Nach § 12a Abs. 4 Aufenthaltsgesetz kann ein Ausländer, der der Verpflichtung nach § 12a Abs. 4 AufenthG unterliegt, zur Vermeidung von sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung für maximal drei Jahre verpflichtet werden, seinen Wohnsitz nicht an einem bestimmten Ort zu nehmen, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass der Ausländer Deutsch dort nicht als wesentliche Verkehrssprache nutzen wird.
Die Gefahr sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung besteht hinsichtlich der Stadt Lübeck bereits angesichts der Vielzahl von Flüchtlingen, die ihren Wohnsitz in Lübeck innehaben. Bei den noch zu erwartenden Flüchtlingen ist diese Gefahr besonders groß, weil sie bereits gefügte Strukturen der jeweiligen Heimatnationen vorfinden, die eine Partizipation und Teilhabe in der aufnehmenden Gesellschaft aus verschiedenen Gründen erschweren.
Ethnische Segregation
Die Verteilung der Einwohner mit Migrationshintergrund („MHG“) über das Lübecker Stadtgebiet war bereits zum 31.12.2014 sehr ungleichmäßig. In den Stadtteilen Moisling und Buntekuh lag der Anteil der Einwohner mit MHG bereits zum 31.12.2014 erheblich über dem Lübecker Durchschnitt. Zum 31.12.2018 hat sich der Abstand zum Lübecker Durchschnitt bei einem insgesamt erheblich gestiegenen Anteil der Einwohner mit MHG an der Gesamtbevölkerung noch einmal erhöht.
Tabelle 1 Anteil von Einwohnern mit MHG[i] |
in % | 31.12.2008 | 31.12.2014 | 31.12.2018 | 31.12.2019 |
Hansestadt Lübeck | 19,2 | 20,4 | 24,2 | 27,1 |
Moisling | 28,4 | 27,5 | 34,0 | 37,2 |
Buntekuh | 32,8 | 37,8 | 43,9 | 47,4 |
Der bereits hohe Anteil von Einwohnern mit MHG wird sich in Moisling und Buntekuh in den nächsten Jahren ohne jeden externen Zuzug weiter stark erhöhen aufgrund des hohen Anteils der Personen mit MHG in der Altersgruppe bis 17 Jahre.
Ein statistischer Bezirk in Moisling und zwei in Buntekuh weisen per 31.12.2016 jeweils einen Anteil von Einwohnern mit MHG zwischen 50 und 74% aus.[iii]
Zumindest für die Stadtteile Moisling und Buntekuh ist somit eine fortschreitende Segregation von Einwohnern mit MHG festzustellen. Ausländer und Personen mit MHG, die in diesen Stadtteilen ihren Wohnsitz nehmen, können sich mit hoher und wachsender Wahrscheinlichkeit ausschließlich in landsmannschaftlich, kulturell, religiös und sprachlich verwandten Milieus bewegen, ohne Notwendigkeit, sich der deutschen Sprache zu bedienen.
Auf Ebene einzelner Nationalitäten bildet der Segregationsindex die räumliche Trennung ab. Dieser gibt an, wieviel Prozent der Einwohner mit einer bestimmten Nationalität umziehen müssten, um eine räumliche Gleichverteilung über das gesamte Stadtgebiet zu erreichen. Der Wert liegt zwischen 0 (absolute Gleichverteilung) und 100 (größtmögliche räumliche Ungleichverteilung).
Tabelle 2a Segregationsindex für ausgewählte Gruppen (in %) |
Gruppe | 31.12.2018[iv] | 31.12.2019[v] |
Türken | 29,9 | 29,0 |
Syrer | 18,2 | 19,2 |
Iraker | 24,5 | 24,5 |
Afghanen | 29,0 | 28,4 |
Polen | 15,6 | 14,4 |
Zum Vergleich: der Segregationsindex für alle Ausländer beträgt 16,1% (per 31.12.2015) und für alle Einwohner mit MHG 15,3% (per 31.12.2015).[vi]
Für die Türken, Syrer, Iraker und Afghanen ist damit eine starke räumliche Konzentration festzustellen, d.h. die Bildung landsmannschaftlich geprägter Viertel mit reduzierten Anreizen zum Erwerb der deutschen Sprache und weitergehender Integration in die deutsche Gesellschaft.
Syrer, Iraker und Afghanen machten in 2018 53,5% aller Schutzsuchenden in Deutschland aus.[vii] Auch unter den zukünftigen Schutzsuchenden ist mit einem hohen Anteil aus diesen Staaten zu rechnen. Ein Zuzugsstopp ist daher besonders geeignet, ein weiteres Anwachsen und die weitere räumliche Konzentration dieser Gruppen zu verhindern, um für sie die Integration, insbesondere den Erwerb der deutschen Sprache, nicht noch weiter zu erschweren.
Sprachkenntnisse
Die wachsenden Schwierigkeiten des Spracherwerbs zeigen sich auch darin, dass bei den Lübecker Schuleingangsuntersuchungen[viii] die Anzahl der Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache von 207 in 2013/2014 auf 259 in 2016/2017 stieg, die Anzahl der Kinder mit rudimentären oder ohne deutsche Sprachkenntnisse stieg im gleichen Zeitraum von 45 auf 86. Von in 2016/2017 untersuchten 377 untersuchten nichtdeutschen Kindern sprachen etwas über 100 in der Familie nicht Deutsch.
Der Anteil der ausländischen Kinder an den Grundschülern verdoppelte sich fast von 6,0% im Schuljahr 2014/2015 auf 11,5% im Schuljahr 2017/2018.[ix] Nimmt man den Anteil der DaZ-Basisstufe Grundschüler als Näherung für den Ausländeranteil, dann ist eine überproportionale Konzentration der ausländischen Schüler auf die Grundschulen in Moisling und Buntekuh festzustellen.
Tabelle 3 Grundschüler und DaZ Grundschüler[x] |
| Anzahl | Anteil | Anzahl DaZ | Anteil DaZ |
Hansestadt Lübeck | 6.938 | 100% | 197 | 100% |
Moisling: Heinrich-Mann-Schule Mühlenweg-Schule Schule Niendorf | 401 | 5,8% | 15 | 7,6% |
Buntekuh: Baltic-Schule Grundschule am Koggenweg | 455 | 6,5% | 19 | 9,6% |
Es ist für Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache an einer Schule mit hohem Ausländeranteil schwieriger, die deutsche Sprache zu erlernen und sich in ihrem Gebrauch zu üben.
Arbeitsmarktsituation
Im Jahresdurchschnitt 2019 beträgt die Arbeitslosenquote bei allen zivilen Erwerbspersonen in Lübeck 7,3%. [xi] Im Jahresdurchschnitt waren 1.986 Ausländer arbeitslos gemeldet. [xii] Die größte Gruppe stellen mit 19,4% syrische Staatsangehörige, gefolgt von Türken (18,0%) und Irakern (8,8%). Der Anteil der Arbeitslosen im Kontext von Fluchtmigration lag bei rund 37% (735 Personen) .
Im Jahresdurchschnitt 2018 beträgt die Arbeitslosenquote bei allen zivilen Erwerbspersonen in Lübeck 7,8%. [xiii] Im Jahresdurchschnitt waren 2.009 Ausländer arbeitslos gemeldet. [xiv] Die größte Gruppe stellen mit 19,8% Türken, gefolgt von syrischen Staatsangehörigen (18,1%) und Irakern (8,6%). Der Anteil der Arbeitslosen im Kontext von Fluchtmigration lag bei rund 34% (683 Personen).
Im Jahresdurchschnitt 2014 beträgt die Arbeitslosenquote bei allen zivilen Erwerbspersonen in Lübeck 9,6%. [xv] Im Jahresdurchschnitt waren 1.717 Ausländer arbeitslos gemeldet.
Fazit
Angesichts der Lage ist der Zuzugsstopp ein geeignetes und gebotenes Mittel, den Einwohnern Lübecks, mit und ohne MHG, insbesondere denen in Moisling und Buntekuh, Erziehern, Lehrern, Verwaltungsmitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern eine Atempause bei ihrem Einsatz für die Integration zu verschaffen und ihre Arbeit nicht durch ständig wachsende Fallzahlen und zunehmende ethnische Segregation weiter zu erschweren.