenen und zukünftigen Daten in der Hansestadt effektiv nutzen zu können, ist eine strukturierte und administrierbare Basisinfrastruktur (Anlage 2: Seite 7) erforderlich, die mit Hilfe eines multimandantenfähigen Berechtigungskonzept den Zugriff auf die unterschiedlichen Daten managed und offene und standardisierte Schnittstellen (API[1]) verwendet. Ferner wird eine hochflexible und leicht erweiterbare Infrastruktur benötigt, um auch zukünftige Anforderungen integrieren zu können. Zusätzlich müssen weitere Anforderungen wie Hochverfügbarkeit, Interoperabilität, Nutzerzentriertheit, DSGVO-Konformität sowie ein umfangreiches Sicherheitskonzept gewährleistet sein. In einem weiteren Schritt kann die Smart City Plattform um weitere Elemente wie beispielsweise Business Solutions oder Community Solutions erweitert werden. Die Fachverfahren für die Stadtverwaltung werden weiterhin durch die städtische IT gehostet. Verbindungen zu / von einzelnen Fachverfahren zur Smart City Plattform können über eine gesicherte Schnittstelle (Demilitarisierte Zone) realisiert und ausgeprägt werden.
Architektur der Smart City Plattform Lübeck:
Mit Hilfe einer Middleware wie FiWare müssen die Komponenten nicht mehr einzeln mit anderen kommunizieren, sondern kommunizieren nur noch mit der Middleware, was die Anzahl der Schnittstellen erheblich reduziert (Anlage 2: Seite 3). Eine Smart City Plattform Lübeck, wie in Anlage 2: Seite 4-7 gezeigt, erfüllt diese Anforderungen und ist eine modulare zukunftsorientierte Lösung für die Smart City Region Lübeck. Mit Hilfe dieser Plattform werden Daten der Hansestadt zentral gespeichert, aufbereitet, verlinkt und wieder zur Verfügung gestellt. Die Plattform wird von der TraveKom aufgebaut und betrieben. Sie basiert auf dem FIWARE-Framework, welches im Rahmen der Forschungsprogramme FP7 und Horizon 2020 der Europäischen Union von einer Vielzahl führender ICT-Unternehmen entwickelt und als Open Source Komponenten zur Verfügung gestellt wurde. Die Architektur hinter dieser Plattform ist somit erprobt und kann die entsprechenden Anforderungen erfüllen. Zusätzlich wurde bereits im vergangen Jahr ein Machbarkeitsnachweis mit positivem Ergebnis bei der TraveKom durchgeführt. Die Daten werden verschlüsselt übertragen, in der Hansestadt gespeichert und verbleiben im Eigentum der Hansestadt Lübeck bzw. kommunaler Unternehmen. Mit der geplanten Smart City Plattform ist es langfristig auch möglich, Echtzeitkommunikation (Transaktionen in Millisekunden) zu realisieren.
Das Urban Data Portal ist das zentrale Web-Frontend der Smart City Plattform Lübeck. Es beinhaltet zunächst die Komponenten, Open Data Portal, Geo Data Portal und Environment Data Portal, ist aber modular erweiterbar.
Das Open Data Portal ist eine Webanwendung, über die in einem Bestand von Datensätzen gesucht und gebrowst (navigiert) und über die auf Datensätze zugegriffen werden kann. Jeder Datensatz ist dabei durch Metadaten beschrieben und wird dadurch identifizierbar. Das Open Data Portal dieser Plattform basiert auf dem Comprehensive Knowledge Archive Network (CKAN). Es ist eine Open-Source-Software mit sehr großer Entwicklergemeinde und wird weltweit zum Betrieb von zahlreichen Datenportalen eingesetzt.
Das Geo Daten Portal ist eine Webanwendung, die georeferenzierte Daten zur Verfügung stellt. Interessierte können eigenständig unterschiedliche Ebenen einblenden. Beispielsweise könnten auf der Suche nach einer freien E-Ladesäule nicht nur die E-Ladesäulen selbst angezeigt, sondern es könnte eine Route zur gewünschten E-Ladesäule berechnet werden, die sowohl die aktuelle Verkehrssituation Baustellen berücksichtig und den Benutzer basierend auf Unfallstatistiken auf besonders unfallreiche Teilstrecken hinweist (Anhang 2: Seite 6).
Das Environment Data Portal (Umweltdatenportal) ist eine erweiterte Version des Geo Daten Portals. In dieser Webanwendung werden dediziert lokale Umweltdaten anzeigt. Die Daten können miteinander in Verbindung gebracht und mit persönlichen Schwellwerten versehen werden. In Bezug auf die Daten werden sowohl die hochprofessionellen Datenquellen des Landesamts für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und industrielle Umweltmessungen als auch Citizen Science Daten aus Bürger:innenbeteiligungsprojekten zusammengeführt.
Die Komponenten des Urban Data Portals interagieren über die Middleware (Smart City Core) mit dem Datenpool, der aus unterschiedlichen Datentypen (statische und dynamische Daten) besteht. So kann eine intelligente Vernetzung von Daten in Lübeck sichergestellt werden. Zu den statischen Daten gehören zunächst statistische Basisdaten, Geo-basierte Daten aus der Verwaltung und kommunale Daten in Anlehnung an den Musterdatenkatalog (Bertelsmann Stiftung, GovData, Open Knowledge Foundation Deutschland). Unter dynamische Daten werden städtische Daten (z.B. Verkehr), Internet-of-Things-Daten aus dem LoRaWAN, Industriedaten der ansässigen Wirtschaft sowie Echtzeitdaten verstanden. Letztere sind fester Bestandteil des Konzeptes der Smart City Plattform Lübeck, werden aber im ersten Schritt noch nicht umgesetzt.
Finanzierung:
Um die Smart City Plattform Lübeck finanzieren zu können sollen Haushaltsmittel der Stabstelle Digitalisierung, Organisation und Strategie sowie Fördergelder des vom Bundesministerium des Innern geförderten Projektes Modellprojekte Smart City verwendet werden. Geplant ist es den Aufbau der Plattform aus dem Haushalt zu erbringen und den Betrieb durch die Fördergelder abzudecken. Aufgrund der Konzeption des Förderprogramms ist es aktuell nicht möglich die Kosten für den Aufbau aus den Fördergeldern zu finanzieren. Aus diesem Grund gestaltet sich die Finanzierung wie folgt:
Investition | Betrag | Quelle |
Aufbau der Ausbaustufe 1 der Smart City Plattform Lübeck | 946.228,50 Euro (einmalig, brutto) | Digitalisierung, Organisation und Strategie - HH 2021 |
Betrieb und Wartung der Smart City Plattform Lübeck | 9980 Euro (monatlich, brutto) | Fördermittel des BMI - Modellprojekte Smart City bis 2027 danach Haushalt DOS |
Erst kürzlich hat die Stadt Paderborn bekannt gegeben, dass sie für eine vergleichbare Smart City Plattform rund 3 Mio. Euro[2] investiert hat.